Medal of Honor
Spielbeschreibung:
„Medal of Honor“ ist eigentlich nicht der Name eines einzigen Spiels, sondern der einer ganzen Videospielreihe. Diese erlebte 1999 mit einem Titel gleichen Namens ihre Premiere und wurde in der Folgezeit immer wieder durch neue Teile fortgeführt. Schauplatz der Spiele war dabei stets der Zweite Weltkrieg; an verschiedenen historischen Orten kämpfte man auf Seiten der Alliierten gegen die Nazis.
Der neueste Teil der Serie macht nun einen Sprung in die Neuzeit und legt den Ort des Geschehens nach Afghanistan - und damit in einen aktuellen Konflikt. Der Spieler schlüpft in die Rolle verschiedener Soldaten, die am Hindukusch in den Krieg gegen die Taliban ziehen. Bereits vor Erscheinen des Spiels sorgte dieser Umstand für einigen Wirbel, da die Umsetzung eines aktuellen Krieges in ein Videospiel doch recht zynisch erscheint. Auch von Seiten der Bundeswehr wurde dieses Szenario scharf kritisiert. Allerdings darf man sich auch die Frage stellen, ob ein solcher Schauplatz sich in der Wirkung wirklich so sehr von fiktiven (wie in den Teilen der „Call of Duty – Modern Warfare“ – Reihe, Tests zu CoD2 / CoD 4) Szenarien unterscheidet; diese Frage muss sich der Spieler wohl selbst beantworten. Dennoch ist der Umstand, einen realen, noch nicht beendeten Konflikt als Szenario für ein Computerspiel zu nutzen, eine neue Entwicklung, die sicherlich noch zu diskutieren ist.
Pädagogische Beurteilung:
Mal laut, mal leise
„Medal of Honor“ wird komplett aus der Ego-Perspektive gespielt. Der Spieler blickt quasi durch die Augen des Protagonisten und dabei in aller Regel über den Lauf einer Waffe, denn das Spiel ist ein reiner Militär-Shooter, ein Spiel also, das den Spieler Kriegsgeschehnisse aus der Sicht eines Soldaten miterleben lässt.
Das Spiel schickt den Spieler in verschiedenen Rollen in den Kampf gegen die Taliban: Mal ist man als Mitglied von Tier-1 unterwegs, einer Spezialeinheit des US-Militärs, die sich auf verdeckte Operationen und Heimlichkeit spezialisiert hat, mal als Soldat der Army Rangers, die eher mit der Brechstange gegen den Feind vorgehen. Dementsprechend unterschiedlich spielen sich auch die Missionen. Während man sich als Tier-1 Soldat von Deckung zu Deckung schleicht, Terroristen mit Messer oder Scharfschützengewehr ausschaltet und nur selten in offene Gefechte gerät, gehört dies bei den Rangers zum Alltag. In deren Missionen sieht man sich in der Regel einer gewaltigen Übermacht ausgeliefert, durch deren Reihen man sich kämpfen muss. Dabei hilft einem die mangelhafte Intelligenz der Feinde ganz enorm: Sie suchen kaum Deckung, laufen dem Spieler ständig ins Feuer und benehmen sich auch sonst recht suizidal. Dieses Manko machen sie nur durch ihre gewaltige Zahl wett, denn der Strom an Taliban hört erst auf, wenn der Spieler einen bestimmten Punkt auf der Karte erreicht; bis zu diesem Zeitpunkt erscheinen immer wieder neue feindliche Kämpfer – ein Umstand, der zugleich unrealistisch und spielerisch ärgerlich ist.
Viel Feind, kein Ehr
Leider differenziert „Medal of Honor“ die Kriegsthematik des Konflikts am Hindukusch in keinster Weise. Alle Personen, die im Spiel auftauchen und nicht zu den eigenen Streitkräften gehören, sind ausnahmslos Feinde und dürfen mit allen Mitteln bekämpft werden. Von Zivilisten keine Spur, dabei hätte eine Darstellung der Umstände, die ein Krieg vor allem für die Zivilbevölkerung mit sich bringt, dazu beigetragen, den spielerischen Hintergrund besser auszuleuchten. Gerade in der Darstellung eines aktuellen, noch nicht abgeschlossenen Konflikts ist dieses völlige Fehlen jeglicher Differenz schwer verzeihlich.
