Max Payne 3

Genre
Shooter
USK
keine Jugendfreigabe (?)
Pädagogisch
ab 18 Jahre
Vertrieb
Rockstar Games
Erscheinungsjahr
2012.05
Systeme
PC, Playstation 3, Xbox 360
System im Test
Xbox 360
Homepage des Spiels
Kurzbewertung
Filmisch inszeniertes und gewalthaltiges Action-Spiel, ohne Dauermotivation
Autor
Kadir Yilanci
Einzeltest
Screenshot 2Screenshot 3Screenshot 4

Spielbeschreibung:
Schmerz, Wut und Trauer sind die ständigen Begleiter des ehemaligen Polizisten Max Payne. Sein Name ist Titelgeber und Programm zugleich und steht für „maximum pain”. Die Drogenmafia hat ihm den maximalen Schmerz zugefügt, in dem sie im ersten Teil des wegweisenden Action-Spiels aus dem Jahre 2001 (Max Payne auf Wikipedia, Stand: 12. 06. 2012) seine Frau und Tochter töteten. Von Schuldvorwürfen und Alpträumen gepeinigt, betäubte der Polizist seinen Schmerz mit Alkohol und Schmerztabletten und schlug nach der biblischen Formel 'Auge um Auge und Zahn um Zahn' erbarmungslos zurück. Doch der eigene Schmerz blieb. 

In der Fortsetzung 2003 (Test Max Payne 2) wurde die Geschichte des desillusionierten Polizisten fortgeführt - auch diesmal ohne Happy End. Wieder müssen Menschen, die Max nahe stehen, mit ihrem Leben bezahlen. Im nun 3. Teil verschlägt es Max Payne in den Süden nach Brasilien, wo er sich als Leibwächter der Schönen und Reichen verdingt. Doch der schöne Schein trügt. Es herrscht Krieg in Sao Paulos Straßen. Die Armen der Favelas wollen auch an der Wohlstandstorte naschen und entführen die Frau seines Auftraggebers. Mit einem Kollegen übernimmt Max Payne die Übergabe des Lösegeldes in einem Fussballstadion, als plötzlich durch das Eingreifen einer mysteriösen dritten Partei die Situation verschärft wird.

Pädagogische Beurteilung:
Kein Held von der Stange
May Payne ist ein untypischer Videospielcharakter. Kein Vorzeigeheld oder Vorbild, wie der gut aussehende Sunny-Boy Nathan Drake aus der Uncharted-Reihe (Test Uncharted). Der Protagonist besitzt eher Züge eines Anti-Helden: ein desillusionierter und einsamer, inmitten einer fundamentalen Lebenskrise steckender Endvierziger, der seinen inneren Schmerz nur noch mit Alkohol und Tabletten betäuben kann. Er lebt nicht nur abseits der Gesellschaft, er verachtet diese zudem. Überdeutlich wird dies durch die zahlreichen inneren Monologe. Noch mehr aber verachtet er sein eigenes Leben, das ihn nach dem Tod seiner Liebsten ohne Lebensziel wie einen Geist umherwandern lässt. Schon bei der Figurenzeichnung ist zu erkennen, dass das Spiel nichts für Kinder und Jugendliche ist. Doch mit der Entführung der Frau seines Auftraggebers bekommt Max Payne neue Lebensenergie. Mit dem Ziel zu helfen kann er sich kurzzeitig aus seiner Lethargie befreien. Der Gewalteinsatz hat für Payne zunächst einen reinigenden Charakter, bis er merkt, dass sein Handeln viele Unschuldige in Mitleidenschaft zieht.

Programmierter Action-Film
Die ersten beiden Teile waren Vertreter des „Game Noir“-Genres. Der aus der Filmkultur stammende Begriff „Film Noir“ beschreibt düstere Krimistreifen mit vielschichtigen oder undurchsichtigen Charakteren und einem pessimistischen Grundton. Die dunkle Geschichte wird oft von der Hauptfigur selbst oder einem Allwissenden erzählt und mündet selten in einem Happy-End. Leider kann der 3. Teil den düsteren Grundton der beiden Vorgänger nicht aufrechterhalten und verliert an Stimmung und Atmosphäre. Irgendwie passt das Setting von Sao Paulo nicht zur bisherigen Serie. Trotz der Gewalt wirkt sie für Kenner ggf. anfangs zu bunt. Im Inneren dieser Stadt brodelt es, symbolisiert durch entweichende warme Luft aus Kanalisationsdeckeln. Spätestens bei einer Rückblende, die in New York spielt, dürften Fans der Reihe etwas wehleidig werden. Zudem sind viele der Charaktere anfänglich, Rockstar-typisch, überzeichnet. Was bei einer Satire wie "GTA IV" (Test von GTA IV) gut funktioniert, lässt an dem realistischen "Max Payne 3" an diesen Stellen den notwendigen Ernst vermissen. Hinzu kommt, dass Einblendungen von Spielerfolgen eher deplatziert wirken. Ob mündige Spieler wirklich sehen wollen, wie oft sie wie viele Gegner mit welcher Waffe an welchen Stellen getroffen haben, ist zu bezweifeln.

