Sniper Elite
Spielbescheibung:
Die Spielhandlung beschreibt das Ende des zweiten Weltkriegs in Berlin. Amerikanische und sowjetische Geheimdienste bestreiten dort einen Wettlauf um die deutschen Forschungsergebnisse zur Entwicklung einer Atombombe. Da sich beide Seiten hiervon große strategische Vorteile versprechen, werden alle möglichen Mittel und Wege genutzt, um Pläne, Gerätschaften, Forscher und ihre Kompetenzen in den eigenen Einflussbereich zu bekommen.
Im Gegensatz zu reinen Shooter-Spielen, in denen schnelle und effektvoll inszenierte Schieß-, Lauf- und Sprengaktionen den Spielinhalt bestimmen, sind in diesem Taktik-Shooter die Vorbereitung, taktische Planung und möglichst präzise Ausführung des Handlungsauftrages die dominierenden Spielforderungen. Für dieses Genre ist immer ein kriegerisches, zumeist realitätsnahes Kriegsszenario charakteristisch, in dem die Spielfigur allein oder in einer kleinen Gruppe zielgerichtet kriegerische Aufträge erfüllt, um ein Gesamtziel im Sinne der Spielstory zu erfüllen. Während in vielen Taktik-Shootern kleine Kampfeinheiten mit mehreren Spezialisten (z. B. Kommandant, Sprengstoffexperte, Scharfschütze, Nahkämpfer etc.) zum Einsatz kommen, konzentriert sich in „Sniper Elite“ alles auf die speziellen Fähigkeiten eines Scharfschützen (engl.: Sniper).
Als amerikanischer Scharfschütze Peter Mauer steuert der Spieler die Spielfigur durch verschiedene Missionen des amerikanischen Geheimdienstes „OSS“. Dabei gilt es den Vormarsch sowjetischer Truppen in ein spezielles Gebiet aufzuhalten, strategische Ziele zu beschützen oder zu zerstören oder deutsche Wissenschaftler zu befreien. Die Steuerung der Spielfigur erfolgt aus der Perspektive der dritten Person. Diese Perspektive trägt dazu bei, dem Spieler das Gefühl zu vermitteln, möglichst nah in Spielgeschichte und Spielgeschehen eingebunden zu sein. Man kann mit seinem virtuellen Stellvertreter aufrecht oder geduckt laufen und über den Boden kriechen. Wenn man das Fernglas oder das Scharfschützengewehr aktiviert, schaltet die Perspektive in den Ego-Modus und simuliert dem Spieler, selbst durch das Fernglas oder das Zielfernrohr des Gewehres zu schauen.
Die Bewaffnung besteht zunächst aus einem Gewehr mit Zielfernrohr und einer schallgedämpften Pistole. In späteren Missionen kommen Maschinenpistolen, Gewehre, Panzerfäuste, Granaten, Dynamit und Zeitbomben hinzu. Die Munition zu den einzelnen Waffen ist stets begrenzt. Ihre Beschaffung gehört zur taktischen Planung des Einsatzes. Als Unterstützung gibt es hin und wieder die Möglichkeit Heilmittel aufzunehmen und damit den angeschlagenen Gesundheitszustand der Spielfigur aufzufrischen. Wie bereits erwähnt, führt ein planloses Umherlaufen und –schießen zum unweigerlichen Scheitern der vorgegebenen Missionen. Vielmehr muss der Spieler die Durchführung der jeweiligen Missionen akribisch planen: Einprägung des Geländes, Erkundung der Zahl und Bewaffnung der Gegner sowie das Auskundschaften der Deckungsoptionen. Strategische und vorausschauende Planung und eine akribisch ausgerichtete Durchführung sind notwendig, um die Missionen erfolgreich lösen zu können. Und nicht immer ist die gewaltvolle Vorgehensweise die sinnvollste, da sie meistens auch die Gefahr birgt, dabei entdeckt zu werden. Dennoch kommt es bei Durchführung der Missionen vielfach zu spezifischen Spielsituationen, in denen man den Scharfschützen spielentscheidend einsetzt und aus sicherer Position und großer Entfernung heraus Gegner mit vergrößertem Zielfernrohr anvisiert und virtuell tötet. Um dabei noch möglichst dichte Realitätsnähe zu simulieren, kann man vor jedem Schuss per Knopfdruck den Schützen ausatmen lassen, um so ein atmungsbedingtes Schwanken des Gewehres zu verhindern.
