Wii Fit
Spielbeschreibung:
Entweder Nintendo hat eine Menge Weltverbesserer und Gutmenschen in seinem Team oder einen ganzen Stab an wirklich cleveren Marketing-Managern. Mit "Wii-Fit" hat die japanische Firma aus Kyoto wieder mal einen Verkaufsschlager gelandet und genau in die Videospiellücke gestoßen, die Grand Theft Auto IV, World of Warcraft oder auch die Sims hinterlassen: Familienspaß mit Mehrwert. In Japan wurde "Wii Fit" und das dazugehörige "Balance Board" seit dem 1. Dezember 2007 bereits 1,8 Millionen Mal verkauft. In Deutschland ist es seit dem 24. April 2008 im Handel und man kann es als eine Fortsetzung von "Wii Sports" mit einem Schuss aus "Dr. Kawashimas Gehirnjogging" verstehen.
Das Spielprinzip ist simpel wie genial: Die Wii-Steuerung wird ergänzt um ein High-Tech-Brett, das die Verlagerung des Gewichts durch die Füße messen kann (ein "druckempfindliches Sensorbrett", nebenbei ist es noch eine ganz normale Waage), "Balance Board" genannt und im Lieferumfang von "Wii Fit" für knapp 90 Euro enthalten (die Japaner zahlen übrigens umgerechnet ein Drittel weniger dafür). Mit diesem Brett und den standardmäßigen Controllern wird die Bewegung der Füße, die Bewegung der Arme und indirekt auch des restlichen Körpers gemessen. Wie bei der Wii üblich kabellos. Das Board ist mit vier Batterien bestückt.
Die Software spiegelt die eigenen Bewegungen durch eine selbstgewählte Figur (deinen "Mii") und zeigt auf dem Bildschirm sportliche Übungen oder Herausforderungen, die mit dem ganzen Körper nachzumachen sind. So muss man sich für Kopfbälle nach rechts und links schwingen, den Hula-Hopp-Reifen in Bewegung halten oder als Skifahrer durch die Tore sausen. Oder als Jogger auf der "Inselrunde" seine Fitness erhöhen, im Yoga den "Baum" machen oder gute alte Liegestütze und so weiter, alles in allem in über 40 Übungen.
Doch – siehe "Weltverbesserer" – so einfach ist es dann doch wieder nicht, denn all diese Übungen gibt es nicht einfach so. Zu Beginn muss man sich als Spielerin / Spieler anmelden, seine Figur, den "Mii" auswählen und eine Prozedur erledigen, die jedem Fitness-Studio Ehre machen würde. Nach dem Balancetest, der Eingabe des Alters, der Größe und nach dem Messen des Gewichts erhält man seinen BMI (Body-Mass-Index, eine international anerkannte Maßzahl zur Bewertung des Körpergewichts). Wer es genau wissen will, es wird nach der Formel: Kilo geteilt durch Höhe zum Quadrat, ausgerechnet. Die Maßzahlen variieren nach Alter und Geschlecht. Wen es ein wenig tröstet: Diese Zahl ist nicht unumstritten, da sie nur die Statur berücksichtigt, aber nicht das Verhältnis von Fettgewebe und Muskelmasse (im Klartext: Ironman-Triathleten haben einen höheren BMI ;-)) und! – das kennt man von Dr. Kawashimas Gehirnjogging – sein "Wii-Fit-Alter" in Abhängigkeit des tatsächlichen Alters. Wohl dem, der jünger ist als sein biologisches Alter. Zartbesaitete – junge Mädchen? – tun gut daran, diese Prozedur alleine zu durchlaufen und sich nicht bloßzustellen und sich mit einem hohen BMI womöglich dem Spott auszusetzen.
Erst danach geht das Spiel richtig los und man kann in den Bereichen "Balancespiele", "Aerobic", "Yoga" und "Muskelübungen" trainieren, erhält Zeitgutschriften und in Abhängigkeit davon neue Übungen.
Nicht genug der Gutmenschen, denn man muss sich selbst im 2-Wochen-Rhythmus Ziele setzen, bei Bedarf den BMI zu reduzieren und im "Schweinchen Fit" (einem Sparschwein) Zeit sammeln. Das Programm liefert dauernd Hinweise und Rückmeldungen durch eine (Zitat Carina (11)) "süße" Animation des Balance Boards, das auch immer von "sich" spricht, so zum Beispiel: "Jetzt kannst du auf mich steigen".
Pädagogische Beurteilung:
Wii Fit ist ein Familienspiel. Bis zu acht Personen können (nacheinander) damit spielen und ihre Erfolge dokumentieren. Je nach BMI werden die Figuren übrigens etwas dicker oder dünner dargestellt. Es soll das Fitness-Studio nach Hause bringen und wenn "Dr. Kawashimas Gehirnjogging" etwas für unsere geistige Fitness tat, so ist dies bei "Wii Fit" unsere körperliche. Vielleicht gibt es irgendwann eine Verschmelzung der beiden im Sinne von "Gesunder Geist in gesundem Körper".
Die Spielerinnen und Spieler hatten einen großen Spielspaß (Carina: "Das ist cool!") und nach kurzer Zeit sind die Übungen leicht zu bedienen, wenn auch nicht immer leicht zu schaffen. Viele Übungen haben verschiedene Schwierigkeitsgrade, danach erhält man eine Rückmeldung über seinen Erfolg, der wiederum in eine Bestenliste eingetragen wird. Dadurch fördert das Spiel den "Challenge-", Wettkampfgedanken und innerhalb einer Familie den sportlichen Ansporn.
