Spieletesten in der Deutschen Schule Oslo

In der Deutschen Schule in Oslo fand 2015 im Rahmen einer Projektwoche eine Spieletestergruppe in Kooperation mit dem Spieleratgeber-NRW statt.

Von Janosch Kühmstedt

In der Projektwoche meiner Schule, der Deutschen Schule in Oslo (DSO), werden 4 Tage lang unterschiedliche Projekte angeboten, aus denen sich die Schüler der Klassen 5 – 13 bis zu drei Wunschprojekte auswählen können und dann einem dieser gewählten Projekte zugeteilt werden. Nach einigem Hin und Her entschied ich mich, ein Spieletester-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Spieleratgeber-NRW anzubieten. Die Intention dahinter war einerseits, dass meine Schüler oft darum bitten, Projekte oder Aktionen mit oder zu Computerspielen anzubieten und die Projektwoche eine der wenigen Möglichkeiten für ein solches Projekt ist und andererseits die Motivation der Kinder in Bezug auf Computerspiele aufzufangen und im schulischen Kontext zu nutzen.

Projektziele, Ausgangssituation und Problemstellung

Das Ziel meines Projekts war die Förderung von Medienkompetenz bei den Projektteilnehmern durch das eigenständige Verfassen einer Spielebeurteilung. Man muss sich mit Spielen auf eine ganz andere Art und Weise auseinandersetzen und sie aus verschiedenen Perspektiven betrachten, um ein möglichst vollständiges Bild von ihnen zu bekommen. Der besondere Fokus auf den pädagogischen Bewertungen unterstützt diesen Punkt zusätzlich. Die abschließende Präsentation der Spieletests sorgt zusätzlich noch dafür, dass die Eltern ebenfalls in den Prozess mit einbezogen werden.

Abgesehen von der Medienkompetenz werden natürlich auch noch andere Kompetenzen gefördert. An der Deutschen Schule in Oslo gibt es viele Kinder, die zuhause nur Norwegisch sprechen, wodurch die Sprachfertigkeiten in Deutsch teilweise auf der Strecke bleiben. Im Spieletester-Projekt arbeiteten die Teilnehmer vier Tage lang intensiv an einem Spielebericht der komplett auf Deutsch geschrieben wurde. Der komplette Text unterlag dabei ihrer eigenen Verantwortung. Das heißt, sie mussten kreativ und selbstverantwortlich eigene Formulierungen finden, was für einige der Projektteilnehmer eine Seltenheit war.

Der Plan war es also, im Laufe der Projektwoche zusammen mit den Teilnehmern eine Jugendredaktion zu bilden, die in Zusammenarbeit mit beziehungsweise nach Vorbild des Spieleratgebers-NRW eigene Spieleberichte erstellt. Beim Verfassen der Berichte wollte ich mich also eng an die Vorlagen und Kriterien für das Schreiben von Spielebeurteilungen halten. Die Artikel sollten anschließend für die Eltern und andere Schüler präsentiert und auf der Homepage des Spieleratgeber-NRW veröffentlicht werden. Der Fokus des Projekts sollte hauptsächlich auf dem Schreiben der Berichte liegen, aber ich wollte die Teilnehmer ebenfalls dazu animieren, sich gegenseitig ihre Spiele vorzustellen und gemeinsam über sie zu diskutieren. Zusätzlich wollte ich kurze Einheiten zum Aufbau von Spieleberichten und zu pädagogischen Beurteilungen von Spielen durchführen, um den Teilnehmern einen guten Einstieg in die Arbeit mit den Berichten zu gewähren.

Zielgruppe

Ich entschied mich dafür, das Projekt für die Klassen 7 – 10 anzubieten, da ich damit die Spielergruppe zwischen 12 – 15 Jahren abdecken konnte. Dies vereinfachte auch die Auswahl der Spiele einzugrenzen, da es sowohl bei der USK als auch bei PEGI die Alterskennzeichnung „ab 12 Jahren“ gibt. Außerdem konnte ich damit verhindern, dass die Spiele nur von manchen Teilnehmern gesehen werden durften, was dem Plan, dass die Teilnehmer ihre Spiele für alle anderen vorstellen sollten, eindeutig im Weg gestanden hätte.

