Wii Music

Genre
Gesellschaftsspiele
USK
ohne Altersbeschränkung (?)
Pädagogisch
ab 6 Jahre
Vertrieb
Nintendo
Erscheinungsjahr
2008.11
Systeme
Wii
System im Test
Wii
Homepage des Spiels
Kurzbewertung
Gut umgesetztes Musikspiel mit vielen Spielmöglichkeiten
Gruppenleiter
Marco Fileccia
Elsa-Brändström-Gymnasium Oberhausen
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Spielbeschreibung:
Manchmal braucht das Kind nur den richtigen Platz im Leben. So wie das Getränk, das in den 80er Jahren zwischen Limonade und Fruchtsaft eigentlich auf verlorenem Posten stand. Clevere Werbeleute verkauften es als "Oase" und siehe da – fortan verkaufte es sich prächtig. So ähnlich geht es dem jüngsten Baby der großen Nintendo-Familie, "Wii Music", das in der Gamerszene wenig Akzeptanz findet und es in der Pädagogenecke schwer haben wird: Wii Music steht dazwischen mit einem spielerischen und pädagogischen Anspruch. Dabei hat – auch Nintendo hat clevere Werbeleute – Wii Music schon die genau richtige Positionierung am Markt: "Spielend Musik entdecken" lautet die Werbebotschaft.
Mit "Wii Music" machen Sie Musik. So spielend einfach, dass Sie kaum etwas falsch machen können. Über 60 Instrumente wie Klavier, Gitarre und E-Gitarre, Saxofon, Geige, Piano, Trompete, Violine, Schlagzeug (die Musiker mögen verzeihen, dass es nicht "Drum set" heißt; übrigens auch mit dem Balance Board spielbar) oder auch Kastagnetten, Marschtrommel und, etwas ausgefallen, Katzen- und Hundesounds, Cheerleader oder Platten-DJ bietet das Spiel zum Ausprobieren oder zum gemeinsamen Musizieren. Mit insgesamt vier Spielweisen können die Instrumente bespielt werden. Damit sind verschiedene Bedienungsmöglichkeiten der Wii-Fernbedienung (="Remote") und der Erweiterung für die zweite Hand ("Nunchuk") gemeint. Für eine Violine bspw. muss die Wii-Fernbedienung (als Bogen) in typischer Streichermanier geführt werden, für ein Blasinstrument hält man sie vor den Mund und z.B. durch ein Auf- und Ab steuert man die Lautstärke und mit den Knöpfen die Ventile, für die Saiten-Instrumente simuliert der Spieler den Anschlag. Einmal verstanden und geübt, ist es kinderleicht. Für die Musiker: Auch Staccato oder Glissando sind über Knopfdruck möglich.

Im ersten Menü des Spiels kann der Spieler wählen zwischen "Musizieren", "Unterricht", "Spiele" und "Clips". Das Spielerische von "Wii Music" offenbart sich unter "Musizieren" auf der "Spielwiese". Der Spieler wählt ein Instrument und probiert es dort ohne weitere Vorgaben aus. Weitere Musiker mit anderen Instrumenten gesellen sich hinzu und spielen mit. Das Konzert klingt sehr schnell sehr gut, denn "Wii Music" setzt nicht auf musikschulische Notenkorrektheit, sondern reduziert das Musikmachen auf Takt, Lautstärke und Spezialeffekte und gewährt enorme Freiheiten - auch in der Feinmotorik. Gut für schnellen Spielspaß, schlecht für tiefergehendes Gamerfeeling, wo Üben und Trainieren an steigenden Ansprüchen zum Erfolg führen. 

