The Bunker


Spielbeschreibung:
Dies ist ein aktueller Vertreter des interaktiven Films, der in einem stillgelegten Atombunker in Essex, England gedreht wurde und komplett auf computeranimierte Elemente verzichtet. Die beiden wichtigsten Figuren werden von den Schauspielern Adam Brown (Der Hobbit) und Sarah Greene (Penny Dreadful) verkörpert. Statt spielerischer Herausforderung stehen Narration und Atmosphäre im Vordergrund. Im Gegensatz zum klassischen Film werden wir hier mit einem psychologischen Horror-Film konfrontiert, der nicht einfach nur gesehen, sondern „erlebt“ werden soll. Dabei kennzeichnet den Titel eine extrem bedrohliche Atmosphäre.
Der Spieler schlüpft in die Haut von John, der 1986 am Tag eines fiktiven Atomschlags in einem Bunker geboren wurde. Im Laufe der Jahre sind alle anderen Bewohner gestorben, zuletzt dessen geliebte Mutter Margaret. So lernen wir John im Jahre 2016 als einzigen Überlebenden kennen. Eine Flucht aus dem Bunker scheint aufgrund der Strahlungswerte nicht möglich, jeglicher Kontakt zur Außenwelt ist abgerissen. Selbst die Wohnebene hat er seit Kindheitstagen nicht verlassen, da es sich laut seiner Mutter um den einzigen Bereich handele, an dem ihr Sohn „sicher“ sei. Als eines Tages ein Alarm auf einer anderen Bunkerebene aktiviert wird, ist John gezwungen, seine Routine hinter sich zu lassen und immer tiefer indessen Herz vorzudringen. Stück für Stück kommen unterdrückte Kindheitserinnerungen ans Licht, die die grausigen Geheimnisse des Bunkers enthüllen.
Pädagogische Beurteilung:
Erforschung des Bunkers
Exploration nimmt eine wichtige Rolle im Spiel ein. Die Hauptfigur lässt sich allerdings nicht direkt durch die Umgebungen steuern. So müssen Standbilder auf Interaktionssymbole untersucht werden, die hervorgehoben werden, sobald man mit der Maus oder dem Controller über das jeweilige Symbol fährt. Im Normallfall löst das Anklicken eine Filmsequenz aus, welche die Handlung vorantreibt oder einfach nur zeigt, wie John in den nächsten Raum geht. Andere Male bietet sich die Möglichkeit, Briefe, Dokumente oder Texte auf Computern zu lesen, die Näheres über die Hintergrundgeschichte verraten. Das einzige Rätsel im herkömmlichen Sinne stellt die Suche nach einer vierstelligen Zahlenkombination dar. Da die enthaltenden Zahlen bereits vorgegeben sind, muss jedoch nur noch deren Reihenfolge durchprobiert werden.
Fast keine Entscheidungsfreiheit
Regelmäßig setzt "The Bunker" – zumeist innerhalb von Filmsequenzen - auf sogenannte Quick Time Events. In solchen Szenen muss rechtzeitig ein bestimmter Knopf gedrückt oder in kurzer Zeit so oft wie möglich betätigt werden. In mehreren Flashbacks erleben wir beispielsweise den jungen John, der Gespräche anderer Bewohner belauscht. Drückt der Spieler während solcher Szenen nicht schnell genug einen entsprechenden Knopf, wird John entdeckt und das Gespräch beendet. Daraus resultierende Konsequenz ist lediglich, dass dem Spieler etwas an optionalem Hintergrundwissen verlorengeht. Da "The Bunker" von einer strengen Linearität geprägt ist, lässt sich der vorgegebene Handlungspfad ohnehin kaum beeinflussen. Lediglich im Finale muss eine Entscheidung getroffen werden, die über den Ausgang der Geschichte entscheidet.
Damit der Handlungsfluss möglichst selten ins Stocken gerät, wurde auf Elemente verzichtet, die den Spielfortschritt behindern. Ausnahme können Quick Time Events sein, die das Gefühl von Anstrengung vermitteln sollen und etwas Kraft und Rhythmusgefühl in den Fingern erfordern – etwa, wenn John einen Schrank verschieben will oder eine Panikattacke bekämpft. So schnell wie möglich muss der Spieler hier einen Knopf immer und immer wieder betätigen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Vereinzelt wird dieses Prinzip auch mit zeitkritischen Actionszenen kombiniert. Beispielsweise greift in einer Sequenz jemand nach Johns Bein, wobei der Angreifer nur durch permanentes „Knopfhämmern“ abgeschüttelt werden kann. Gelingt dies nicht, stirbt Jon und die komplette Szene wird 1:1 wiederholt.
