FIFA 09
Spielbeschreibung:
Spielertunnel. Nur noch wenige Schritte für unseren Spieler bis auf den legendären Rasen des Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadions. 70.000 euphorische Fußballfans, die nur darauf warten ihn und seine Mannschaft mit einem gellenden Pfeifkonzert zu empfangen. Neben ihm: ein grimmig dreinschauender Genaro Gattuso, dessen Blick verrät, dass er am liebsten sofort damit anfangen würde jeden einzelnen Knochen des Nebenmannes mit seinen gefürchteten Grätschen zu malträtieren. Die Gefühlslage des Spielers schwankt zwischen dumpfer Angst und einer kindlich, naiven Vorfreude auf das bevorstehende Derby. Dann ist es soweit. Die Hymne des AC Mailand ertönt und der vierte Offizielle gibt den Mannschaften das Zeichen zum Einlauf. Ein kalter Schauer läuft den ganzen Rücken herunter, während man den Vorhof zur Hölle durchschreitet.
Man würde wahrscheinlich sein letztes Hemd dafür geben, um einmal in seinem Leben diese Situation selbst erleben zu dürfen. Dummerweise fehlt es entweder an Talent, oder an der nötigen Ausdauer, um es bis in den Olymp des internationalen Fußballs zu schaffen.
Aber kein Problem, es kann an dieser Stelle Abhilfe verschafft werden: mit „FIFA 09“! Seit nun schon 14 Jahren versorgt EA Sports alle fußballverrückten Wohnzimmerkicker mit neuen Versionen der ebenso bekannten wie äußerst beliebten FIFA-Serie. Seit einigen Jahren überzeugt die Reihe mit bombastischer Grafik, einer hohen atmosphärischen Dichte und nicht zuletzt mit der exklusiven FIFpro-Lizenz, welche 15.000 Spieler in 31 verschiedenen Ligen inklusive der deutschen Bundesliga umfasst und damit unter den virtuellen Fußballspielen seines gleichen sucht. Für eine hohe atmosphärische Dichte stehen 30 Originalstadien zur Verfügung. Allerdings fehlte es dem Spiel bis dato an der nötigen spielerischer Tiefe um den digitalen Fußballthron für sich in Anspruch zu nehmen. Um dieses Manko auszugleichen warb EA im Vorfeld mehrere Programmierer des Softwareherstellers Konami ab, welcher mit der Pro-Evolution-Soccer-Reihe in den letzten Jahren die Maßstäbe im Sportspielgenre gesetzt hatte und erweitert die taktischen Einstellungsmöglichkeiten auf 140 Offensiv- und 40 Defensivstrategien. Des weiteren trumpft „FIFA 2009“ mit der Weiterentwicklung des schon in der Vorgängerversion enthaltenen „Be-a-Pro“-Modus auf, in welchem der Spieler einen einzelnen selbst erstellten Fußballer jetzt auch über mehrere aufeinanderfolgende Saisons zu Ruhm und Ehre verhelfen soll. Der Managermodus verlagert den Fokus des Geschehens vom Spielfeld in die Führungsriege eines Fußballvereins. Neben dem Erreichen der abgesteckten Saisonziele muss sich hier um Transferaktivitäten, Trainingsplanung und wirtschaftliche Aspekte eines Fußballvereins gekümmert werden. Ansonsten stehen dem Spieler diverse aus den Vorgängern schon bekannte Modi von einem einfachen Freundschaftsspiel für bis zu 8 Spieler bis hin zu einer ganzen Saison mit dem Lieblingsverein in einer der internationalen Topligen zur Verfügung. Wem das noch nicht reicht, der kann sich Online mit den besten Spielern der Welt beim „FIFA Interactive World Cup“ messen oder wie auf dem richtigen Fußballplatz 10 gegen 10 spielen. Das Spielziel ist frei nach Jupp Derwall: „Das Runde muss ins Eckige.“ Und das am besten noch auf möglichst spektakuläre Weise.