Der Spieler erhält in jeder Mission Primär- und Sekundärziele, die er erreichen muss. Diese werden zusammen mit einer stilisierten Umgebungskarte auf dem Bildschirm eingeblendet, um die Orientierung im Spielverlauf zu erleichtern. Das Szenario zeigt in Ruinen liegende Straßenzüge Berlins. Die Spielfiguren sind deutlich als Menschen zu erkennen und tragen zum Teil realistische Gesichtszüge. Die Treffervisualisierung beim Beschuss gegnerischer Figuren geschieht durch virtuelle Blutspritzer, die kurzzeitig zu sehen sind. Bei Beschuss durch Granaten sieht man auch zerberstende Körper durch die Luft fliegen. Getroffene Gegner bleiben liegen und können, um nicht entdeckt zu werden, weggezogen werden.
Die Hintergrundmusik ist langsam und düster gehalten. Der Spielsound wird vielfach dominiert von Kriegsgeräuschen, Schüssen, Schreien und Motorengeräuschen.
Pädagogische Beurteilung:
"Sniper Elite" simuliert Kampfeinsätze eines amerikanischen Scharfschützen zum Ende des zweiten Weltkriegs. Die jeweiligen Missionen können mit einem Mitspieler gemeinsam oder im Netzwerkmodus gegen andere Scharfschützen „in einer Art Räuber und Gendarm“ (Spieler, 19 Jahre) angegangen werden. In den Computerspiele-Gruppen zeigte sich, dass der Reiz dieses Spiels jedoch weniger in der Mehrspieleroption liegt. Vielmehr wurde es bevorzugt von Einzelspielern genutzt, denen es gefiel, definierte Missionen mit einem hohen Maß an strategischen und taktischen Anforderungen zu erfüllen und denen die kriegsthematische Einbindung des Spieles einen zusätzlichen Reiz bot. Schaut man sich dieses Genre an, stellt man fest, dass der Taktik-Shooter schwerpunktmäßig in Kriegsgeschichten und -szenarien eingebettet ist. Andere Verknüpfungen, in denen der Spielreiz des taktisch geplanten Vorgehens mit dem Spielelement des Schiessens und Treffens ebenfalls kombiniert wird, sind bei den jungen Spielern wenig attraktiv, ihnen auch nicht bekannt und auf dem Spielemarkt zumeist nicht zu finden. So wird ein Spieletrend geschaffen, der besonders männliche Jugendliche, die solche Spielforderungen bevorzugen, in ihrer Erwartungshaltung einseitig, vielleicht auch gewollt, bedient. Kriegsspiele waren und sind immer wieder faszinierende Spielangebote besonders für Jungen. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich und werden von der Wissenschaft in zahlreichen Untersuchungen ausführlich thematisiert. Mit den Computerspielen hat diese Faszination bei Jugendlichen einen neuen Stellenwert erhalten. Die Spiele verschaffen mit ihrer immer höheren Realitätsnähe bei der Darstellung von Kriegsszenarien den Spielern das Gefühl, einem medial alltäglich erscheinenden Zeitgeschehen hautnah beiwohnen und in die Geschehnisse mannhaft eingreifen zu können. Cool zu planen, die Pläne des Gegners zu sabotieren, die beste Taktik und Vorgehensweise zu finden und für eine „gerechte“ Sache auch virtuell zu töten, fordert heraus, schafft Spannung und steigert das Selbstbewusstsein. Vielleicht bieten solche Spielangebote Spielern auch die Möglichkeit, eine medial mit Kriegs- und Schreckensnachrichten erlebte Alltagswelt besser verarbeiten zu können.
