Indizierungsgründe der Bundesprüfstelle

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ist eine selbstständige Bundesoberbehörde mit eigenem Haushalt. Sie ist dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) nachgeordnet.

 

Indizierungsgründe nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle:

  1. Unsittlichkeit

  2. Verrohende und zu Gewalt anreizende Wirkung durch Gewaltdarstellungen

  3. Anreizen zum Rassenhass, Verherrlichung der NS-Ideologie

  4. Diskriminierung von Menschen

  5. Verherrlichung / Verharmlosung von Drogenkonsum

  6. Schwere Jugendgefährdung

  7. Antrags- und Anregungsberechtigte


1. Unsittlichkeit

Unter unsittliche Medien fallen zunächst solche mit sexuell-erotischem Inhalt, wobei der Inhalt nicht den Straftatbestand der Pornographie (§ 184 StGB) erfüllt. Medien mit pornographischem Inhalt gelten nach dem Jugendschutzgesetz als schwer jugendgefährdend, mit der Folge, dass sie auch ohne Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Medien den Indizierungsfolgen unterliegen.
Ein Medium ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unsittlich, wenn es nach Inhalt und Ausdruck objektiv geeignet ist, in sexueller Hinsicht das Scham- und Sittlichkeitsgefühl gröblich zu verletzen (BVerwGE 25, 318 (320). Das Tatbestandsmerkmal "unsittlich" kann daher schon dann erfüllt sein, wenn Menschen nackt dargestellt werden und weitere Umstände hinzutreten (Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, 60. Kapitel Rn. 8; Scholz, Jugendschutz, 3. Aufl. 1999, S. 50, mit zahlreichen Beispielen für besondere Umstände; Steffen, Jugendmedienschutz aus Sicht des Sachverständigen, in: Jugendschutz und Medien, Schriftenreihe, Universität Köln, Band 43, S. 44f.).
Die Literatur zählt in Übereinstimmung mit der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle zu den hinzutretenden weiteren Umständen z.B. Darstellungen, die Promiskuität, Gruppensex oder Prostitution verherrlichen, die Frauen und auch Männer als jederzeit verfügbare Lust- und Sexualobjekte erscheinen lassen, oder aus anderen Gründen als entwürdigend erscheinen (Ukrow, Jugendschutzrecht, 2004, Rn. 276).
Nach ständiger Spruchpraxis der Bundesprüfstelle ist die Möglichkeit einer sittlichen Gefährdung weiterhin dann anzunehmen, wenn zu befürchten ist, dass durch den Konsum des Mediums das sittliche Verhalten des Kindes oder Jugendlichen im Denken, Fühlen, Reden oder Handeln von den im Grundgesetz und im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG / SGB VIII) formulierten Normen der Erziehung wesentlich abweicht. Wissenschaftliche Literatur fasst diese Ansicht allgemein so zusammen:
"Das Erziehungsziel ist in unserer pluralistischen Gesellschaft vor allem dem Grundgesetz, insbesondere der Menschenwürde und den Grundrechten, aber auch den mit dem Grundgesetz übereinstimmenden pädagogischen Erkenntnissen und Wertmaßstäben, über die in der Gesellschaft Konsens besteht, zu entnehmen" (Scholz, Jugendschutz, 3.Aufl. 1999, S. 48).
