Heroes over Europe
Spielbeschreibung:
Kaum eine historische Epoche wurde so häufig von Videospielen thematisiert wie der 2. Weltkrieg. Und während uns Deutschen Werte wie Pazifismus und Toleranz nach 1945 eingeimpft wurden, haben unsere angloamerikanischen Nachbarn und Freunde einen wesentlich ungezwungeneren Bezug zum millionenhaften Sterben von 1939-45. Diese kulturelle Grundhaltung schlägt sich auch in Videospieltiteln wie dem vorliegenden nieder.
"Heroes Over Europe“ steht in einer Reihe mit actionlastigen 2. Weltkriegs-Flugsimulationen wie "IL-2 Sturmovik“ oder seinem Vorgänger von 2005: "Heroes of the Pacific", die weniger auf Realismus, denn auf rasante Action und ein breites Publikum setzen, das eher auf schicke Grafik Wert legt, denn auf tiefgreifenden Realismus. Höhenmesser? Seitenruder? "Stalls“ (Abwürgen des Motors bei Senkrechtflug)? Cockpitansicht? Munitionsbegrenzung? Fehlanzeige! Dafür gibt es Horden von Flugzeugen der Luftwaffe des 3. Reichs, die man z.T. im Sekundenrhythmus vom Himmel holt, sei dies nun im Frankreichfeldzug oder während der sogenannten "Luftschlacht um England".
Der Spieler übernimmt dabei (nacheinander und je nach gewählter Kampagne) die Kontrolle über verschiedene vorgefertigte Charaktere; etwa den heißblütigen, patriotischen, jungen kanadischen Royal Air Force Piloten, dessen Vater ebenfalls bereits im Cockpit saß und seinerzeit gegen die Deutschen im 1. Weltkrieg kämpfte. Wer hier stumpfe Klichees vermutet, die auch in einem Kriegspropagandafilm der Alliierten kaum schmalziger hätten ausfallen können, liegt genau richtig; doch dazu später. Die Ausgestaltung der Spielercharaktere beschränkt sich auf einige - nicht beeinflussbare - Dialoge im Spiel, etwa mit dem Staffelführer. Der Spieler selbst hat lediglich die Kontrolle über seinen "Spitfire" oder "Hurricane" Jäger, oder steuert auch schon einmal einen alten "Swordfish" Torpedobomber, jedoch strikt aus der 3. Person-Sicht (siehe oben).
Die in strikter chronologischer Ordnung zu spielenden Missionen sind vier Kampagnen zugeordnet, die den Beginn des Krieges im Westen 1940 bis zu den letzten Lebenszeichen der deutschen Luftwaffe gegen Ende des Krieges abdecken. Dabei geht es v.a. ums Abschießen deutscher Jäger oder Bomber, die etwa Englands Städte, Häfen und Radaranlagen in Schutt und Asche legen wollen. Es gibt jedoch auch Eskort- oder (Torpedo-) Bombermissionen, oder - nicht gerade realistisch anmutende - Aufträge, in deren Zuge man Hindernisse wie bspw. Minen zerschießt, damit alliierte Konvois passieren können. Gelingt der erfolgreiche Abschluss eines Missionsziels nicht, oder wird man abgeschossen bzw. stürzt ab, beginnt man automatisch am jeweils letzten der Speicherpunkte, die über einzelne Missionsabschnitte verteilt sind. Kampagnen- und Missionsdesign sind dabei ohne Ausnahme lineal, d.h.: völliger Sieg oder Wiederholung der Mission - ein Spieledesign in der Tradition klassischer Actiontitel, das keine alternativen Lösungsansätze des Spielers zulässt.
Pädagogische Beurteilung:
Von Lars Wohlberg
Die Steuerung spielt gegen den Spieler
Der Einstieg in das luftige Actionspektakel geht recht leicht von der Hand, auch für Spieler, denen das Gamepad nicht in die Wiege gelegt wurde - man wird in einführenden Tutorial-Missionen an Steuerung und Waffeneinsatz gewöhnt. Beides ist zudem nicht sonderlich kompliziert und wird z.B. durch (recht einfach gehaltene) Minispielchen aufgehübscht: So kann man in einer Zeitlupensequenz mit einem einzelnen gezielten Schuss gegnerische Maschinen abschießen, indem Cockpit (Piloten), Treibstofftanks oder andere kritische Komponenten anvisiert werden. Obgleich die Steuerung nicht allzu schwer zu erlernen ist, reagiert sie doch häufig ungenau, was zu frustrierten Kommentaren führte: "Die Steuerung spielt gegen den Spieler!" So versucht diese die Maschine bspw. in die Waagerechte zu bringen - ohne Zutun des Spielers. Dies hat wohl kaum mit realistischem Flugverhalten einer Propellermaschine zu tun und nervt einfach unnötig.