Trotz aller Erklärungen gilt es festzuhalten, dass das Spiel von der USK keine Jugendfreigabe erhalten hat, womit zum Ausdruck kommt, dass die gezeigten Gewalthandlungen und -inhalte Kindern und Jugendlichen nicht zugemutet werden dürfen, da sie entwicklungsbedingt nicht die nötigen Voraussetzungen erfüllen, um eine angemessene Distanz zum virtuellen Geschehen zu bilden. Selbst bei den volljährigen Testern bestand Irritation auf Grund geschichtlicher Unkenntnis, wo die realen Bezüge des spielgeschichtlichen Konstruktes aufhören und wo die Fiktion beginnt. Trotz aller strategischen, taktischen und gewaltumgehenden Spieloptionen ist die Gewaltanwendung gegen menschlich und menschenähnlich gestaltete Spielfiguren ein dominierendes und abzulehnendes Spielprinzip in "Sniper Elite". Menschenähnlich gestaltete Figuren werden durch gezielten Kopfschuss oder mit anderen Waffen virtuell getötet, wodurch ein Spielziel erreicht wird, also eine positive Belohnung stattfindet. Spielgeschichtlich wird dies legitimiert, indem der Spieler dasselbe Interesse wie die Gegenseite verfolgt, nämlich eine politisch und strategisch günstigere Position im Kampf der Weltmächte zu erlangen. Auch wenn die Wahl der Waffen geplant werden muss und das virtuelle Töten nicht wahllos oder unbedacht geschieht, gehört dennoch die kritische Diskussion, ob eine solche zielgerichtete Planung und selektive, chirurgisch durchgeführte Beseitigung von Spielgegnern in ihrer Wirkung nicht sehr viel eindrücklicher sein kann, da sie sehr viel mehr Gehirnaktivitäten erfordert, als ein dumpfes Dauerfeuer auf alles, was sich bewegt, in jede Familie, in der diese und ähnliche Spiele gespielt werden. Entscheidend dabei ist die Kommunikation über oft sehr unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Tester beschrieben die Gewalthandlungen beispielsweise als nicht so relevant, würden aber eine noch größere Realitätsnähe sehr begrüßen.
Wie beurteilen Jugendliche solche Spiele? Welche Bedeutung hat für sie die Gewalt im Spiel und wie erleben sie sie? Was sind die faszinierenden Faktoren des Spiels? Welche Ängste und Assoziationen verbinden Eltern damit, wenn ihre Kinder diese Spiele spielen.? Wie denken die Kinder über solche Spiele? Warum wählen sie ausgerechnet dieses Spiel? Was bedeutet für sie Krieg? Die kontinuierliche Kommunikation darüber ist zwischen Eltern, Erwachsenen und Spielern unerlässlich. Nicht Vorwurf und Verteidigung sollten solche Gespräche prägen, sondern gegenseitiges Verständnis für unterschiedliche Sichtweisen. Das Spiel zunächst einmal, trotz aller Vorbehalte, als Spiel zu betrachten, ist vielfach hilfreich. Darüber hinaus ist mitspielen meistens eine Herausforderung für Erwachsene mit interessanten Erkenntnissen für alle Beteiligten. Die Besprechung dieses Spieltitels soll also Mut machen, den anstrengenden Weg zu gehen, sich Zeit zu nehmen, in Kommunikation zu treten und gemeinsam eine für alle nachvollziehbare Lösung mit eindeutigen Regeln im Sinne eines erzieherischen Jugendmedienschutzes zu finden.
Links zum Thema:
• War is Virtual Hell (Bruce Stelling)
• Social Realism in Gaming (Alexander R. Galloway)
• America’s Army – Artikel über das berühmte Rekrutierungsspiel
• Effects of violent video games on aggressive behaviour von Anderson / Bushman (PDF)
• Brutale Spiele(r)? – Dissertation zur Wirkung von Gewalt in Spielen
• Violent Video Games: Myths, Facts, and Unanswered Questions
• Macht, Herrschaft und Kontrolle im Computerspiel von Jürgen Fritz