Game of Thrones - A Telltale Games Series


Spielbeschreibung:
Mit der Buchreihe „Das Lied von Eis und Feuer“ hat Autor George R.R. Martin eine der aktuell populärsten Unterhaltungsmarken der Welt geschaffen. Einen weiteren Beliebtheitsschub erfuhr das düstere Mittelalter-Fantasy-Epos durch die brillante TV-Adaption „Game of Thrones“. Dem kalifornischen Spieleentwickler Telltale Games wurde nun die Aufgabe erteilt, den Erfolg der Marke auch auf den Videospielmarkt zu übertragen. Dies geschieht in Form einer interaktiven Erzählung, die den Fokus auf narrative Elemente und moralische Entscheidungen legt. Die Veröffentlichung erfolgt in Episodenform. Nach der jüngst erschienenen Debütepisode "Game of Thrones: Iron From Ice" sollen fünf weitere Folgen jeweils im Abstand weniger Monate veröffentlicht werden.
Im interaktiven Serienauftakt schlüpfen Spieler in die Haut verschiedener Mitglieder der von Telltale Games erschaffenen Forrester-Familie. Diese muss in Zeiten des Krieges das Fortbestehen ihrer Dynastie sichern. Grundsätzlich spielt Game of Thrones in einem fiktiven Mittelalter-Setting, in dem diverse Königshäuser um die Gesamtherrschaft der verschiedenen Reiche kämpfen. Auch Fantasy-Elemente - wie zum Beispiel Drachen oder untote Kreaturen - spielen eine Rolle. Anders als beispielsweise der Fantasy-Primus „Der Herr der Ringe“ konzentriert sich die oftmals sehr gewalttätige Handlung nicht auf den klassischen Kampf des Guten gegen das Böse. Stattdessen werden häufig die Grauzonen von Figuren beleuchtet, die sich weder der einen noch der anderen Seite klar zuordnen lassen.
Pädagogische Beurteilung:
Entscheidung und Konsequenz
Wer großen Wert auf spielerische Freiheit legt, wird keine Freude an "Iron From Ice" haben. Das interaktive Eingreifen des Spielers beschränkt sich oftmals darauf, innerhalb der zahllosen Storysequenzen Entscheidungen zu treffen, die die Handlung vorantreiben. Zumeist geschieht dies in Form von Dialogen. Als neues Familienoberhaupt der Forresters muss beispielsweise ein neuer Berater gewählt, über die Bestrafung eines Diebes entschieden oder das taktische Vorgehen im Konflikt mit einer verfeindeten Familie beschlossen werden. Mit zunehmender Spieldauer spitzt sich die inhaltliche Situation immer mehr zu und die zu treffenden Entscheidungen nehmen zunehmend existenziellere Natur an. Regelmäßig wird dem Spieler dabei abverlangt, seine eigenen Moralempfindungen abzufragen. So etwa in einer Situation, in welcher darüber entschieden werden muss, ob man den Mann tötet, der eine Mitschuld am Tod der Familie des Protagonisten trägt. In solchen Szenen entsteht ein enger Bezug zu den Geschehnissen. Nicht zuletzt aus dem Grund, dass dem Spieler unter Zeitdruck das Gefühl vermittelt wird, seine Handlungen seien von immenser Bedeutungsschwere.
Von einem zweiten Durchspielen kann grundsätzlich nur abgeraten werden. Erst in diesem Fall wird deutlich, dass das Prinzip von Entscheidung und Konsequenz letztlich an vielen Stellen nicht mehr als eine Illusion ist, die nur beim ersten Durchgang funktioniert. Als oftmals viel zu gering erweisen sich letztlich die spielinternen Abweichungen, obwohl grundverschiedene Entscheidungen getroffen wurden.
Sonstige Spielmechanismen
Sieht man von erwähnten Mechanismen ab, bietet das Spiel vereinzelt sehr kurze Explorationsphasen, in denen die Spielfigur – zumeist nicht länger als zwei Minuten – durch einen Schauplatz bewegt wird, Gegenstände betrachtet oder zahlreiche Gespräche mit anderen Figuren begonnen werden können. Weiterhin wartet diese Episode zu Beginn mit einigen Action-Szenen auf, in denen es darum geht, rechtzeitig eingeblendete Tasten zu drücken, um eine vorbestimmte Aktion in einem Kampf auszuführen. Handelt der Spieler nicht rechtzeitig, wird er getötet und muss die Szene erneut in Angriff nehmen.
Emotionaler Bezug
Als eine große Stärke der Auftaktepisode erweist sich die gelungene Ausarbeitung der Figuren. Auch in der relativ kurzen Spielzeit von knapp zwei Stunden gelingt es, die Protagonisten und deren Probleme nachvollziehbar und authentisch erscheinen zu lassen. So dürften viele Spieler mit Empathie reagieren, wenn eben jene Figuren Leid erfahren. Diese emotionale Ebene intensiviert die Spielerfahrung und erschwert – im positiven Sinne - das Abwägen mancher Spielentscheidung.