Um den filmischen Anspruch zu verdeutlichen haben die Entwickler von Rockstar Games zahlreiche Filmtechniken eingebaut. Der stilprägende Zeitlupenmodus 'Bullet-Time' wird im nächsten Abschnitt genauer betrachtet. Die Geschichte wird zum Beispiel aus dem Off vom Protagonisten erzählt. Voraus- und Rückblenden werden eingesetzt. In Zwischensequenzen wird häufig der Bildschirm geteilt. Farb- und Bildveränderungen sollen (vermutlich) die vom Alkohol verzerrte Wahrnehmung der Figur Max Payne auf Spielende übertragen. Im Prinzip sind das gute Einfälle, aber die Häufigkeit des Einsatzes wirkt überladen und stört auf Dauer den Spielfluss. Die Zwischensequenzen der Vorgänger in Comic-Form machten da einen stimmigeren Eindruck.

Für Spielertypen, die Handlungsfreiheit schätzen, kann es zudem störend sein, dass Spielende durch schlauchartige Abschnitte an der Hand geführt werden. Ein selbständiges Umherstreifen durch die schön gestalteten Areale ist leider nicht möglich. Alternative Wege gibt es praktisch gar nicht. Alles wirkt vorbestimmt - und an vielen Stellen überinszeniert. Das ist nun kein Kritikpunkt des Spieles selbst, sondern vielmehr an der gegenwärtigen Videospielkultur. Viele Action-Titel der letzten 3-4 Jahre folgen diesem Trend, Spielende von Action-Sequenz zu Action-Sequenz zu jagen. Die Freiheit wird dadurch aber eingeschränkt.

Ebenso fehlen dem Spiel alternative Handlungsmuster. Zwar lockern Scharfschützen-Level die Action etwas auf, aber streng genommen ist das Spiel nur eine Ballerorgie, die durch die akustischen Gedanken des Anti-Helden und den Zwischensequenzen unterbrochen wird. Der Spielerfolg liegt demnach nur im Ausschalten von Gegnerscharen. Das wirkt auf Dauer ermüdend. Dabei hätte eine zurückhaltende oder eine stärker detektivische Komponente mit Befragungen, Ermittlungen oder Verfolgungen für mehr Dauermotivation gesorgt.

Projektil-Zeit
Kurz nach Veröffentlichung des ersten Teils 2001 wurde der Titel von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) als ebensolches eingestuft, auf den Index gesetzt. Stein des Anstosses war damals, neben dem Motiv der Selbstjustiz, vor allem die ästhetisierten Gewaltdarstellungen mit Hilfe des Zeitlupenmodus Bullet-Time (Projektil-Zeit). Hier der entsprechende Wikipedia-Artikel zur Bullet Time, Stand 02. 06. 2012. Inzwischen ist der Beschluss übrigens aufgrund veränderten Medienwahrnehmungen wieder aufgehoben worden (Artikel auf Heise, Stand: 02. 06. 2012).

Mit der Bullet-Time können Spielende auf Druck des rechten Analogsticks in einen Zeitlupen-Modus wechseln. Die Zeit um einen herum verlangsamt sich. Man selber bewegt sich aber etwas schneller und hat dadurch einen spielerischen Vorteil. Daher ist Max Payne in der Lage einen Raum voller Schurken nacheinander anzuvisieren und auszuschalten. Die Bullet-Time kann allerdings nur mit einem gefüllten Adrenalin-Level aktiviert werden. Der wird durch den Abschuss von Gegnern oder mit der Zeit aufgeladen. Gepaart wird diese Technik mit 'Shootdodges'. Das sind Sprünge zur Seite, nach hinten oder Hechtsprünge nach vorne und ergibt übertriebene, aber hochgradig stilisierte Schiessereien. Der filmische Ursprung der Bullet-Time liegt in den prägenden Film-Klassikern "The Killers" (1988) und vor allem dem Film "Matrix" (1999).

Obwohl inzwischen, wie oben kurz erwähnt, eine veränderte Wahrnehmung von Mediengewalt bei Videospielen zu verzeichnen ist, gehört "Max Payne 3" auf keinen Fall in die Hände von Minderjährigen. Insbesondere männliche Jugendliche könnten von dieser Spielmechanik fasziniert sein. Aber die Geschichte um den Alkoholiker Max Payne und die teilweise extremen Gewaltdarstellungen erfordern die Fähigkeit, den Titel als rein fiktive Unterhaltung einzuordnen. Gute Englischkenntnisse sind zudem nötig, den Gedanken des düsteren Protagonisten zu folgen. Die deutschen Untertitel sind, während das Spiel läuft, nicht immer einfach zu verfolgen. Daneben sollten Spielende eine gute Portion Frustresistenz und Videospiel-Erfahrung mitbringen. Trotz Bullet-Time und der neuen Möglichkeit in Deckung zu gehen, ist das Spiel schon auf der mittleren Stufe sehr fordernd, die Gegner zahlreich, aggressiv und zielgenau. Die zur Heilung dienenden Schmerzmittel sind zudem rar gesät. Ohne taktisches Vorgehen werden Spielende häufiger das digitale Zeitliche segnen. Zwar kann eine automatische Zielhilfe aktiviert werden, aber das würde dem Spiel den Reiz und somit den spielerischen Anspruch nehmen.

Fazit:
Mit "Max Payne 3" bekommen erwachsene Fans von spektakulär inszenierten Actionszenen einen entsprechenden Titel. Als Einzelner einer scheinbar übermächtigen Bedrohung gegenüberzutreten und die Herausforderung erfolgreich zu meistern macht dieses Abenteuer reizvoll.   Durch viele Filmtechniken ist das Ganze wie ein Action-Film in Szene gesetzt, bei genauer Betrachtung aber auch nicht mehr als das. Darüber helfen auch nicht die gelungenen, düsteren Kommentare des Protagonisten hinweg.