"Eines der Erziehungsziele ist die Integration der Sexualität in die Gesamtpersönlichkeit des Menschen. Kinder und Jugendliche brauchen Hilfestellung und Orientierung, um ihre sexuelle Identität zu finden, um Sexualität als bereichernd und lustvoll zu erleben, um bindungsfähig zu werden, um überkommene Rollenvorstellungen zu überwinden, um urteilsfähig zu werden und verantwortungsbewusst zu handeln" (Vgl. Antonius Janzing: Sexualpädagogik, in: Handbuch des Kinder- und Jugendschutzes, Grundlagen - Kontexte - Arbeitsfelder, S. 337).
Diese Grundsätze und die Spruchpraxis der Bundesprüfstelle sind durch die Rechtsprechung bestätigt worden. So hat das OVG Münster (Urteil v. 05.12.2003, Az. 20 A 5599 / 98, S. 11 ff) dazu folgendes ausgeführt:
"Das Zwölfergremium verbindet (...) die im Katalog des § 1 Abs. 1 Satz 2 GjSM [nunmehr § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG] beispielhaft genannten "unsittlichen" Medien mit dem Verständnis der Voraussetzungen des Grundtatbestandes [§ 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG, vormals § 1 Abs. 1 Satz 1 GjSM] und geht davon aus, dass ein Gefährdungspotential insbesondere zu bejahen ist, wenn Kinder oder Jugendliche durch unsittliche Inhalte eines Mediums sozialethisch desorientiert werden können. Dieser Ansatz ist nicht zu beanstanden. Da Kinder und Jugendliche ihre Sexualität entwickeln müssen, dabei auf Orientierungspunkte zurückgreifen und somit durch äußere Einflüsse steuerbar sind, kann all jenen Medien eine jugendgefährdende Wirkung zuzusprechen sein, deren Inhalt gesellschaftlich anerkannten sittlichen Normen eklatant zuwiderläuft. Denn mit dem Begriff der Gefährdung verlangt [das Gesetz] keine konkrete oder gar nachweisbare Wirkung im Einzelfall; eine Gefährdung ist vielmehr schon dann zu bejahen, wenn eine nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit angenommen werden darf, dass überhaupt Kinder und/oder Jugendliche durch die dargestellten Inhalte beeinflusst werden können.(...) Das Maß der Gefährdung variiert dabei vor allem aufgrund der Kriterien, die die Unsittlichkeit begründen; als qualifizierend sind insbesondere die vom Zwölfergremium (...) genannten Merkmale anzuerkennen, wie etwa:
Verherrlichung von Promiskuität, Gruppensex oder Prostitution, Präsentation von Menschen als jederzeit verfügbare Lust- und Sexualobjekte, Gewaltanwendungen oder sonst entwürdigende Darstellungen."
Dass die Verbindung von Sexualität mit Gewalt in besonderem Maße jugendgefährdend ist, findet auch in der Wirkungsforschung Bestätigung. "Außerdem ist anzunehmen, dass die ständige Verknüpfung von sexuellen und aggressiven Darstellungen die Gefahr einer Erotisierung von Gewalt in sich birgt. Der fortgesetzte Konsum von Filmen dieses Genres könnte damit zur Entstehung eines äußerst bedenklichen Phänomens beitragen, das in jüngster Zeit experimentell bestätigt wurde: Nicht nur sexuellaggressive Darstellungen, sondern auch solche, die nicht sexuelle Gewalt zum Ausdruck bringen, wirken auf eine bestimmte Personengruppe der männlichen Normalbevölkerung erotisierend und lösen sexuelle Reaktionen aus." (Malamuth, Check & Briere, 1986, in: Henner Ertel: Erotika u. Pornographie, München 1990, S. 17f).

