Computerspiele im Deutschunterricht
Computerspiele und Schule - passt das? Wie lassen sich digitale Spiele beispielsweise in den Deutschunterricht übertragen? Lehrer Tobias Hübner stellt zwei Methoden exemplarisch vor.
Von Tobias Hübner
Inklusion, G8, individuelle Förderung, Flüchtlingsklassen… Es gibt wahrlich genug Herausforderungen, denen sich Schulen im Jahr 2016 stellen müssen. Selbst die Digitalisierung der Gesellschaft (und damit auch der Bildung) ist derzeit ein Thema, das höchstens zweitrangig erscheint.
Die Forderung, sich in der Schule auch noch mit Computerspielen zu beschäftigen, erscheint daher zunächst unnötig, aber sie ist dennoch angebracht, denn kaum ein Medium spielt bei (vor allem männlichen) Jugendlichen eine wichtigere Rolle in der Freizeitgestaltung. In der Shell-Jugendstudie von 2015 heißt es diesbezüglich:
„Der Zugang zum Internet ist für Jugendliche heute eine Selbstverständlichkeit. Fast alle Jugendlichen (99 %) sind inzwischen online. […] Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass vor allem die Jüngeren sich das Internet stark über die vielfältigen Unterhaltungsangebote erschließen. Dies gilt für Mädchen wie Jungen. Jüngere Mädchen nutzen allerdings im Vergleich etwas häufiger die digitalen sozialen Netzwerke, während Jungen in dieser Altersgruppe stärker an Computerspielen oder Medienkonsum (Videos, Filme, Fernsehen etc.) interessiert sind.“
(Shell Jugendstudie 2015, Zusammenfassung , S. 18 ff)
Wie aber lassen sich Computerspiele konkret in den Unterricht integrieren? Hier sind zwei Beispiele für den Deutschunterricht:
1.) Die Erzählweise in Computerspielen untersuchen
Der gymnasiale Lehrplan in NRW sieht es für das Fach Deutsch vor, dass Schülerinnen und Schüler den Umgang mit Texten und Medien lernen. Dazu sollen sie z. B. „gestaltend mit Texten arbeiten“. Statt immer nur einen Text in ein Hörspiel oder einen Film zu verwandeln, kann man auch versuchen, Literatur als Vorlage für ein Computerspiel zu verwenden.
Zur Vorlage können die Arbeitsblätter aus dem auf MEDIENISTIK.DE kostenlos erhältlichen „Themenheft Computerspiele“ dienen, die hier heruntergeladen werden können: www.medienistik.de/Auszug_Themenheft_Computerspiele.pdf
Zunächst geht es hierin um die Art und Weise, wie Bücher, Filme und Computerspiele Geschichten erzählen. Die Schülerinnen und Schüler sollen beispielsweise überlegen, welches Medium sich für welche Art von Geschichte am besten eignet.
Anschließend sollen die Schülerinnen und Schüler die erste Seite eines selbst ausgewählten Romans analysieren und überlegen, wie ein zum Roman passendes Computerspiel aussehen könnte. Dieses kann anschließend mit Hilfe der sehr leicht zu erlernen Programmiersprache „Scratch“ (www.scratch.mit.edu) auch tatsächlich (zumindest in Ansätzen) realisiert werden.
In einer solchen Unterrichtseinheit werden verschiedenste vom Lehrplan eingeforderte Kompetenzen abgedeckt:
- Die Schülerinnen und Schüler nutzen Medien zur Präsentation und ästhetischen Produktion.
- Sie lernen medienspezifische Formen des Erzählens kennen.
- Sie lernen wesentliche Fachbegriffe zur Erschließung von Literatur kennen, z. B. Erzählperspektive, Erzähler, Monolog, Dialog etc.
Zusätzlich werden fächerübergreifende Kompetenzen wie Erfahrungen im Programmieren sowie im Umgang mit dem Computer gesammelt.
2.) Was ist ein Computerspiel?
In einer weiteren Unterrichtssequenz können Schülerinnen und Schüler im Unterricht einige außergewöhnliche Spiele ausprobieren und anschließend über die Frage ins Gespräch kommen, ob es sich bei den Werken um Spiele oder vielleicht eher digitale Kunstinstallationen handelt. So lässt sich spielerisch die Kompetenz vermitteln, audiovisuelle Medien in Bezug auf Struktur, Inhalt und handelnde Personen zu analysieren.
Spiele, die sich für so eine Betrachtung anbieten, sind z. B.:
- The Graveyard (http://www.tale-of-tales.com/TheGraveyard/)
In dem kostenlos erhältlichen Spiel steuert man eine alten Dame sehr, sehr langsam über einen Friedhof. Das „Spielziel“ besteht darin, sich auf eine Bank zu setzen und über die Vergänglichkeit des Lebens nachzudenken.
- Every day the same dream (http://www.molleindustria.org/everydaythesamedream/everydaythesamedream.html)
Das ebenfalls kostenlose Online-Spiel bricht mit gängigen Spielkonventionen: Man begleitet einen Mann auf dem Weg zur Arbeit und muss Wege suchen, aus der Routine des Alltags auszubrechen.
- One Chance (http://www.kongregate.com/games/LemmiBeans/one-chance)
Auch „One Chance“ ist kostenlos. Man spielt einen Wissenschaftler, der eine bahnbrechende Entdeckung macht, die jedoch bald der Menschheit zum Verhängnis wird.
- Freedom Bridge (http://www.necessarygames.com/my-games/freedom-bridge)
Hier steuert der Spieler ein Quadrat durch eine abstrakt wirkende Landschaft. Erst am Ende des (sehr kurzen) Spiels wird deutlich, was es damit auf sich hat.
- Proteus (http://twistedtreegames.com/proteus/)
Proteus erinnert ein wenig an Minecraft. Der Spieler läuft durch eine idyllische 3D-Pixel-Landschaft und kann dabei nach und nach die Geheimnisse der Insel entdecken.
- Dear Esther (http://dear-esther.com/)
„Dear Esther“ ist eine Art Kurzgeschichte als Videospiel. Der Spieler erkundet eine wunderschöne 3D-Landschaft und eine Art Ich-Erzähler führt den Spieler nach und nach in die Story ein.
Das kostenlose Arbeitsblatt für den Unterricht können Sie hier herunterladen: www.medienistik.de/Was_ist_ein_Computerspiel.pdf
Weitere Einsatzmöglichkeiten von Computerspielen finden Sie im kostenlosen Themenheft Computerspiele von MEDIENISTIK.DE (http://www.medienistik.de/Themenheft_Computerspiele.pdf). Sehr empfehlenswert ist auch der Artikel „Learning by playing - Videospiele als Unterrichtsgegenstand“ im ct´-Magazin 10/2015 (http://www.heise.de/ct/ausgabe/2015-10-Videospiele-als-Unterrichtsgegenstand-2600853.html).