Auch die Darstellung des Kampfgeschehens ist sehr einseitig. Die Gefechte werden hart und realistisch inszeniert, teilweise wird Feinden im Nahkampf die Kehle durchgeschnitten oder mehrmals ein Messer in den Leib gerammt. Außerdem wird eine sehr heroische und patriotische Linie verfolgt. So wird kein eigener Soldat zurückgelassen, stattdessen wird immer wieder betont, dass man hier als Team gegen das „Böse“ kämpft, und alle, die das tun, sind Helden. Die einzige Kritik, die sich das Spiel am Afghanistankonflikt erlaubt, betrifft dann auch nicht das Vorgehen der Soldaten oder die gesamte Situation, sondern nur das Verhalten der Oberkommandierenden. So kann man in einigen Zwischensequenzen miterleben, wie ein Oberbefehlshaber aus dem sicheren Hauptquartier heraus extrem gefährliche Operationen anordnet, die fast schon an Selbstmord grenzen und die der Spieler dann in der Rolle des einfachen Soldaten ausführen muss. Dies hat erst ein Ende, als der Kommandierende der Streitkräfte vor Ort sich schließlich weigert, weitere Befehle dieser Art auszuführen – auch er wird so zum Helden.
Nichts Neues am Hindukusch
Leider ist nicht nur die Geschichte des Spiels so trivial – „Medal Of Honor“ setzt auch spielerisch keinerlei neue Akzente. Alles wirkt, als wäre es so oder zumindest so ähnlich schon einmal da gewesen, und tatsächlich bedient sich der Titel auch fast schon schamlos bei anderen Militär-Shootern. Die Einsatzziele in der Kampagne – mal muss ein Ziel für einen gezielten Luftangriff markiert, mal ein Stützpunkt der Terroristen heimlich ausgehoben werden – kennt der versierte Spieler in ziemlich genau dieser Form bereits; ein Umstand, der nicht gerade für großes Interesse an der Geschichte sorgt. Und auch der Mehrspieler-Aspekt des Spiels weist kaum Neuerungen auf. Obwohl dieser Teil des Spiels vom Entwicklerstudio DICE, den Machern von Battlefield: Bad Company 2 (welches einen sehr ansprechenden Multiplayerpart enthält), entworfen wurde, gelingt es auch hier nicht, den Spieler lange zu fesseln. Zu repetitiv sind die Missionen, zu eingeschränkt der Handlungsspielraum.
„Medal of Honor“ ist dennoch de facto kein wirklich schlechtes Spiel; es ist solide gemacht und macht stellenweise auch Spaß – nur leider hebt es sich nicht genug von der Masse anderer Spiele dieses Genres ab und bietet zu wenig Neues.
Fazit:
„Medal of Honor“ ist ein typischer Militär-Shooter. Unter viel Hurra-Geschrei und patriotisch durchsetzt kämpft man in einem „gerechten“ Krieg auf Seiten des Guten gegen einen übermächtigen Feind. Das Spiel weiß jedoch zu keinem Zeitpunkt zu überzeugen. Es fehlen neue Akzente, eine glaubwürdige, spannende Geschichte und sogar fordernde Missionen sind kaum vorhanden. Es wirkt schal, stets hat man das Gefühl, das alles schon einmal irgendwo besser umgesetzt gesehen zu haben. Hinzu kommt die fragwürdige Moral des Spiels. Die einseitige Darstellung des Konflikts und überhaupt die Wahl eines aktuellen Krieges als Hintergrund sind zumindest zweifelhaft – gerade in einem solchen Szenario hätte man aber mit einer etwas differenzierteren Darstellung rechnen dürfen.
„Medal of Honor“ stellt somit nur einen weiteren Beitrag in einem ohnehin schon überlaufenen Genre dar, und in diesem Kontext wirkt es überflüssig. Spieler mit einem Faible für Ego-Shooter und Sinn für Differenzierung, denen das Material ausgegangen ist, können dennoch einen Blick riskieren, denn abgesehen davon, dass es nichts neues bietet, ist „Medal of Honor“ kein schlechtes Spiel. Nur ist es leider auch kein gutes.
Aufgrund der dargestellten Inhalte ist es zudem für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren vollkommen ungeeignet und ist von diesen unter allen Umständen fernzuhalten.