2. Verrohende und zu Gewalt anreizende Wirkung durch Gewaltdarstellungen

Die Indizierung eines gewalthaltigen Träger- oder Telemediums erfolgt durch die Gremien der Bundesprüfstelle, wenn eines oder mehrere der hier genannten Kriterien erfüllt sind und sich hieraus unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes, insbesondere der Zusammenhänge in der medialen Darstellung nach Überzeugung der Prüfgremien eine mögliche Jugendgefährdung herleiten lässt. Die Kriterien dienen dabei als Anhaltspunkte und Orientierung für Entscheidungsfindung.

Allgemeine Kriterien für Gewaltdarstellungen

Nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle können mediale Gewaltdarstellungen / Gewalthandlungen dann verrohend oder zur Gewalttätigkeit anreizend wirken,
wenn Gewalt- und Tötungshandlungen das mediale Geschehen insgesamt prägen. Dabei ist der Kontext zu berücksichtigen.
Gewalt- und Tötungshandlungen können für ein mediales Geschehen z.B. dann insgesamt prägend sein, wenn das Geschehen ausschließlich oder überwiegend auf dem Einsatz brutaler Gewalt bzw. auf Tötungshandlungen basiert und/oder wenn sie Gewalt in großem Stil und in epischer Breite schildern, und/oder wenn Gewalthandlungen, insbesondere Mord- und Metzelszenen, selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden.
Unter einer detaillierten Darstellung von Gewalt und Gewaltfolgen im oben genannten Sinne sind insbesondere Mediengeschehen zu verstehen, in denen Gewalt deutlich visualisiert bzw. akustisch untermalt wird (blutende Wunden, zerberstende Körper, Todesschreie, zynische Kommentierung). Unter Umständen kann auch das Herunterspielen von Gewaltfolgen eine Gewaltverharmlosung zum Ausdruck bringen und somit in Zusammenhang mit anderen Aspekten (z.B. thematische Einbettung, Realitätsbezug) jugendgefährdend sein, soweit nicht bereits die Art der Visualisierung oder die ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit Gewalt die notwendige Distanzierung erkennbar werden lässt. und/oder wenn Gewalt legitimiert oder gerechtfertigt wird.

Dies ist dann gegeben, wenn

  • der Medieninhalt Selbstjustiz als einziges probates Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe legt,
  • die Anwendung von Gewalt als im Namen des Gesetzes oder im Dienste einer angeblich guten Sache oder zur Bereicherung als gerechtfertigt und üblich dargestellt wird, sie jedoch in Wahrheit Recht und Ordnung negiert,
  • Gewalt als Mittel zum Lustgewinn oder zur Steigerung des sozialen Ansehens positiv dargestellt wird.

Zur Erfassung und Bewertung dieser Zusammenhänge kann der Blick auf folgende Aspekte des medialen Geschehens von Bedeutung sein:

Opfer der Gewalttaten

Mediale Darstellungen, in denen Gewalthandlungen gegen Menschen und menschenähnliche Wesen das Geschehen insgesamt prägen, oder in denen solche Gewalthandlungen, detailliert und selbstzweckhaft dargestellt werden, sind als jugendgefährdend einzustufen. Als menschenähnliche Wesen sind solche Wesen zu betrachten, die dem Menschen nach objektiven Maßstäben der äußeren Gestalt der Figur ähnlich sind. Gewalt im Sinne der vorgenannten Darstellung gegenüber Menschen und menschenähnlichen Wesen kann eine jugendgefährdende Wirkung entfalten, wenn die Opfer im Verletzungs- oder Tötungsfalle "menschlich" reagieren. Die Tötung reiner Phantasiefiguren oder von Tieren ist grundsätzlich anders zu bewerten als die Tötung von Menschen und menschenähnlichen Wesen. Erfolgt aber z.B. das Töten von Tieren als sinnloses, selbstzweckhaftes Gemetzel kann dies in einem gegebenen problematischen inhaltlichen Zusammenhang zu einer Verrohung beitragen.

  • Realitätsbezug von Gewaltdarstellungen

Grundsätzlich sind realistisch dargestellte Gewalthandlungen eher als jugendgefährdend einzustufen als solche, die Gewalt abstrakt darstellen. Handlungsumfelder, die jugendaffin sind oder nahe an der Lebenswirklichkeit sind, sind eher geeignet, jugendgefährdende Wirkungen zu verstärken, als solche, die in einen nicht jugendaffinen und/oder futuristischen oder fantastischen Handlungsrahmen eingebettet sind.

Genre

Bei der Prüfung einer möglichen jugendgefährdenden Wirkung von gewalthaltigen Träger- und Telemedien auf Kinder und Jugendliche ist auch die jeweilige Genrezugehörigkeit (z.B. Fantasy oder Horror) sowie die genretypische dramaturgische und bildliche Visualisierung zu berücksichtigen, legitimieren aber nicht per se die Bewertung der Gewaltdarstellungen als jugendgefährdend. Zusätzliche Kriterien für interaktive Medien / Computerspiele (im Hinblick auf Gewalthandlungen gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen). Für interaktive Medien gilt darüber hinaus als Kriterium der Jugendgefährdung,

  • wenn kaum oder keine alternativen Handlungsoptionen / Konfliktlösungsmöglichkeiten vorhanden sind
  • wenn bei interaktiven Medien die Wahl alternativer Handlungsoptionen / Konfliktlösungsmöglichkeiten zwar möglich, aber für die Erreichung des Spielzieles nachteilig oder irrelevant ist.
  • wenn das Ausüben von entsprechender Gewalt als unproblematisch oder gesellschaftlich normal erscheint, nicht mit negativen Folgen oder Sanktionen versehen ist oder im Rahmen des Spiels belohnt wird,
  • wenn Gewalt gegen Unbeteiligte Bestandteil des Spiels ist und nicht oder nur eingeschränkt sanktioniert wird.

