Sherlock Holmes - Das Geheimnis des silbernen Ohrrings

Beschreibung des Spiels:
Sherlock Holmes und dessen enger Freund Dr. Watson sind bei den Feierlichkeiten zugegen, welche der Großindustrielle Sir Melvyn Bromsky anlässlich der Rückkehr seiner Tochter nach London ausrichten lässt. Der Besuch der berühmten Detektive ist jedoch keineswegs rein privater Natur. Sie erhielten aus höheren politischen Kreisen den Auftrag, sich ein Bild von der Sängerin Gallia zu machen, da diese zum Geburtstag eines ranghohen Politikers eingeladen werden soll. Diese wurde zu den Feierlichkeiten im Hause Bromsky engagiert. Auf diese Weise verbinden die Musikfreunde Holmes und Dr. Watson das Nützliche mit dem Dienstlichen.
Auf der Willkommensfeier geschieht das Ungeheuerliche. Sir Bromsky wird ermordet, als er gerade damit beginnt seine Rede vorzutragen. Welch ein Glück, dass der Meisterdetektiv persönlich bereits vor Ort ist und so höchstpersönlich Zeuge dieses Verbrechens wird. Holmes und Watson beginnen umgehend mit der Ermittlungsarbeit. Schnell ergeben sich erste Anhaltspunkte, die wiederum zu ersten Verdächtigungen führen. Die Ermittlungsarbeiten zu einem Mordfall mit sehr verzwickten Hintergründen haben begonnen und der Spieler steckt bereits mitten drin. Abwechselnd übernimmt er die Rollen der beiden Ermittler und sammelt über diese Avatare alle auffindbaren Informationen. Ausgerüstet mit Lupe, Maßband und Reagenzglas, müssen Tatorte genauestens betrachtet werden, Spuren aller Art vermessen und Proben verdächtiger Substanzen gesammelt werden. Letztere lassen sich in Holmes Labor, das sich natürlich in seiner Wohnung in der Bakerstreet im London des 19ten Jahrhunderts befindet, genaustes untersuchen. Hierzu stehen ein Mikroskop und ein halber Chemiebaukasten zur Verfügung. Das passende Grundwissen über die zu untersuchenden Substanzen steht praktischer Weise auch direkt in Form von Lexikonartikeln, zu finden in den Büchern in Holmes Bücherregal, zur Verfügung. So ausgestattet steht dem Spieler nichts mehr im Wege, dieses abscheuliche Verbrechen aufzuklären und die Verbrecher der Justiz zu übergeben.
Pädagogische Beurteilung:
Der Einstieg in das Spiel wird dem Spieler weder über ein gesondertes Tutorial noch über helfende Erläuterungen (Tooltips) erleichtert. In der Ausgabe der Software-Pyramide ist nicht einmal eine gedruckte Anleitung vorhanden. Diese findet sich jedoch in Dateiform auf der Spiel-CD und kann bei Bedarf eigenhändig ausgedruckt werden. Dieser Abstrich ist für Neuauflagen älterer Spiele zugunsten eines geringeren Preises üblich. Den erfahrenen Spieltestern zwischen acht und sechzehn Jahren viel das fehlen einer gedruckten Anleitung gar nicht erst auf. Ihnen bereiteten weder die Installation noch die Bedienung des Spiels Probleme. Die Belegung der wenigen, für die Steuerung benötigten, Tasten hatten sie schnell herausgefunden - auch ohne Anleitung. Wer mit Adventure-Spielen vertraut ist, wird sich schnell zurechtfinden.
Der Spieler betrachtet das Geschehen von unveränderlichen Kameraperspektiven. Seine Avatare, Holmes und Dr. Watson, beobachtet er dabei aus der so genannten "Third-Person-Perspektive". Er sieht sie also in der dargestellten Umgebung umherlaufen. Bewegt werden die Figuren, indem man den Zielpunkt der Bewegung mit der Maus angeklickt. Diese, für Adventure-Spiele durchaus übliche, Steuerung hat speziell für die Detektiv-Spiele den großen Nachteil, dass der Spieler nicht alle Gegenstände in gewünschter Weise betrachten kann. So ist es dem Spieler beispielsweise nicht möglich, das Opfer des Verbrechens vollständig oder Detailliert zu untersuchen. Dieses liegt halb vom Rednerpult verdeckt auf der Bühne. Von einem weiteren häufigen Problem dieser Darstellungsart ist dieses Spiel ebenfalls betroffen. Die Wegfindung ist bei "Sherlock Holmes – Das Geheimnis des silbernen Rings" schlecht gelöst. Stellt sich beispielsweise Holms ein Hindernis in den Weg, kommt es häufig vor, dass sich die Figur nur kurz zu bewegen beginnt, dann ab regungslos stehen bleibt. In diesen Fällen muss entweder der Zielort geändert oder Holmes bzw. Dr. Watson müssen um das Hindernis herum geführt werden. Ebenfalls schlecht umgesetzt wurde die Anklickbarkeit von Objekten. So kam es vor, dass Spieletester auf einen bedeutungslosen Gegenstand klickten, das Spiel jedoch einen von diesem Gegenstand weit entfernen anderen Gegenstand auswählt. Umgekehrt kam es aber auch vor, dass Spieler wichtige kleine Gegenstände entdeckt hatten, die so klein waren, dass sie sich kaum anklicken ließen. Die Folge: Das erste Anklicken blieb folgenlos, somit wurden die Gegenstände fälschlicher Weise als bedeutungslos eingestuft.