In der "Jam Session" gibt es eine Auswahl von Liedern, die alleine oder mit bis zu vier (menschlichen) Spielern gleichzeitig gespielt werden können. Die jugendlichen Spieletester beklagten die etwas altbackene Liederauswahl von "Hänschen Klein", "Flohwalzer" oder "Bruder Jakob", die erst im Laufe des Spiels etwas moderner erweitert wird, mit Songs wie "La Bamba", "Daydream Believer", "Material Girl", "The Loco-Motion" oder "Wake Me Up Before You Go-Go". Sicherlich wird Nintendo die Möglichkeit für songtechnische Erweiterungen ("Add-Ons" genannt bei Computerspielen) mitgedacht haben. 

Im Modus "Unterricht" kann man logischerweise lernen die Instrumente zu spielen. Selbstverständlich über die Wii-Geräte und nicht wie ein echtes Instrument. Angeleitet wird der Spieler durch den virtuellen Lehrer Sebastian Tutori, der einer Hommage an Johann Sebastian Bach (oder zumindest an Komponisten des 18. Jahrhunderts) gleichkommt. Ob der ehemalige Weimarer Konzertmeister ähnlich anstrengend dozierte, ist nicht überliefert.

Der Modus "Spiele" nähert sich am nächsten einer Musikschule. In den Spielen "Mii Dirigent", "Glockenspiel" und "Menschliche Stimmgabel" trainiert der Spieler Hörverständnis, Rhythmus und Zusammenspiel. Im Dirigentenspiel steht die (natürlich selbstgewählte) Mii-Figur vor einem Orchester und mit der kabellosen Fernbedienung kommt echtes Taktstock-Feeling auf, denn bei schneller Bewegung spielt sich das Orchester ebenso schneller (für Musiker: von Grave über Andante hin zu schweißtreibendem Wii-Fernbedienungsschwingen für Allegro). Ein Zeichen in Richtung der Blechbläser wie Posaunen und Trompeten bringt diese musikalisch in den Vordergrund. Ungeduldige Blicke erntet der Spieler dagegen bei Untätigkeit.

Der vierte Modus des Hauptmenüs, "Clips", ermöglicht schließlich, die gespielten Lieder abzuspeichern (max. 100 können gespeichert werden) und mit einem CD-Cover zu versehen, das selbst gestaltet werden kann. Diese Clips können, wenn die Wii-Konsole online ist, sogar verschickt werden, um von anderen Spielern ergänzt zu werden. Zeitversetztes gemeinsames Online-Musizieren - so weit ist die reale Welt noch nicht.

"Wii Music" beruht auf einer Idee einer lebenden Legende der Computerspiele: Der Japaner Shigeru Miyamoto entwickelte Anfang der 80er Jahre die Figur Jumpman. Kennen Sie nicht? Sie hieß später Super Mario und trug zum Erfolg von Nintendo bei. Neben dem entwickelte er die bis heute anhaltende Spielereihe "Legends of Zelda", das damals futuristische Rennspiel "F-Zero" und "Pikmin", gab nebenbei Ideen zu "Nintendogs" und "Wii Fit". Für seine Verdienste wurde er 2007 in die Time-Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten aufgenommen. "Wii Music" übrigens ist älter als man glaubt, denn schon 2005 auf der Tokio Game Show wurde ein kleiner Teil davon vorgestellt. Damals war – nur am Rande – wohl in Planung, Wii Music als "Launch Game" gemeinsam mit der Wii vorzustellen. Das Rennen manchte schließlich "Wii Sports" und es erscheint als eine weise Entscheidung des Herstellers von Hard- und Software.

Pädagogische Beurteilung:
Anders als übliche Computerspiele motiviert das Spiel nicht durch die Geschichte, den Rahmen, die Handlung, sondern durch das eigene Tun, vor allem das gemeinsame Musizieren. Spieletester Daniel (17): "Das Spiel motiviert durch die Möglichkeit mit anderen zusammen zu spielen." Theresa (16) bringt es auf den Kern und trifft mitten ins Pädagogenherz: "Es hat Spaß gemacht etwas zu können, was man sonst nicht kann, zum Beispiel Violine spielen". Der Einstieg ist kinderleicht und die gesprochenen Erklärungen wie auch bei Wii-Sports oder Wii-Fit etwas langatmig mit einer Pseudosprache, die nach einiger Zeit fragen lässt, welcher arme Mensch dies aufsagen musste.

