The Night of the Rabbit


Spielbeschreibung:
"The Night of the Rabbit" ist ein spielbares Märchenbuch um den zwölfjährigen Jeremias Haselnuss und spielt in einer magischen Traumwelt voller Geheimnisse und Kindheitsträume.
Jeremias hat noch zwei Tage Schulferien, als er einen magischen Brief erhält. Er soll einen Trank herstellen, und mit diesem nimmt die Geschichte ihren Lauf. Es erscheint eine Zauberkiste und ein vornehm gekleidetes, weißes Kaninchen namens Marquis de Hoto. Dieser Marquis lädt ihn auf eine Reise in ein Zauberland ein. Dort kann Jeremias sich zum Zauberer ausbilden lassen, während in seiner realen Welt nur ein wenig Zeit vergehen wird - zum Abendessen ist er wieder zu Hause. Was sich leicht anhört, wird bald zu einer herausfordernden, surrealen Geschichte rund um den Mauswald, die Portalbäume und den bösen Magier Zaroff, der nicht nur die Märchenwelt bedroht. Jetzt ist Jeremias nicht nur Zauberlehrling, sondern muss auch noch eine ganze Welt retten. Zum Glück trifft er Plato, den Postfrosch, und Kitsune, die verzauberte Füchsin, die ihm dabei helfen.
Pädagogische Beurteilung:
Märchenwelten
Das Interesse an Märchen kann zu einem bestimmten Alter erlöschen oder aber einen völlig neuen Charakter bekommen. Meinen Testern musste ich erst bewusst machen, dass Märchen so etwas wie verschlüsselte Mythen sind. Denn natürlich sind sie über ihre eigene Phase der Märchen längst hinaus- das Thema ist fast schon peinlich. Aber Märchen erzählen in verschlüsselter Form von einer vergangenen Zeit.
In "The Night of the Rabbit" begeben wir uns so auf eine Reise durch unsere Kindheitstage, als Steine noch Gesichter hatten, Hagebutten als Juckpulver viel besser Verwendung fanden als in einer Teetasse und magische Kräfte eine echte Alternative zum Ende der Ferien darstellten. Und nachdem wir uns darüber unterhalten und festgestellt hatten, dass wir alle als Kinder ein wenig gesponnen haben, konnten wir uns mit sprechenden Mäusen und einem Mäusewald gut anfreunden. Überhaupt ist ein Wald immer ein magischer Ort, vor allem der verwilderte, verwinkelte und düstere Wald aus diesem Spiel. Jeder Weg scheint tiefer hineinzuführen, gibt wunderschöne Lichtungen frei und ist von maskenhaften Steinen übersät. Die Sonne scheint durch die Blätter und funkelt am Boden, kleine Bäche ziehen sich durch das Dickicht und bei Nacht wird es richtig gruselig. Jeremias schrumpft auf die Größe der Tiere oder sind die Tiere im Mäusewald so groß wie ein 12-jähriger Junge?
Er bleibt jedoch auch als Held immer das Kind, das er ist. Für seine Ausbildung zum Zauberer, die im Spiel Baumläufer genannt werden, muss er in klassischer Adventure-Manier Aufträge erfüllen und dazu verschiedene Dinge finden, diese miteinander kombinieren und Rätsel lösen. Die Rätsel sind teilweise recht knifflig, aber zum Glück gibt es eine Hilfefunktion, die Aktionspunkte anzeigt und ein Tagebuch, in dem man nochmal die Aufgabenstellung abrufen kann. Die Möglichkeiten, mit Hilfe von erlernten Zaubersprüchen mit Steinen zu sprechen, Regen zu machen oder Täuschungs- und Hoffnungszauber anzuwenden, erweitern glaubwürdig die Lösungswege der Rätsel. Im Laufe der Geschichte erfährt Jeremias immer mehr über den Mäusewald und meine Tester staunten nicht schlecht, als sich das Spiel immer mehr von einer anderen Seite zeigte. Nicht nur niedliche Mäuse und Echsen bevölkern das Spiel, sondern zunehmend auch alptraumhafte Figuren, die das Spiel von einem poetischen Start langsam in ein surreales Setting wechseln lassen.