Die Steuerung / Bedienung ist bei der Beurteilung interaktiver Medien zu berücksichtigen.

Gründe für eine Nichtindizierung

Neben der Entscheidung, was indiziert wird, stellt sich für die Gremien auch die Frage, welche Medieninhalte nicht indiziert werden. Basierend auf Entscheidungen des Zwölfergremiums, in denen eine Indizierung abgelehnt wurde, sind dies im Bereich von mit Spielen programmierten Datenträgern

  • Spiele, bei denen die Verletzung und/oder Tötung von Menschen eine unter mehreren möglichen Spielhandlungen darstellt und das Ergebnis der Kampfhandlung unblutig präsentiert wird;
  • Spiele, in denen andere Elemente als Gewalttaten gegen Menschen eine wesentliche Rolle spielen;
  • Spiele, in denen Tötungsvorgänge gegen Menschen verfremdet dargestellt werden und zwar in einer Form, die Parallelen zur Realität nicht nahe legt;
  • Spiele, in denen Tötungsvorgänge ausschließlich gegen solche Wesen dargestellt

werden, die Menschen eher nicht ähneln;

  • Spiele, in denen auch Horror- und Splatterelemente enthalten sind, in denen jedoch nicht gewalthaltige Anteile spielbestimmend sind, wobei die Horrorelemente nicht so gestaltet sein dürfen, dass auf Grund der besonderen Brutalität die anderen Spielelemente in den Hintergrund treten;

Im Bereich von mit Filmen programmierten Datenträgern

  • wenn der Inhalt der Videofilme als nicht jugendaffin angesehen wird;
  • wenn der Inhalt der Videofilme so gestaltet ist, dass der oder die typischen Sympathieträger sich nicht als Identifikationsmodell anbietet;
  • wenn Nachahmungseffekte nicht zu vermuten sind;
  • wenn Gewalttaten als übertrieben aufgesetzt, abschreckend und/oder nicht realitätsnah eingestuft werden können;
  • wenn die Anwendung von Gewalt sich innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens bewegt bzw. die Anwendung von Gewalt im Prinzip abgelehnt wird. Eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohls ist kein Indizierungsgrund.

3. Anreizen zum Rassenhass, Verherrlichung der NS-Ideologie

Der Begriff der zum Rassenhass anreizenden Medien konkretisiert das allgemeine verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Mithin ist der Begriff "Rasse" weit auszulegen. Zum Rassenhass anreizende Träger- und Telemedien sind solche, die geeignet sind, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen eine durch ihre Nationalität, Religion oder ihr Volkstum bestimmte Gruppe zu erzeugen. Dabei besteht die nahe liegende Gefahr, dass diese eingenommene Haltung erst die Voraussetzung für tätliche Übergriffe gegenüber diesen Gruppen schafft. Ein Medium reizt mithin zum Rassenhass an, das heißt stellt Rassenhass als nachahmenswert dar, wenn darin Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen ethnischen Volksgruppe, Nation, Glaubensgemeinschaft oder ähnlichem als minderwertig und verächtlich dargestellt oder diskriminiert werden.
Unter die Formulierung des § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG sind nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle und der ständigen Rechtsprechung solche Medieninhalte zu fassen, die zu einer sozialethischen Desorientierung Minderjähriger führen können. Dadurch ist dem 12er-Gremium die Möglichkeit eröffnet eine Spruchpraxis zu ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen zu entwickeln.
Nach langjähriger Spruchpraxis der Bundesprüfstelle, bestätigt durch höchstrichterliche Rechtsprechung sind demnach auch solche Medien jugendgefährdend, die den Nationalsozialismus verherrlichen oder verharmlosen. Jugendgefährdende Propagierung der NS-Ideologie liegt nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle insbesondere vor, wenn für den Nationalsozialismus, dessen Rassenlehre, autoritäres Führerprinzip, Volkserziehungsprogramm, Kriegsbereitschaft und Kriegsführung geworben wird. Ferner wenn das NS-Regime durch verfälschte oder unvollständige Informationen aufgewertet und rehabilitiert werden soll, insbesondere wenn Adolf Hitler und seine Parteigenossen als Vorbilder (oder tragische Helden) hingestellt werden.
Eine jugendgefährdende NS-Verherrlichung liegt auch dann vor, wenn Medien das Bekenntnis zum demokratischen Rechtssaat als Glied der Völkergemeinschaft, zur Völkerverständigung unter Einschluss gerade auch der Aussöhnung des deutschen Volkes mit den früheren Kriegsgegnern in Frage stellen (OVG Münster, Urt. v. 29. November 1966; Rainer Scholz, Jugendschutz, 3. Aufl., S. 52).
Ferner, wenn diese Medien die grundlegenden Wert- und Zielvorstellungen unserer Verfassung, die insbesondere in der Präambel und Art. 1 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1, Art. 25 und 26 GG Ausdruck gefunden haben und vorgegebene Wertordnungen sowie internationale Verpflichtungen in Frage stellen (OVG Münster, Urt. v. 29. November 1966).

