Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1
Spielbeschreibung:
Dass Joanne K. Rowling, ihres Zeichens Erfinderin des Zauberlehrlings Harry Potter und seiner wundersamen Welt, inzwischen genug Geld zur Seite gelegt haben dürfte, um sich bis zum Ende ihrer Tage ein einigermaßen sorgenfreies Leben machen zu können, gilt als ziemlich sicher. Immerhin ist Frau Rowling durch ihren Erfolg inzwischen die reichste Frau Englands. Ob sie aber tatsächlich vorhat, für die nächsten Jahrzehnte zwischen weißen Palmstränden und Luxus-Suiten in Top-Hotels hin und her zu jetten, kann man bezweifeln, es gibt ja noch so viel zu tun!
Obwohl die Erscheinung des letzten „Harry Potter“-Bandes inzwischen schon fast vier Jahre zurück liegt, hat man nicht das Gefühl, dass die Hysterie um Hogwarts, Muggel und den, dessen Namen man nicht nennen soll, merklich abgenommen hat. Die Verwertungsindustrie läuft immer noch auf Hochtouren: Das letzte Buch wurde gerade in zwei Filme geteilt , Bücher zu den Büchern und Filme zu den Filmen und Büchern sind überall zu haben. Merchandising aller Art stapelt sich in den Regalen, Harry lebt, es ging ihm nie besser.
Ein fester Teil dieser Maschinerie besteht schon seit langer Zeit im Übertragen der Film- in die Games-Welt. Jeder Film, der sich nur einigermaßen für diesen Schritt eignet, wird gnadenlos „polygenisiert“ und zum Nachzocken frei gegeben. So natürlich auch Harry und seine Freunde.
Pädagogische Beurteilung:
Das Spiel...
„Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ erschien bei uns am selben Tag, an dem auch der Film in die Kinos kam, und orientiert sich grob Teil an dessen Handlung. Unsere Spiele-Tester waren zu dem Zeitpunkt, als ihnen “Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ zum Testen an der Nintendo Wii präsentiert wurde, schon im Kino gewesen. Die allermeisten mochten den Film, jetzt waren sie gespannt auf die Umsetzung im Spiel.
Das Spiel beginnt, wie der Film, hoch über den Wolken als Beifahrer im fliegenden Motorrad von Hogwarts Hausmeister Rubeus Hagrid. Doch die beiden sind nicht allein. Dutzende von Todessern stürzen sich auf die beiden Freunde und Harry muss sich mit seinem Zauberstab zur Wehr setzen.
Den Wii-Controller erhoben, bereit die dunklen Schergen möglichst glorreich in die Flucht zu schlagen, versuchten unsere Spiele-Tester den (etwas unverständlichen) Erklärungen auf dem Bildschirm zu folgen. Man musste zielen und konnte dann durch Druck eines Knopfes den Zauber (Stupor) abfeuern, der die bösen Todesser von ihren Hexenbesen befördern sollte. Klingt erst einmal einfach, war es aber ganz und gar nicht: Das Zielkreuz auf dem Bildschirm schien ein Eigenleben zu entwickeln und verschwand zweitweise von selbst und ohne Grund vom Bildschirm. Unsere Tester blieben so samt Harry und Hagrid als wehrlose Zielscheiben der bösen Schergen zurück. Etwas ratlos mussten sie mit ansehen, wie das Motorrad schwer getroffen wurde, Hagrid bewusstlos über seinem Lenker zusammen sackte und das Spiel seinem Ende entgegen ging, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Die Tester versuchten alles: fuchtelten (teilweise wild fluchend) mit dem Controller vor der Wii herum, versuchten, sich weiter vor oder zurück zu setzen - alles schien vergebens, der Absturz nicht mehr abwendbar, als das Zielkreuz, plötzlich und ohne erkennbare Motivation wieder in der rechten, oberen Ecke des Bildschirms auftauchte. Die Verfolgungsjagd konnte so doch noch zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden, aber das Problem der widerspenstigen Steuerung tauchte auch später immer wieder auf und minderte den Spielspaß deutlich.
Stupor, Stupor, Stupor, Stupor, Stupor.........
Zwischen der Verfolgungsjagd am Anfang und der nächsten Auseinandersetzung mit Voldemorts Schergen wurde unseren Tester nur eine kurze Pause gegönnt. Sie wurden von Person zu Person geschickt um ein paar, mehr oder weniger, sinnlose Worte zu wechseln. Dieses Intermezzo orientierte sich nur peripher am Film (geschweige denn am Buch) und hätte genauso gut weggelassen werden können. Nach fünf Minuten ging dann die Schießerei wieder los.