Auswahl der Spiele

In meinem Projekt waren vier Siebt- und vier Achtklässler eingetragen, davon sechs Jungs und zwei Mädchen. Beim Vorbereitungstreffen wurde die Auswahl der Spiele geklärt. Neben der Alterskennzeichnung war es wichtig, dass es noch keine Beurteilung zu dem Spiel auf dem Spieleratgeber NRW geben sollte, damit gewährleistet war, dass unsere Berichte im Endeffekt auch genutzt werden konnten. Neben der Wahl des Spiels war es auch mein Ziel, den Schülern einen ersten Einblick zu geben, wie eine Spielebeurteilung aussieht und worauf beim Verfassen eines Berichtes geachtet werden muss. Also erhielten die Schüler den Auftrag, auf die Homepage des Spieleratgeber-NRW zu gehen, sich ein Spiel auszusuchen und sich den Spielebericht dazu genau durchzulesen. Anschließend sprachen wir kurz über die pädagogische Beurteilung in den Berichten und machten uns an die Spieleauswahl. Am Ende des Vorbereitungstreffens hatten sich alle Schüler für ein Spiel entschieden, wobei einige eher unwissend einfach ein Spiel ausgewählt hatten, was ich aber eher als positiv betrachtete. Eine Gruppe mit erfahrenen und unerfahrenen Spielern verspricht gute Diskussionen und unterschiedliche Perspektiven auf die Spiele.

Technik

Die Hardware für das Projekt bestand aus zwei Laptops der Schule, jeweils einer Xbox360 und PlayStation 3 von mir, einem Laptop von mir sowie einem Laptop und einem Nintendo 3DS der Teilnehmer. Als Bildschirme für die Konsolen wurde der Beamer im Computerraum der Schule und ein Fernseher der Schule genutzt. Für das Schreiben der Spieletagebücher, Interviews und Spieletests standen die Computer im Computerraum zur Verfügung. 

Methoden

Spieletagebuch und Blog

Um das Ziel des Projekts, die Förderung von Medienkompetenz bei den Teilnehmern, zu erreichen, erstellte ich einen Blog, auf dem die Teilnehmer jeden Tag Spieletagebücher veröffentlichen sollten. Auf der einen Seite half es den Schülern beim Schreiben der Berichte, wenn sie von Anfang an ihre Gedanken und Erlebnisse während des Spielens notieren konnten und auf der anderen Seite lernten sie dadurch die Spiele mit den Beurteilungskriterien des Spieleratgeber-NRW im Hinterkopf zu betrachten und ihre Spielerlebnisse in die gegebenen Kategorien zu sortieren. Der Blog sollte während der Woche als Übersicht für die Teilnehmer dienen und anschließend als Plattform für die Präsentation des Projekts und der Spieleberichte dienen. Dadurch lernten die Teilnehmer ihre Computerspiele zu dekonstruieren und sie in ihre Einzelteile zu zerlegen. Hierbei sollte der Fokus vor allem auf die pädagogische Beurteilung gerichtet werden, da diese in gewöhnlichen Spieletests ja normalerweise nicht zu finden ist. Das heißt, die Tagebucheinträge sollten mit Hilfe der vorab vereinbarten Beurteilungskriterien geschrieben werden. Zusätzlich dazu stellte ich als Hilfestellung noch eine kurze Erklärung für das Schreiben der Tagebucheinträge auf den Blog.

Interviews

Eine weitere Methode, die während des Projekts eingesetzt werden sollte waren Spiel-Interviews. Hierbei sollten sich die Teilnehmer gegenseitig zu ihren Spielen befragen. Die Idee dahinter war, dass die Teilnehmer das eigene Spiel einmal mündlich beschreiben sollen – und zwar einer Person, die so gut wie nichts über das Spiel weiß. Gleichzeitig erfährt der Interviewer, welche Informationen essentiell sind, wenn man beschreiben will, was ein Spiel ausmacht. Die Fragen für die Interviews sollten sich grob an drei Leitfragen orientieren: 1. „Worum geht es in deinem Spiel?“ 2. „Was gefällt dir an deinem Spiel/Was motiviert dich es zu spielen?“ 3. „Was gefällt dir nicht/Hast du Vorschläge für Verbesserungen?“
Auch bei den Interviews geht es darum, die Teilnehmer dazu zu bringen, das Spiel und ihr Spielerlebnis von außen zu betrachten und beide Aspekte zu artikulieren. Fragen wie „Warum macht das Spiel Spaß?“ oder „Was könnte noch besser sein?“ zwingen die Teilnehmer dazu, ihre Spiele kritisch zu betrachten und fördern damit aktiv deren Medienkompetenz.

Redaktionssitzung

Die Idee hinter der Redaktionssitzung ist, dass man sich am Ende jeden Tages zusammensetzt, um über die Spiele und Spielerfahrungen zu sprechen und die Möglichkeit zu bekommen, den Tag und dessen Ablauf generell zu reflektieren. Außerdem sollte die Redaktionssitzung dazu genutzt werden, jedem Teilnehmer einmal die Möglichkeit zu geben, sein Spiel für die anderen Teilnehmer zu präsentieren und von ihnen Rückmeldung zu bekommen.