Musizieren wird einfach. Wunderbar einfach und für einen Pädagogen, dessen Kernaufgabe das Lernen ist und nicht Notenschemata, die Erfüllung alter Träume. Denn die Macher verzichteten auf jede Form der Leistungskontrolle, es gibt vom System weder Punkte noch einen Highscore. Die Spieler können sich selbst bewerten, was Spieler verwirrt, aber als "Selbstreflexion" wichtig ist. Das Nachdenken darüber was man gelernt hat, hilft im Sinne des "konstruktivistischen Lernens" und ist inzwischen ein gängiges schulmethodisches Instrument. Dies ist mit ein Grund dafür, dass viele Gamer "Wii Music" nicht verstehen und mit einem Spiel um Punkte verwechseln. Ihre Denkschemata bewegen sich um Wertungen, Vergleiche, Besser-Sein und Besser-Werden. Hier aber ist der Weg das Ziel. Spieler wie Daniel (17): "Da man seine Stücke selbst bewertet, fehlt mir jede Motivation ein Stück öfter anzugehen und besser zu werden".

Doch, und an diesem Anspruch wird jedes Spiel heutzutage gemessen, es kann nicht an die Realität anknüpfen. Selbstverständlich ist echtes Musizieren, das Erlernen eines Instruments eine harte Arbeit, Stunden oft qualvollen Übens, bedeutet manchmal Rückschläge und Frustration. Dies alles kann und will das Spiel nicht. Doch es kann etwas leisten, was Musikpädagogen als "musikalische Früherziehung" bezeichnen und genauso spielerisch handhaben, vielleicht etwas erfahrungsreicher und sinnlicher. "Spielend Musik entdecken", Spaß haben mit Musik, Instrumente austesten und gemeinsam mit anderen musizieren – das liegt im Trend, wie andere Spiele (so "Guitar Hero", "Rock Band" oder auch "Sing Star") beweisen. Selbst Musikerinnen wie die Spieletesterin Carla (13), die seit drei Jahren Querflöte spielt, sagt: "Man kann den Maestro spielen oder Schlagzeug spielen lernen. Interessant sind die neuen Instrumente und das Einstellen der Lieder nach Rock, Pop, Jazz oder was auch immer man mag!". Dominik denkt an die Konsequenzen: "Kinder können leichter an die Musik oder bestimmte Instrumente herangeführt werden und eventuell auch dazu motiviert werden, selbst ein Instrument zu erlernen." "Jedem Kind sein Instrument" – heißt ein Programm in Nordrhein-Westfalen, "Wii Music" könnte zwei oder drei Stufen darunter zu finden sein, aber – ganz deutlich – Musikunterricht oder Instrument-Üben wird dadurch nicht ersetzt.

An vielen NRW-Schulen wird darüber hinaus das Konzept der "Bläserklassen" umgesetzt. Schülerinnen und Schüler einer ganzen Klasse beginnen, meist im Jahrgang 5, ein Instrument zu lernen und als Orchester zusammen zu spielen. Dies hat vielfältige Auswirkungen, auch im sozialen Bereich und für das Lernen. Musizieren ist ähnlich wie Lesen an sich gut. Das gemeinsame Musizieren ist besser. "Wii Music" ermöglicht das gemeinsame Spiel mit Musik, nennen wir es mal nicht musizieren, um keine falsche Erwartungen zu wecken. Somit ermöglicht das Spiel Peer-Group- oder Familienerlebnisse über und mit Musik. Nicht zu vergessen: mit einem großen Spielspaß.