Pädagogische Beurteilung:
Nach dem erstmaligen Einlegen des Spiels wird der Spieler vor die Wahl gestellt, ob man das Geschehen mit der klassischen, aus den vorherigen FIFA-Versionen bekannten Steuerung in Angriff nehmen will, oder die neue alternative Steuerungsvariante bevorzugt. Letztere ist weitestgehend identisch mit der Knopfbelegung des Konkurrenzprodukts Pro-Evolution-Soccer. Ein kluger Schachzug von EA, da so Spielern, die in der Vergangenheit eher mit dem virtuellen Kick von Konami sympatisiert haben eine lange Eingewöhnungsphase erspart bleibt. In der Spieletestergruppe war dieser Effekt ebenfalls zu beobachten. Die Jugendlichen aus dem Pro-Evolution-Lager, die der FIFA-Reihe bisher höchstens einen verstohlenen Blick durch die Regale einschlägiger Elektronikfachhändler gewürdigt hatten, fanden sich auf Anhieb bestens im Spielgeschehen zurecht.
Das Spielgefühl von „FIFA 2009“ präsentiert sich im Vergleich zu den Vorgängerversionen um einiges realistischer. Wie angekündigt hat EA in diesem Jahr sein Hauptaugenmerk auf die Verbesserung der Spielmechanik gelegt. Auch wenn sich das Spiel zeitweise noch etwas träge spielt, sind vor allem Verbesserungen in der Ballphysi kzu erkennen. Die Zeiten in denen der Ball wie ein Magnet an den Füßen der Fußballer klebte und das Spielschema Flanke-Fallrückzieher-Tor regelmäßig zu Ergebnissen in zweistelliger Höhe führte scheinen endgültig der Vergangenheit anzugehören. Auch wenn die Flugkurve des Spielgeräts bei manchen Distanzschüssen im letzten Drittel unerklärlicherweise steil noch oben zeigt, fühlt sich die Kugel jetzt viel realistischer an. Mittlerweile nimmt pomadiges Mittelfeldgeschiebe á la deutsche Nationalmannschaft Ende der neunziger Jahre ein Großteil der Spielzeit ein. Um Tore zu schießen muss der Spieler kreativ aus dem umfangreichen Fundus von Doppelpässen, Tricks und taktischen Möglichkeiten schöpfen. Auch die individuellen Unterschiede der Akteure wurden stärker herausgehoben als noch in der letztjährigen Version. Stämmige Verteidiger können ihre körperlichen Vorteile besser ausnutzen und sich bei Kopfbällen vor dem Gegner postieren oder die gegnerischen Stürmer in Laufduellen erfolgreicher abdrängen. Ein Spieler (12) beschrieb die Wandlung der FIFA-Reihe sehr treffend: „Es ist viel schwerer geworden ein Tor zu erzielen. Das Spiel fühlt sich allerdings auch realistischer an als früher. Und wenn man einmal den Ball so richtig reingedroschen hat, freut man sich umso mehr.“
Tatsächlich benötigt man um bei FIFA 2009 zum Torerfolg zu kommen gerade auf den höheren Schwierigkeitsstufen viel Übung und Geduld. Das liegt unter anderem auch an den sehr stark eingeschätzten Verteidigern. So wird man sich des öfteren mit Weltklassestürmern vom Schlage eines Lionel Messi an ausgemachten Grobmotorikern wie Arne Fiedrich die Zähne ausbeißen. Beim Testen waren Spiele mit maximal zwei erzielten Toren die Regel und sorgten so vor allem bei Fußballnovizen für zahlreiche Frustrationsmomente. Hier hätte das Spiel ein wenig ausgeglichener, auf die Anfänger zugehend, gestaltet werden können.
Grafisch präsentiert sich FIFA 2009 erwartungsgemäß wieder auf einem extrem hohen Niveau. Von der Umsetzung des Spielgeschehen bis hin zur Darstellung der 30 im Spiel enthaltenen Originalstadien setzt Electronic Arts einmal mehr Maßstäbe unter den Fußballspielen. Die animierten Spieler sorgten sowohl durch die Gesichtszüge als auch durch die flüssigen Spielbewegungen für hohen Wiedererkennungswert in der Spieletestergruppe. Als besonderes Bonbon soll die sogenannte Arena die Ladezeiten verkürzen. Dieses Gimmick ermöglicht es dem dem Spieler in einer Eins-gegen-Eins-Situation mit dem Torhüter verschiedene Tricks und Torschüsse zu trainieren. Die Tricks und Finten müssen allesamt aus der Beschreibung übernommen werden. Ein Tutorial oder einen Trainingsmodus hierfür wäre wünschenswert, ist im Spiel allerdings nicht inbegriffen. Leider klappt die Umsetzung der Tricks im Spiel nur bedingt, da die Steuerung zum einen „ein bisschen schwammig und ungenau“ (Spieler 12) ist und zum anderen die angesprochene starke Defensivleistung der gegnerischen Akteure sich erschwerend auf befreites Offensivspektakel auswirkt.