Die Werbung für "Wii Fit" lautet: "Trainiere ... im eigenen Wohnzimmer!" und genau das soll es sein. Sicherlich macht es Spaß im heimischen Wohnzimmer, Sport zu treiben und sicherlich wird die Fitness erhöht für jemanden, der ansonsten keinen Sport treibt. Aber es bleibt doch für Kinder und Jugendliche zu fragen, ob sie nicht in einem Sportverein mit Gleichaltrigen besser aufgehoben wären, vielleicht sogar draußen an der frischen Luft ... . Aber ... Wii Fit ... ist ein Familienspiel und dabei macht es – im doppelten Wortsinn - eine gute Figur. Und endlich (wie schon bei Wii Sports oder Eye Toys für die Playstation und anderen Bewegungsspielen) versöhnt die Videospieleindustrie den klischeehaften dicken Jungen am Computer mit der Forderung der Eltern nach mehr Bewegung, mehr noch, sie bezieht sie mit ein!
Die grafische Umsetzung ist liebevoll gestaltet, einfach "knuddelig", auch wenn die Trainerin und der Trainer – ganz anders als die vielen anderen Figuren - sehr realistisch und etwas farblos dargestellt werden und einem Model-Wettbewerb entstammen könnten. Dafür kann man sie sogar "drehen", um sie mit dem Rücken zu sehen ... der Vorteil? Die Spielerin / der Spieler muss die vorgemachten Übungen nicht spiegelverkehrt übersetzen. Die Szenen beim Fußball, beim Skifahren oder Aerobic sind in Kinder-Comic-Stil gehalten, vielleicht wie Playmobil in groß ...
Die Übungen sind in vier Bereiche ("Disziplinen") unterteilt: Der "Aerobic", um die Ausdauer zu verbessern (hierunter fällt auch das "Jogging"). Die "Muskelübungen" setzen – der Name sagt es – auf Stärkung der Arm- und Beinmuskulatur. Das "Yoga-Training" dient mit den Figuren und Dehnübungen zur Verbesserung der Haltung und auch zur Entspannung. Unter "Balancespiele" kann der Gleichgewichtssinn trainiert werden. Für die Spieletester waren die eher langsamen, ruhigen, meditativen Yoga-Übungen wie den "Halbmond" weniger interessant als die actionreichen Übungen wie Jogging oder Skispringen. Auch die Muskelübungen sind für Nicht-Sportlerinnen und –Sportler ein wenig mit Vorsicht zu genießen, nicht umsonst erscheint der Hinweis, die Muskeln vorher aufzuwärmen.
Die Mentalität der totalen Kontrolle erschrickt seltsamerweise die Jugendlichen überhaupt nicht (immerhin kann man seine Daten per Passwort schützen, kein Jugendlicher machte davon Gebrauch, dabei darf man nicht vergessen, dass die Wii eventuell mit dem Internet verbunden ist – gibt es noch keine Bonusprogramme der Krankenkasse, die diese Daten abfragen?). Jede Übung wird präzise kontrolliert und aufgezeichnet, so dass man sie sich hinterher nochmals anschauen kann. Mit einem Punkt auf einer Art Zielscheibe kann man während der Übung kontrollieren, wo idealerweise das Gewicht verlagert wäre und entsprechend darauf reagieren. Hier überträgt die Wii das reale Leben, realen Sport in ein Computerspiel und setzt es konsequenterweise mit den Stärken des Mediums fort. Vor meinem geistigen Auge erscheinen schon weitere Spiele, die das "Balance Board" nutzen, so freut sich Helena (13) darauf, wenn es "Tony Hawks Skateboard-Spiel" für das Wii-Brett geben sollte.
In der Kontrolle liegt aber auch eine Stärke der Software und ein Grund für die Beliebtheit. Jeder wird individuell betreut. Jeder Spieler hat seinen eigenen Punktestand, seine eigene Fitness, seine eigenen Trainingshinweise und seinen eigenen Trainingscomputer. Soviel Aufmerksamkeit schmeichelt und macht Spaß.
Das Programm spricht (wie oben Zitat "süß") mit dem Spieler, so zu Beginn mit "Ich messe, ich messe, ich messe", ansonsten sind viele Übungen mit kurzen Texteinblendungen, kurz und knapp und im üblichen Stil, bekannt aus "Gehirnjogging" mit einem Augenzwinkern erläutert. Die Ansprache ist nett und sowohl jugendliche wie erwachsene Spieler fanden sie angemessen. Dazu gibt es Geräusche, so beim Jogging, bei dem das Laufen über Schotter zu hören ist. Und ... für lange Strecken kann man sogar auf den Fernsehkanal des Fernsehers umschalten und die Fernbedienungen, der Wii-Controller, macht trotzdem die Geräusche und das Programm läuft und misst im Hintergrund weiter.
Wii Fit kann kein professionelles Trainingsprogramm im Verein oder bei Physiotherapeuten ersetzen und es ist ein wenig unredlich, glauben zu machen, Menschen könnten dadurch "normalen" Sport ersetzen, aber ... – ich bleibe dabei – es ist ein tolles Familien-Videospiel mit Mehrwert. Warten wir darauf, dass Sportlehrer es entdecken oder die Politik als Mittel im Kampf gegen übergewichtige Kinder.
Fazit:
Der relativ hohe Anschaffungspreis von ca. 80 Euro wird durch den Spielspaß und die damit verbundene Langzeitmotivation relativiert. Zahlreiche Sportspiele für den Wii-Fit-Controller sind angekündigt und somit werden auch in Zukunft neue Spielideen für dieses neuartige Eingabegerät erscheinen (z.B. Wintersportspiele)
Kinder ab 6 Jahren sollten keine Probleme haben unter Anleitung von Erwachsenen die Funktionen von Wii-Fit zu nutzen. Ein großer Familienspaß, der jedoch keinen echten Sport ersetzen kann und sollte.