Da der zeitliche Rahmen durch die Projektwoche festgelegt war (4 Tage à 4 Stunden und 20 Minuten), war mir wichtig, dass die Teilnehmer ihre Spiele genügend testen und wenn möglich auch durchspielen konnten. Allerdings sollten die Spielphasen nicht zu lang sein, daher plante ich nie mehr als eine Stunde am Stück spielen zu lassen. Gleichzeitig war mir allerdings auch wichtig, dass die Spielebeurteilungen nicht aus den Augen verloren wurden, deshalb musste es jeden Tag zumindest kurze Einheiten zu den Beurteilungskriterien oder den Spieleberichten geben. Also entschied ich mich dafür, jeden Tag 30 Minuten Redaktionssitzung und 15 Minuten Tagebuch schreiben einzuplanen.

Projektdurchführung

Während des Projekts fiel positiv auf, wie einige Teilnehmer in Gesprächen schon laut über relevante Spielelemente für den Bericht sprachen. Vor allem nach dem Projekt, als sie versuchten ihren Freunden, die nicht am Projekt teilnahmen, zu erklären, worauf ihr Spiel hinausläuft. Das zeigte, dass die Beurteilungskriterien teilweise die Sichtweisen auf die Spiele färbten. Und darum ging es ja – Um eine erweiterte und bewusstere Perspektive auf Spiele, deren einzelne Elemente und deren verschiedene Facetten.

In der Mitte des Projekts begannen überraschenderweise schon mehrere Schüler von sich selbst aus, ihre Spieleberichte zu schreiben. Ich versuchte mich dabei zuerst einmal so weit wie möglich rauszuhalten, damit die Teilnehmer ihre Tests so schreiben konnten, wie sie es sich vorstellten. Ich half ihnen dann lediglich, das Geschriebene zu verfeinern, wobei hier mehr Zeit hilfreich gewesen wäre. Das größte Problem war das Sprachniveau einiger Schüler, da sie einfach nicht gut genug Deutsch konnten, weshalb die Überarbeitung viel Zeit in Anspruch nahm. Ich bin aber davon überzeugt, dass es richtig ist, die Kinder erst einmal selber schreiben zu lassen, da sie dann erstens wirklich ihre eigene Meinung über die Spiele aufschreiben und zweitens gezwungen sind, sich aktiv und kreativ Gedanken über ihre Spiele und deren Komponenten zu machen. Natürlich ist es wichtig, den Schülern dabei Hilfestellungen anzubieten, aber das versuchte ich durch die Spieletagebücher, die Zusammenfassung der Beurteilungskriterien, die Interviews und die 1 zu 1 Gespräche mit den Schülern zu gewährleisten.
Ob dabei dann ein Bericht entstand, der auch wirklich auf dem Spieleratgeber-NRW veröffentlicht wird, war dabei zweitrangig für mich. Es war für mich ist es viel wichtiger, wenn ich merkte, dass das Projekt dazu führte, dass die Teilnehmer neue Perspektiven auf Spiele und deren zahlreiche Facetten bekommen und diese auch aktiv anwenden konnten. Wenn ich beispielsweise zwei Teilnehmern nach dem Projekt zuhörte, wie sie einem Freund über ihre Spiele erzählten und dabei Begriffe wie Spielspaß, Geschichte und Motivation fielen, hatte ich schon einen großen Teil meines Ziels mit dem Projekt erreicht. Genauso war es, als ich mich mit einem Tester zusammensetzte und wir über Themen wie die Kommerzialisierung des 2. Weltkriegs am Beispiel eines Computerspiels sprachen und zu dem Schluss kamen, dass es einen großen Unterschied zwischen Spiel und Wirklichkeit gibt.

Während der Schreibphase gab es (neben der Sprachbarriere) keine Probleme mit der Motivation der Schüler. Auffallend war der deutliche Unterschied zwischen den Siebt- und Achtklässlern. Die Achtklässler arbeiteten selbstständiger und nur selten wurde nach etwas gefragt, während die Siebtklässler viel mehr Hilfe auf dem Weg benötigten. Aber man merkte, dass die Beurteilungskriterien ernstgenommen und auch verstanden wurden – natürlich mit unterschiedlicher Auslegung.

Fazit

Während der Reflexionsrunde waren sich alle einig, dass das Projekt Spaß gemacht hat, auch wenn sich einige Kinder noch mehr Zeit gewünscht hätten. Bei der Präsentation konnten die Berichte an den Computern im Computerraum gelesen werden. Daneben saßen die Teilnehmer und haben ihre Spiele gespielt und interessierten Eltern oder Schülern vorgestellt. Die Reaktion der Eltern kann als verhalten, interessiert, aber durchaus positiv beschrieben werden. Alle Eltern der Teilnehmer waren da und haben sich die Berichte durchgelesen. Einige von ihnen konnten gar nicht glauben, dass ihr Kind in so kurzer Zeit einen solchen Artikel auf die Beine gestellt hatte.

Folgende Beurteilungen sind in der Projektwoche entstanden:

Europa Universalis IV
Ico
Shovel Knight
SSX
The Escapists
Thief: Deadly Shadows
War Thunder

Beschreibung der Spieletestergruppe