Lebendig gewordenes Ölgemälde?
Der Entwickler selbst beschreibt den Grafikstil in seiner erstaunlich warmen Farbgebung als lebendig gewordenes Ölgemälde. Ohne an Referenztitel heranzureichen, kann sich die gewählte Optik – trotz gelegentlich verwaschener Texturen - in der Tat sehen lassen. Selbst wenn diese Herangehensweise das bekannte Universum wesentlich weniger dreckig erscheinen lässt, als die Vorlage. Eine besondere Erwähnung verdienen darüber hinaus die Gesichtsanimationen der bekannten Fernsehcharaktere. Selbige kommen beeindruckend nah an ihre realen Vorbilder heran.
Für Fans
Das Game-of-Thrones-Videospiel orientiert sich sehr viel stärker an der Hit-Serie, als an den Büchern. Selbst wenn eigens neue Figuren erschaffen wurden, ist die Geschichte des Spiels nicht vom TV-Pendant zu trennen. Am laufenden Band werden Ereignisse angesprochen, die sich einem Neuling der Materie nicht erschließen werden. Auch die Bedeutung von Begegnungen mit Fanlieblingen wie Tyrion Lannister oder Cersei Lannister (allesamt von den Schauspielern der Serie vertont) verpufft ohne Vorkenntnisse völlig. Konkret setzt "Iron From Ice" am Ende der dritten TV-Staffel an. Die weiteren Episoden sollen sich über die vierte Staffel erstrecken. Ohne Zweifel ist es nicht unmöglich, diesen Titel ohne eben jene Vorkenntnisse zu spielen, aber die Erfahrung wird nicht annährend dieselbe sein.
Raue Sitten
Die TV-Serie ist geradezu berüchtigt für ihre explizite Gewaltdarstellung und das hohe Maß sexueller Inhalte. Letztere werden in "Iron From Ice" komplett ausgelassen. Jedoch ist davon auszugehen, dass sie in späteren Episoden noch eine Rolle spielen könnten. Bislang alle in Deutschland erschienenen Staffeln der Fernsehvariante erhielten eine 16er-Freigabe und schlidderten wohl nur hauchdünn an einer 18er-Plakette vorbei. Was das Thema Gewalt angeht, bewegt sich das Videospiel auf einer ähnlichen Ebene. Es wird ein gehäuteter Mann gezeigt, Menschen werden im Kampf aufgespießt und einem Kind ein Dolch in den Hals gerammt. „Game of Thrones“ gehört zweifelsohne nicht in die Hände von Kindern. Die vorherigen Titel von Entwickler Telltale Games (The Walking Dead, The Wolf Among Us, Tales From the Borderlands) verdeutlichen zudem, dass das Unternehmen sich nicht an ein junges Publikum richtet.
Fazit:
Wer Spielen mit narrativem Fokus und moralischen Entscheidungen etwas abgewinnen kann, findet in der ersten Game-of-Thrones-Episode "Iron From Ice" einen empfehlenswerten Titel. Von der Brillanz und Sogwirkung der TV-Serie ist die Software-Lizenzierung aber noch zu weit entfernt, um dem Potential der Vorlage vollends gerecht zu werden. Zu wenige Situationen bleiben – trotz ihrer Dramatik – wirklich haften. Zudem sind die die Auswirkungen der getroffenen Entscheidungen einfach (noch) zu gering. Hier bleibt zweifelsohne Raum, um in den weiteren Episoden eine noch intensivere Erfahrung zu schaffen. In jedem Fall richtet sich das Spiel in allererster Linie an Fans der Marke, die mit den Figuren und dem Universum von George R.R. Martin vertraut sind. Ist dies nicht der Fall, mag man sich schnell verloren fühlen. Zudem werden gute Englischkenntnisse verlangt, da bislang keine deutsche Übersetzung vorliegt. Trotz dem bisherigen (!) Verzicht auf sexuelle Elemente geizt auch die Videospiel-Variante nicht mit Gewaltszenen - bei denen in den allermeisten Situationen allerdings nicht der Spieler das ausübende Organ darstellt. Dennoch kann selbst ein Mindestalter von sechzehn Jahren für Episode 1 nur unter der Voraussetzung empfohlen werden, dass es sich beim Spieler nicht um einen hochgradig sensiblen Menschen handelt. Wie sich die Darstellung von Gewalt und Sex in den folgenden Episoden abbildet bleibt abzuwarten.
Ergänzung:
Mittlerweile wurde auch die zweite Game-of-Thrones Episode „The Lost Lords“ von der USK geprüft. Im Gegensatz zu der hier getesteten Auftaktepisode erhielt diese eine USK 18-Freigabe. Die Serie als Ganzes kann somit nicht für Jugendliche empfohlen werden. Auszug aus dem zugrundeliegenden #14 JuSchG: „Da diese Spiele nahezu ausschließlich gewalthaltige Spielkonzepte thematisieren und häufig eine düstere und bedrohliche Atmosphäre erzeugen, sind sie ausschließlich für Erwachsene […]“