Der beängstigende Grundgedanke
"The Bunker" greift die realistische Sorge vor einem Atomkrieg während des Kalten Krieges auf und erweckt das Schreckensszenario höchst intensiv zum Leben. Einen immensen Beitrag leisten diesbezüglich auch das beklemmende Sound-Design und der treibende Elektro-Soundtrack. Einerseits schüren die Soundeffekte gezielt die Angst vor dem Unbekannten, das an der nächsten Ecke warten könnte. Andererseits sorgen sie für permanentes Unbehagen, in dem sie das Gefühl räumlicher Enge vermitteln. Auch in Sachen Ausstattung wurde großer Wert auf Authentizität gelegt, was sich an Apparaturen und Gegenständen zeigt, die dem Zeitgeist der 80er-Jahre entsprechen. Auf den Vorlauf des Atomschlags wird im Übrigen nicht näher Bezug genommen, ebenso wird auf die Schuldfrage verzichtet. Als wesentlich wichtiger erweist sich die Frage, wie die Charaktere mit den vollendeten Tatsachen umgehen.
Ein erwachsenes Kind
Die Entwickler arbeiten sehr viel mit Rückblenden, die Vergangenes zunehmend verdichten. Nicht zuletzt die enge Bindung zwischen John und seiner Mutter Margaret wird auf diese Weise schnell deutlich. Auch im Jahr 2016 gibt es in Johns Erinnerungen nichts, das ihm annähernd so viel bedeutet wie Margaret. Selbst nach ihrem Tod führt er die Tradition fort, an ihrem Bett zu sitzen und eine Geschichte vorzulesen. Bedingt durch seine traumatische Lebensgeschichte, handelt es sich beim Hauptcharakter um einen Dreißigjährigen, der nie erwachsen wurde. So scheint es zunächst, als sei John alleine kaum lebensfähig. Das Spiel bringt ihn jedoch in die Situation, sein Überleben in die eigene Hand nehmen zu müssen. Letztlich handelt es sich bei "The Bunker" auch um eine verspätete Coming-of-Age-Geschichte. Der „Heranwachsende“ findet Gründe, seine Mutter zu hinterfragen und muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.
Filmische Vor-und Nachteile
Vereinzelt überspitzt Schauspieler Adam Brown Johns infantile Züge. In solchen Momenten können unfreiwillig komische Situationen entstehen. Insgesamt liefert Brown allerdings eine sehr gelungene und intensive Darstellung ab, die das Leid der Figur greifbar werden lässt. Besonders hervorzuheben ist Schauspielerin Sarah Greene in der Rolle von Johns Mutter. Der Darstellerin gelingt es, Margarets verschiedene Facetten herauszuarbeiten und sowohl positive wie negative Emotionen auszulösen. Grundsätzlich erweist sich die filmische Produktion als hochprofessionell und kann sich problemlos mit vielen TV-Filmen messen.
Der Ansatz, auf computeranimierte Figuren und Umgebungen zu verzichten, limitiert die Freiheiten des Spielers. Dass sich John nicht direkt steuern lässt, sorgt zunächst für eine Distanz zwischen Spieler und Hauptfigur. Gleichzeitig profitiert die Glaubwürdigkeit des Settings enorm von seinen realen Darstellern und Kulissen. Bei den Charakteren in "The Bunker" handelt es sich nicht um abstrakte Computerwesen, so kommen ihre Ängste und Nöte vergleichsweise ungefiltert beim Spieler an. Sich vollständig in den Kopf eines Menschen zu begeben, der dreißig Jahre in einem Bunker verbracht hat, ermöglicht natürlich auch diese Herangehensweise nicht. Gleichzeitig erweist sich das Geschick der Entwickler, ein starkes Gefühl von Klaustrophobie, Hoffnungslosigkeit und zunehmender Panik zu transportieren als weiterer Vorteil. So kann zumindest ansatzweise vermittelt werden, wie grauenhaft Johns Leben im Bunker sein muss, wodurch zusätzlicher Raum für Empathie entsteht.
Psychologisches Grauen
Anstatt auf Gewaltexzesse zu setzen, ängstigt "The Bunker" weitestgehend auf psychologischer Ebene. Die Atmosphäre des Spiels, und die audiovisuellen Mittel, mit denen sie erschaffen wird, sind hierbei immens wichtig. An Schockmomenten mangelt es in jedem Fall nicht. Als Beispiel wäre hier ein Rückblick zu nennen, in dem ein mit einer Axt bewaffneter Mann im Strahlenanzug Margaret und den jungen John durch den Bunker jagt. Die Handlung ist innerhalb seiner zweieinhalb bis drei Stunden Spielzeit durch und durch auf Verstörung ausgerichtet. Da nicht einfach nur passiv ein Film betrachtet wird, gewinnen die realistisch gestalteten Horror-Elemente zusätzlich an Intensität. Somit kann "The Bunker" sensible und schreckhafte Minderjährige nachhaltig verängstigen.
Fazit:
Spielerisch hat "The Bunker" kaum etwas zu bieten. Wer dies als KO-Kriterium betrachtet, wird sicher nicht zur Zielgruppe gehören. Interaktive Elemente dienen primär dazu, den Spieler möglichst tief in die beklemmende Handlung eintauchen zu lassen; ihn eine Geschichte hautnah erleben zu lassen. Vor diesem Hintergrund erweist sich "The Bunker" durch seine hohe Qualität im audiovisuellen Bereich als enorm effektiv. Während der kurzen Spielzeit erweist sich "The Bunker" als durchgehend packende Erfahrung, die sich ausschließlich an volljährige Spieler richtet.