Märchenerzähler
Man kann Märchen unterschiedlich erzählen. Die größte Herausforderung für meine Tester war der Erzählrhythmus des Spiels. So wird man von Beginn an auf einen sehr ruhigen Erzählfluss eingeschworen. Sehr viele Dialoge und keine Action-Elemente machten es meiner Testergruppe nicht leicht, am Ball zu bleiben. Das Spiel wird hierbei von einer sehr gelungenen Musikuntermalung begleitet. Harfen, Geigen, Flöten und solide Synchronstimmen bringen die großartigen Charaktere perfekt zur Geltung. „Das ist wie ein interaktives Buch und nicht wie ein Spiel“ (Tester 10 Jahre). Die Geschichte steht bei "The Night of the Rabbit" eindeutig im Vordergrund. Hier lassen sich auch schnell restriktive Zeitvorgaben für das Computerspielen vergessen. Zwar kann der Spieler im Spiel jederzeit abspeichern, die Geschichte braucht aber eindeutig viel Zeit, um ihre Schönheit zu entfalten.
Märchen können ganz schön gruselig sein
Wir alle erinnern uns an die Klassiker der Gebrüder Grimm, in denen Kinder Hexen verbrennen oder Rumpelstilzchen Müllers Tochter erpresst. So brachial geht es in "The Night of the Rabbit" nicht zu. Hier geht es eher um Traumhaftes, Unbewusstes oder Phantastisches. So ist einer der Charaktere ein Wanderer zwischen Realität und Fantasie. Dieser Waldschrat sammelt Geschichten und gibt sie Jeremias zum Sammeln weiter. In der Bonussammlung des Spiels werden diese dann dem Spieler als Hörbücher, auch über das Spiel hinaus, zur Verfügung gestellt. Sehr coole Idee! Auf die Bonus-Punkte gehen wir später noch einmal ein.
Was ist daran aber gruselig? Viele der Spielfiguren mit ihren archaischen Holzmasken und zerlumptem Äußeren erinnern an schlimme Träume aus der Kindheit. Dabei ist aber die Mischung, ganz im Sinne von „Die Schöne und das Biest“, perfekt gelungen. Selbst die gruseligste Person ist in exzellenten handgezeichneten Bildern fast schon elegant und schön. Auch unser Lehrer, der weiße Hase Marquis de Hoto, wirkt mit seinen roten Augen und seinem Mänteln nicht wie ein gewöhnlicher Knuddelhase.
Später im Spiel kann Jeremias mit Hilfe eines magischen Buches innerhalb der Szenen zwischen Tag- und Nachtansicht wechseln. Nachts sind natürlich dann auch andere Tiere unterwegs. Mottenpriester, der irre Magier Zarrof und zwielichtige Gestalten machen aus dem kinderbuchähnlichen, ersten Eindruck zum Ende hin immer mehr ein fast schon psychologisches Drama. Der Showdown zwischen Zaroff und Jeremias wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Als Alptraum oder als Märchen? Aber Märchen enden ja auch immer gut. Trotzdem haben wir mit unserer Testergruppe den zu Beginn von ihnen kritisierten, kindlichen Charakter des Spiels verlassen. „Das ist dann aber nichts mehr für kleine Kinder! Aber unglaublich cool!“ (Tester 10 Jahre).
Märchenhaft
Im Spiel ist ebenfalls noch eine Bonussammlung versteckt. Das oben beschriebene Hörbuch wird durch eine Stickersammlung, ein Quartettspiel und Videos aus dem Mäusewald ergänzt. Deadelic (Vergleiche Beurteilung zu Journey of a Roach und Deponia) ist zudem dafür bekannt, seine Spiele mit viel Liebe im Detail zu gestalten. In einer hochwertigen Verpackung finden wir den gesamten Soundtrack des Spiels, ein Poster und ein magisches Auge.
Fazit:
Etwas Dunkles umgibt dieses Spiel. Während man zu Beginn an eine Hommage an die eigene Kindheit voller Geheimnisse erinnert wird, entwickelt sich "The Night of the Rabbit" in seinem Verlauf immer mehr in ein surreales Psycho-Drama. Damit ist es für kleine Märchenfreunde nicht unbedingt empfehlenswert. Für ältere Kinder ist es ein zauberhafter Ausflug in längst vergessene Kindheitserinnerungen und ein spannender Trip in eine andere, intensive Traumwelt. Es ist sehr zu empfehlen für alle, die sich an guten Geschichten in Computerspielen erfreuen können und viel Zeit und Ruhe mitbringen für ein außergewöhnliches Spiel.
