Half Life 2

Genre
Shooter
USK
keine Jugendfreigabe (?)
Pädagogisch
ab 18 Jahre
Vertrieb
Sierra/Valve
Erscheinungsjahr
2004.11
Systeme
PC, Xbox
System im Test
PC
Kurzbewertung
Ego-Shooter-Abenteuer mit viel Diskussionsstoff
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Beschreibung des Spiels: „Der rechte Mann am falschen Ort, kann in dieser Welt viel bewegen.“ - Mit diesem Sinnspruch zu Beginn des filmartigen Ego-Shooter-Abenteuers bedacht, rückt man als Gordon Freeman wieder Aliens und anderen mehr oder weniger fiktionalen Wesen zu Leibe. In der Fortsetzung zum ersten Teil der Spielreihe beginnt das Abenteuer in einem U-Bahn-Zug. Im Verlauf der Handlung entfaltet sich dem Spieler eine düstere und kalte Großstadtkulisse, in der die Bewohner Einheitskleidung tragen und augenscheinlich einer Gehirnwäsche unterzogen worden sind. Überall stehen Polizisten, die wenig zimperlich über die Einhaltung der Ordnung wachen. Überwachungskameras begleiten jeden Schritt der Einwohner. Willkürliche Verhöre und das Verschwinden von Menschen ohne ersichtlichen Grund scheinen zum Alltag zu gehören. Essen gibt es auf Bezugsschein und der Instinkt gilt als auszurottende menschliche Eigenschaft.
Im Widerspruch dazu rühmen Werbetafeln die Vorteile eines Lebens in dieser Überwachungswelt. Sogenannte „Gönner“ regieren und kontrollieren mit Hilfe eines ausgeklügelten und allgegenwärtigen Überwachungssystems die Stadt von einer hermetisch abgeriegelten Zitadelle aus. Ihr Ziel ist es, die Menschen durch Überwindung des Aberglaubens und irrationaler Impulse zur Unsterblichkeit zu führen. Hinter dieser obskuren Botschaft verbirgt sich der heimtückische Plan außerirdischer Mächte, die die Versklavung der Menschheit anstreben.
Aufgabe des Spielers bzw. Freemans ist es, sich diesen Plänen entgegenzustellen. Unterstützung erhält er durch eine Widerstandsgruppe, die den virtuellen Helden mit Informationen, Ausrüstungsgegenständen und Waffen, wie Pistolen, Magnums, Schrotflinten, Raketenwerfern und Armbrüsten, versorgt. Mit ihnen feuert man sich durch zahlreiche, atmosphärisch dicht gestaltete Level, wobei der Spieler sein Handeln, genreüblich, aus der Ich-Perspektive gestaltet. U. a. müssen Sicherheitskräfte, Mutanten, Aliens und obskure Parasiten, die sich an den Köpfen der Menschen festsaugen, erledigt werden. In diesen Kampfsituationen hilft nur der reaktionsschnelle Gebrauch der Schusswaffen. Und wie üblich hinterlassen erledigte Gegner Munition und Medipaks, die es aufzusammeln gilt. Die Treffersimulation ist deutlich in Szene gesetzt. Getroffene Gegner werden durch die Luft geschleudert, rote Wolken kennzeichnen ihre Verletzungen und bei Verwendung bestimmter Waffen können auch Körperteile abgetrennt werden.
Wer sich nur auf Reaktionsschnelligkeit und Waffengewalt verlässt, der wird auf Dauer scheitern. Ebenso wichtig ist es, die Landschaft zu erkunden, mit Personen ins Gespräch zu kommen, Informationen zu sammeln und Rätsel zu lösen. In diesen Handlungsphasen wird deutlich, dass „Half-Life 2“ eigentlich eine spannende, abwechslungsreiche und auch anspruchsvolle Spielgeschichte bietet, die solch übertrieben dargestellten Kampf- und Metzelszenen eigentlich nicht benötigt.