Schade ist ebenfalls, dass nur an wirklich bedeutungsvollen Gegenständen Aktionen durchgeführt werden können. Da derartige Gegenstände durch einen Wechsel des Maussymbols angezeigt werden, entwickelten viele der Spieletester die Technik, den Bildschirm mit der Maus auf wichtige Inhalte abzuscannen. Der förderliche Aspekt des genauen Beobachtens wird auf dieses Weise unterlaufen. Besser wäre es gewesen, wenn sich entweder das Maussymbol nicht ändern würde, oder wenn auch viele für die Geschichte unbedeutende Gegenstände über sensitive Felder verfügen würden.
Schön ist hingegen die Funktion des Notizbuches. Hier werden Befragungen von Zeugen und Verdächtigen wörtlich festgehalten. Ebenfalls automatisch eingetragen werden die Inhalte relevanter gefundener Schriftstücke und Notizen. Zudem ist eine Karte von London verfügbar, über die zwischen den verschiedenen Schauplätzen des Falles hin und her gewechselt werden kann.
Ebenfalls sehr gut umgesetzt wurde die Idee, nach einem absolvierten Sinnabschnitt des Abenteuers das Verständnis des Geschehens zu überprüfen. Realisiert wird dies in "Sherlock Holmes – Das Geheimnis des silbernen Ohrrings" über ein Quiz. In diesem werden Aussagen über Tatbestände und Beziehungen von Personen untereinander zusammengefasst wiederholt. Der Spieler muss den auf diese Weise gestellten Informationen entweder zustimmen oder sie verneinen. Seine Entscheidung muss dabei mit gespeicherten Hinweisen und Dialogen aus dem Notizbuch untermauert werden. Im Quiz werden also die Schlussfolgerungen Holmes auf Grundlage der gegeben Informationen simuliert.
Spätestens hier viel auf, dass vor allem viele der jüngeren Spieletester mit dem komplexen Kriminalfall hoffnungslos überfordert waren. Sie hatten zwar die einzelnen Teilaufgaben gelöst und alle nötigen Gegenstände gefunden. Da sie diese jedoch nicht gezielt, sondern nur durch "Abscannen" des Bildschirminhaltes erlangt hatten, scheiterten Sie spätestens beim Quiz. Die jüngeren Spieletester hatten die Zusammenhänge meistens nicht erfasst. Da das Quiz jedoch als Mehrfachwahl-Aufgabe konzipiert ist, besteht auch hier die Möglichkeit, sich durch ausprobieren aller in Frage kommenden Antwortkombinationen durch das Quiz hindurchzuarbeiten. Entsprechend stuften sie das Spiel auch häufiger als ältere Spieler als langweilig ein.
Eine weitere Ursache der Überforderung jüngerer Spieletester liegt wohl auch darin, dass sich kein Schwierigkeitsgrad einstellen lässt. Dabei hätte es viele geeignet Möglichkeiten hierzu gegeben. Beispielsweise hätte das Spiel in geringen Schwierigkeitsgraden nach jeder neuen Informationen resultierende Schlussfolgerungen als Sprachausgabe eines grübelnden Holmes ausgeben können. Aus diesen könnten dann indirekte Handlungsanweisungen für den nächsten Schritt folgen. Für sehr schwierige Schwierigkeitsgrade hätten unwichtige Informationen und Gegenstände zwischen die relevanten gestreut werden können, so dass es dem Spieler obliegt, diese Unterscheidung zu treffen. Unterforderung war jedoch nie das Problem. Von den wenigen Spieletestern, die sich bis zum Ende gekommen sind, hatte nicht einer auf den richtigen Täter gewettet. Mit zunehmendem Alter der Spieler konnte das Spiel länger faszinieren. Vor allem ältere Mädchen, die einen höheren Schulabschluss anstreben, waren von dem Spielprinzip fasziniert.
Die Grafik des Spiels wurde von allen Spieletestern durchgehen als gut bis sehr gut eingestuft. Vor allem die detaillierten Abbildungen unter der Lupe und die realistisch aussehenden Einrichtungsgegenstände trugen hierzu bei. Die Animation der Personen ist hingegen klar die Schwäche der Spielgrafik. Die Figuren wirken sehr steif und die Mundbewegungen passen nicht im Geringsten zur Sprachausgabe. Spärlich fällt auch der Sound aus. Die pausenlos dudelnde Hintergrundmusik wurde schnell von den meisten Spieletestern abgeschaltet. Die übrigen Soundeffekte konnten zusätzlich keinen vom Hocker reißen. Sie gingen so unter, dass einige Spieletester sich auch direkt nach dem Spiel nicht an diese erinnern konnten und zunächst keine Bewertung abgeben konnten. Entsprechend vielen die Urteile über den Sound auch eher schlecht aus.
Fazit:
Insgesamt handelt es sich bei "Sherlock Holmes – Das Geheimnis des Silbernen Ohrrings" um ein komplexes Kriminalabenteuer für Tüftler mit viel Geduld, dessen Gesamtzusammenhänge Spielern unter zwölf Jahren wohl eher verschlossen bleiben dürften.