Das Spiel an sich ist als Einzelspielerspiel angelegt. Man hat die Möglichkeit, zwischen vier Schwierigkeitsgraden zu wählen. Es gibt zudem die Möglichkeit, online mit bis zu 15 weiteren Mitstreitern anzutreten, eine Splitscreen ("geteilter Bildschirm") Option, die ein Spielen zweier Spieler an einer Konsole ermöglicht hätte, fehlt leider - schade, bei der Actionlastigkeit des Titels und im Vergleich mit ähnlichen Spielen.
Grafik und Sound während der einzelnen Flugmissionen sind i.d.R. stimmig: In einer nächtlichen Luftschlacht über London durchpflügen FLAK-Scheinwerfer den von Explosionen und Propellergetöse erfüllten Nachthimmel: dadurch kommen Spannung und Atmosphäre auf. Die einzelnen Maschinen sind mit Liebe zum Detail gestaltet, aus den Lautsprechern krachen Explosionen und ein orchestraler Soundtrack, was für eine filmisch-realistische und motivierende Atmosphäre sorgt. Andere Details und Schlampereien wiederum dämpfen das Fluggefühl: Kommt man einmal dem Boden zu nahe, fallen krasse Maßstabfehler auf. Da ist eine Tragfläche schon mal so groß wie ein kompletter britischer Bauernhof. Piloten, die sich mit dem Fallschirm retten, gleiten als graue Pixelstriche durch den virtuellen Himmel, durch die man einfach durchfliegen kann.
Schweine in Wehrmachtsuniform
Ebenfalls motivierend sollen die Sequenzen zwischen den einzelnen Missionen sein, die in schwarz-weißem Comicstil gehalten sind und von Original(propaganda)-filmmaterial aus dem 2. Weltkrieg unterstützt werden. Was an sich auf den ersten Blick stimmig und atmosphärisch passend erscheint, ist auf den zweiten pädagogischen Blick durchaus kritisch zu beleuchten. Unreflektiert und klischeehaft werden die unverwüstlichen, rebellischen alliierten Piloten dargestellt, die gegen das finstere Nazireich in die Schlacht ziehen und zu Helden werden. Von Kriegsverherrlichung zu sprechen wäre übertrieben, dennoch stieß es uns übel auf, dass deutsche Piloten als "Schweine in Wehrmachtsuniform" bezeichnet werden. Abschüsse werden vom Partner mit lapidaren Sprüchen wie "Toller Abschuss! Deine Mutter wäre stolz auf dich!" kommentiert, was in unserer Gruppe für deftige Motivationsverluste sorgte.
Fazit:
Im Großen und Ganzen zeigt das Spiel einige motivierende Ansätze und könnte z.B. für von Technik begeisterte Spieler zu einer näheren Beschäftigung mit dem historischen Zeitraum mithilfe anderer Medien führen. Der Gelegenheitsspieler kommt bei "Heroes over Europe" voll auf seine Kosten, sind die rasanten Missionen doch (kurzfristig) motivierend, während motorische Fähigkeiten (Hand-Auge-Koordination) z.B. durch die Notwendigkeit des Vorauszielens auf sich bewegende Ziele erprobt werden. Leider ist das Missionsdesign auf die Dauer zu eintönig: "Man fliegt und ballert die ganze Zeit und wirft ab und zu 'ne Bombe ab", war der wohl passendste Kommentar aus unserer Runde zu diesem Dilemma.
Die von der USK vergebene Altersfreigabe ab 16 kann unterstützt werden, da man nicht explizit auf Menschen schießt, sondern auf Kampfflugzeuge. Der damit einhergehende Tod von Menschen wird allerdings nicht weiter thematisiert, sondern im Gegenteil bagatellisiert (vgl. oben). Und so reiht sich "Heroes over Europe" in die Reihe der leicht romantisierten Kriegsspiele ein, die bereits in Hülle und Fülle in den Regalen stehen.