Pädagogische Beurteilung: Spiele wie „Half Life2“ besitzen bei Fans bestimmter Genre-Programme fast schon Kultstatus. Und was Kult ist, wollen Kinder und Jugendliche natürlich spielen. Für sie ist es an sich schon reizvoll, Spiele, die die Erwachsenen kritisieren und ablehnen, gleichzeitig aber spielen dürfen, zu besitzen oder zumindest zu kennen. Auch glauben besonders ältere Kinder und Jugendliche nicht, dass die angeblichen „Killerspiele“ ihnen schaden könnten und belächeln geradezu die Wirkungsbefürchtungen der Eltern und Pädagogen. Gleichzeitig sind sie irritiert darüber, wie wenig Rahmungs- und Medienkompetenz ihnen die Erwachsenenwelt zutraut. Um zum Spiel eine einigermaßen sachliche Einschätzung vornehmen zu können, ist es wichtig, Spiele dieser Machart entsprechend zuordnen zu können. Das heißt, zu wissen, dass solche Spiele weniger als 5% des gesamten elektronischen Spielemarktes ausmachen und dass die USK dieses Spiel mit der gesetzlichen Alterskennzeichnung „Keine Jugendfreigabe“ versehen hat, es aber ansonsten nicht verboten ist. Soll heißen, bestimmte Szenarien im Spielverlauf widersprechen nach Ansicht der Prüfungskommission zwar den Grundsätzen der USK, erfüllen aber nicht die Kriterien einer Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
Mit dem Wissen, dass das Spiel „Keine Jugendfreigabe“ besitzt, versuchen wir es auch entsprechend zu beurteilen. „Half Life2“ ist ein spannend gemachtes und von einer durchdachten, detailliert angelegten Geschichte getragenes Abenteuerspiel für Erwachsene. Das Szenario bedient sich geschickt zahlreicher Zitate aus Science-Fiction-Filmen und entwickelt damit einen eigenen Stil. Der Einstieg in die Story hat filmische Qualitäten, zitiert den eigenen Vorgänger mit einem Augenzwinkern und versetzt den Spieler ohne langes Federlesen in schwer einzuschätzende Situationen voller Skurrilitäten. Diese zu enträtseln, motiviert den Spieler seine Umgebung mehr und mehr zu erkunden, wobei er intuitiv alle notwendigen Bedienungsmöglichkeiten im Spiel kennen und beherrschen lernt.
Auch wenn ein großer Teil der Handlungsanforderungen aus reaktionsschnellem Töten der Gegner besteht, lässt sich ebenso feststellen, dass die Erledigungsszenarien nicht um ihrer selbst willen stattfinden, sondern eingebettet sind in eine für Erwachsene klar durchschaubare fiktionale Abenteuergeschichte. Die stimmungsvolle und geheimnisvolle Science-Fiction-Atmosphäre bietet vielfältige Spannungs- und Actionmomente, wobei das aktionale Handeln, also das Erledigen von Gegnern, zwar spielbestimmend, aber nicht spielentscheidend ist. Ebenso gefordert sind das in Gang setzen von Mechanismen, Benutzen verschiedener Fahrzeuge, Lösen von Rätseln sowie taktisches Vorgehen und planerisches Handeln. Wer diese Aufgabenstellungen nicht erfüllen will oder kann, wird vom Spiel recht schnell enttäuscht sein.
Interessant ist in diesem Sinne auch die Rückmeldung einiger Spieler, was die Gewalt- und Ballerszenarien betrifft. Sie meinen, dass eine so spannend gestaltete Spielgeschichte auch mal Entlastungsmomenten bedarf und dass dann eine Portion „rumballern, wie eine Verschnaufpause wirkt“. Das Abtrennen von Körperteilen empfanden sie „als Effekt ganz amüsant“ aber „wenig effektiv“ und „irgendwann langweilig“. Einige waren auch verärgert darüber, dass solche für die Spielgeschichte unbedeutende Inszenierungen letztendlich dazu führen, dass die Spiele keine Jugendfreigabe erhalten und heimlich gespielt werden müssen. Ihrer Meinung nach liegt da die Verantwortung auch bei den Spieleherstellern, „die doch wissen müssten, was für Jugendliche erlaubt ist und was nicht“! Ein interessanter Gesichtspunkt, den wir gern an die Programmierer und Spieleproduzenten als Anregung weitergeben.