„Das ist ja fast wie ein Ego-Shooter!“ - Nach ungefähr zwei Stunden Spielzeit kam das erste Mal der Kommentar, der das neueste „Harry Potter“-Spiel leider am besten zusammenfasst. Vielleicht hat die überschnelle Publikation pünktlich zum Filmstart ihren Beitrag dazu geleistet, dass sich der Varianten- und Einfallsreichtum innerhalb von „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ so sehr in Grenzen hält. Die Tester waren ratlos und verärgert darüber, dass man für so ein simples Spiel viel Geld bezahlen soll. Die Missionen, die man zu bestehen hat, beschränken sich auf zwei Vorgaben: Erste Missionsvariante - "Bitte erledige alle Bösewichte mit Deinem Zauberstab". Der Stupor-Zauber wurde im Laufe der Testsession gefühlte eine Milliarde Mal abgefeuert. Was daran besonders nervtötend sein kann, ist der Umstand, dass Harry jedes Mal, wenn er den Zauber wirkt, auch dessen Namen laut ausspricht. So so entschieden sich die Tester nach einer Weile, den (sonst sehr schönen) Soundtrack leiser zu drehen. Die zweite Missionsvariante ist noch simpler gestaltet - „Schleiche Dich unter Deinem Tarnvorhang möglichst unentdeckt durch die Gegend. Wenn Dich dabei jemand anrempelt, bist Du entdeckt und hast verloren.“
Missionen dieser Art finden sich normalerweise vor allem in Spielen, deren Altersfreigabe weit über der „12“ liegt. Diese Spiele punkten dann allerdings meistens mit anderen Vorzügen - außergewöhnlich guter Grafik, einer spannenden Atmosphäre oder einer fesselnden Geschichte. All diese Eigenschaften kann man „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ nicht zurechnen. Es gab unter den Testern tatsächlich eine Person, die sich bisher standhaft geweigert hatte, weder die Bücher noch die Filme noch irgendeine andere Art von „Harry-Potter“-Medium zu konsumieren. Sie kannte die Geschichte also nicht schon vorher und war als Resultat vollkommen verloren in der Geschichte des Spiels. Nichts wird erklärt, die Ereignisse und auftauchenden Personen sind einfach da und vom Spieler wird eine Menge Vorwissen verlangt, die man in einem Spiel für Kinder, wenn es denn eins wäre (s.u.) nicht erwarten darf.
Ist die erfolgreiche (und größtenteils sehr gut gemachte) Harry-Potter-Reihe im Bereich Games also zu einem billigen Shooter-Abklatsch verkommen? Es sieht leider fast so aus, denn auch weitere Parallelen zu Spielen à la „Call of Duty“ sind zu finden. So erlernten unsere Tester immer neue und mächtigere Zauber, mit denen sie um sich ballern konnten: Vom allseits bekannten Stupor entwickeln sich Harrys magische Offensiv-Fähigkeiten weiter über den Expulso hin zum krachenden Expelliarmus. Es gibt Kritiker, die diese Zauber mit Waffengattungen wie Pistole, Maschinengewehr und Raketenwerfer gleichsetzen, was bei der Entwicklung eines Shooters nahe liegt, in einem Harry-Potter-Spiel allerdings fehl am Platz ist. Banales Ausschalten von Gegnern ist die Folge, und selbst diese sind in „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ alles andere als gemein. Vollkommen orientierungslos laufen die Todesser durch die Gegend, ballern und treffen so ziemlich alles außer Harry. Im Grunde braucht man das ganze Spiel über nur den Stupor-Zauber. Man hat ja genug Zeit zum Zielen. Die Grafik präsentiert sich, wie es bei einem Spiel dieser Größenordnung nicht anders zu erwarten ist, solide. Es gibt einige schön gestaltete Level, die allerdings ohne viele Details daher kommen. Insgesamt sind die Spiele-Tester Besseres gewohnt und geben dem Spiel in dieser Kategorie deswegen auch nur drei von möglichen fünf Punkten.
Fazit:
"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1" erscheint wie ein hastig zusammengebasteltes Produkt, das mit möglichst minimalem Entwicklungsaufwand den maximalen Umsatz an der Ladentheke bringen soll. Das wenige, was der Spieler im Single- wie im Multiplayer- Modus hier tun muss (schleichen und ballern), reicht bei weitem nicht aus, um diesem Spiel die Bewertung „empfehlenswert“ zu geben. Wer seinem Kind etwas Gutes tun möchte, sollte nach Meinung unserer Tester lieber zu einem früheren Titel der "Harry Potter"-Reihe greifen. Dort gibt es Rätsel, Humor und auch ein bisschen von dem Zauber zu finden, der die Bücher erst so erfolgreich gemacht hat. "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1" ist ein einfallsloser Shooter mit Zauberstäben statt Maschinengewehren - was würde Frau Rowling wohl dazu sagen?