Kleine Noten, "Be-Bobbys" genannt, hüpfen während des Musizierens auf und ab und geben so den Takt an, ebenso wie die Fernbedienung, die wie ein Metronom klickt. Per Tastendruck wird zudem für jeden Spieler einzeln das Notenblatt eingeblendet. Mit diesen Hilfen kann wirklich jeder musizieren, denn anders als bei Spielen wie "Guitar Hero" werden falsche Töne wie in einer Improvisation angepasst. Die Steuerung insgesamt ist intuitiv und doch präzise, selbst wenn vier Spieler gleichzeitig agieren.

Die Atmosphäre des Spiels ist comichaft. Die Figuren, "Miis", sind aus Spielen wie Wii Sports wohlbekannt und jeder Spieler kann seine eigene Figur kreieren und mit ihr spielen. Ältere Jugendliche, wie Dominik (16) fühlten sich dem entwachsen: "Auf mich wirkt das Spiel etwas kindisch, weil alles im Spiel zeichentrick-ähnlich aussieht." Aber Dominik und seine 16-jährigen Freunde sind auch nicht die Zielgruppe von "Wii Music". Das Spiel zielt eindeutig auf jüngere Kinder und jüngere Familien. Die grafische Umsetzung ist "knuddelig", keineswegs realistisch. Das Szenario für das Musizieren kann ausgewählt werden: vom Konzertsaal bis zur Jam-Session auf einem fahrenden LKW oder in Alm-Kulisse. Der Sound eines Musikspiels ist das Herzstück und hier lohnt die Investition in ein gutes Klangsystem, denn von Hause aus bringt die Wii keine Hi-Fi-Qualität mit. In Verbindung mit einem (billigen) TV-Lautsprecher verliert die Atmosphäre ein Stück Authentizität. Auch die Auswahl der Lieder, siehe oben, verstärkt den kindlichen Charakter. Auch jüngere Kinder kennen "O Tannenbaum" und werden es mit Lust auf dem Schlagzeug spielen. Für den Spielspaß der älteren Generationen hätte man sich so manche Musikrichtung mehr gewünscht.
Die Frage nach Jungen oder Mädchen spielt bei "Wii Music" keine Rolle, beim Thema Musik geht es um persönliche Vorlieben und Geschmäcker, nicht um eine Geschlechterrolle.

Fazit:
Hinter "Wii Music" zeigt sich mal wieder die erfolgreiche Nintendo-Strategie: die Spielekonsole im Kinderzimmer aus- und im Wohnzimmer einzustöpseln. Gemeinsam musizieren ohne Notenkenntnis, mit anderen spielen ohne ein Musikstück durch Inkompetenz zu ruinieren, Dutzende Instrumente auszuprobieren mit einer Band von Freunden – darin liegt die Kraft von "Wii Music".
Dominik fasst die Beurteilung passend zusammen: "'Wii Music' ist ein in der typischen Wii-Manier gut umgesetztes Musikspiel mit vielen Spielmöglichkeiten, welches gleichermaßen für Jungen und Mädchen im Alter von etwas sechs bis 14 Jahren geeignet ist". Daniel ergänzt: "'Wii Music' macht auf Partys oder mit Freunden viel Spaß. Darin ist es auf Augenhöhe mit 'Sing Star', 'Guitar Hero' oder 'Rock Band'". Jedoch kann es im Solo-Modus nicht mit diesen Dreien mithalten". Die Spieletester jedenfalls konnten beim Spielen in der Gruppe kaum mehr davon lassen. Sie probierten die Instrumente in immer neuen Zusammensetzungen aus, mit einem Riesenspaß.
"Wii Music" ist vor allem Kindern bis zehn Jahren empfohlen, da es zum zwanglosen Musizieren und Musik entdecken einlädt. Auch jungen Familien, deren Oberhäupter zusammen mit ihren Kindern spielen wollen, wird "Wii Music" eine Freude bereiten.
Ein Schlusssatz als Lehrer sei erlaubt: Mit "Wii Music" ist es fast wie in der Mathematik: Man muss es nicht können, man muss es wollen.

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Spieletester
Elsa-Brändström-Gymnasium Oberhausen
Oberhausen
Bewertung Spielspass