Der Sound passt sich nahtlos an die hervorragende grafische Präsentation an. Jeder Pass wird durch ein angenehmes, dumpfes „Plop“ vertont und sich freilaufende Mitspieler verleihen verbal ihrem Verlangen nach einem Zuspiel Ausdruck. Als besonders positiv empfanden die Jugendlichen der Spieletestergruppe die Stadionatmosphäre. Spielt man beispielsweise mit dem 1. FC Köln vor heimischer Kulisse, skandieren die Fans nach einem Gegentor ein aufmunterndes „Come On, FC“ um die Mannschaft nach vorne zu peitschen. Ein Tester (11) fühlte sich dabei, „als wär man live dabei. So machen die Zuschauer auch in echt, wenn man im Stadion ist. Super!“.
Die Jugendlichen scheinen gerade bei Fußballspielen einen hohen Wert auf den Realitätsbezug zu legen. Auf Nachfrage, welche für sie die wichtigsten Faktoren für den Kauf eines Fußballspiels sei, war neben einem realistischen Spielgefühl die Originallizenz vor allem der achtzehn Bundesligavereine unter den meistgenannten Gründen. Hier kann FIFA 2009 dank der umfangreichen FIFpro Lizenz, welche im Gegensatz zu Konamis „Pro Evolution Soccer“ die Bundesligalizenz inklusive aller Originalspieler und die wichtigsten europäischen Ligen (Premier League, Primera Division, Serie A etc.) enthält, natürlich punkten. Ein Spieler (12) berichtete von seinem Bedürfnis „nach der Sportschau noch einmal die Bundesligaspiele nach zu spielen. Natürlich mit den richtigen Ergebnissen für meine Lieblingsvereine.“ Gerade für die Fans kleinerer Vereine, welche es wahrscheinlich nie schaffen werden die deutsche Meisterschaft zu erringen, dürfte es sehr reizvoll erscheinen einmal den großen FC Bayern München aus dem Stadion zu schießen, um sich für die jüngste Niederlage, wenn auch nur virtuell, zu revanchieren.
Ein weiterer Aspekt, welcher den Realitätsbezug steigert und in der Spieletestergruppe großen Anklang fand, ist die „Adidas Live Season“. Hierbei kann über Internet die aktuelle Form jedes einzelnen Spielers wöchentlich aktualisiert werden, was bedeutet, dass sich, sollte Kevin Kuranyi einmal mehr den Ball dreimal in einem Spiel aus aussichtsreicher Position auf die Tribüne ballern seine Stärken im Computerspiel zu seinen Ungunsten verändern. EA bietet diesen Service für eine der bekanntesten Ligen umsonst an. Für jede weitere muss bezahlt werden.
Nicht zuletzt dieser Aspekt führt dazu, dass FIFA 2009 bestrebt ist, dem Spieler einen höchst möglichen Grad an Realismus zu bieten.
Fazit:
Dank dem umfangreichen FIFpro Lizenzpaket, der hervorragenden Grafik und Soundkulisse plus der vielen Spielmodi ist „FIFA 2009“ zweifelsohne der absolute Edelkick unter den Fußballspielen. Die spielerischen Defizite, welche den Vorgängerversionen den Weg zu höheren Wertungsregionen verbauten, sind größtenteils behoben. Dieser Umstand sorgt dafür, dass das Spiel nicht nur ansprechend aussieht, sondern sich mittlerweile auch noch sehr realistisch spielt. Die große Vielfalt der Spielmodi garantiert Käufern von „FIFA 2009“ mehr als nur ein kurzweiliges Spielvergnügen ist und eröffnet dem Titel das Potential über mehrere Monate an den Bildschirm zu fesseln.
Die einzigen spielspaßhemmenden Faktoren sind in dem immer noch zu trägen Spielaufbau, der teilweise schwammigen Steuerung sowie dem unausgewogenen Verhältnis zwischen Defensive und Offensive zu finden.
Wenn Faszination für das Thema Fußball und Erfahrung im Umgang mit Viedeospielen vorhanden sind, kann das Spiel bedenkenlos für Kinder ab 6 Jahren empfohlen werden.