4. Diskriminierung von Menschen

Ein weiteres durch die Spruchpraxis der Gremien entwickeltes Tatbestandsmerkmal für die einfache Jugendgefährdung ist die Diskriminierung von Menschen.
Unter Diskriminierung wird die Benachteiligung von Menschen oder Gruppen (zumeist Minderheiten) aufgrund von Merkmalen wie soziale Gewohnheiten, sexuelle Neigungen oder Orientierungen, Sprachen, Geschlecht, Behinderung oder äußerlichen Merkmalen verstanden. Sie steht dem Grundsatz der Gleichheit der Rechte aller Menschen entgegen. Beispielsweise sind solche Darstellungen nach der Spruchpraxis jugendgefährdend, die die Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen, extrem übergewichtigen, kleinwüchsigen oder behinderten Menschen zum Inhalt haben.

5. Verherrlichung / Verharmlosung von Drogenkonsum

Nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle werden auch Medien indiziert, die den Drogenkonsum verherrlichen oder verharmlosen. Nach Einschätzung des 12er-Gremiums liegt ein Verherrlichen oder Verharmlosen von Drogen vor, wenn die angeblich positiven Wirkungen des Drogenkonsums auf die Erfahrungswelt von Jugendlichen herausgestellt werden und gleichzeitig, die damit verbundenen negativen Folgen, wie z.B.Gesundheitsschäden durch Abhängigkeit, bewusst oder unbewusst ausgeblendet werden.
Hinreichend ist bereits die Förderung der bloßen Konsumbereitschaft von Kindern und Jugendlichen, so dass auch Anleitungen zum Anbau, zu sonstiger Herstellung in Verbindung mit der Aufforderung zum Gebrauch von Cannabinoiden den Indizierungstatbestand erfüllen können.

6. Schwere Jugendgefährdung

Neben der in § 18 Abs. 1 JuSchG normierten "einfachen" Jugendgefährdung haben sich Medienanbieter auch an andere Vorschriften zu halten, vor allem an die Vorschriften des Strafgesetzbuches. Die insbesondere auch für den Jugendschutz relevanten Normen sind auch in den Unzulässigkeitskatalog des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags und in das Jugendschutzgesetz aufgenommen worden. Zu den Strafrechtsvorschriften kommen weitere Tatbestände, die den Tatbestand der schweren Jugendgefährdung erfüllen. Die Besonderheit im Vergleich zum Tatbestand des § 18 Abs. 1 JuschG ist darin zu sehen, dass die noch darzustellenden Indizierungsfolgen bereits qua Gesetz gelten. Die schwere Jugendgefährdung ist in § 15 Abs. 2 JuSchG geregelt. Im Folgenden werden die Tatbestandsmerkmale kurz aufgezeigt. Als schwer jugendgefährdend gelten Medien, die

  • Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen verbreiten (§ 86 StGB);
  • den Holocaust leugnen und in sonstiger Weise volksverhetzend sind (§ 130 StGB);
  • zu schweren Straftaten anleiten (§ 130 a StGB);
  • grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeit gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt (§ 131 StGB);
  • pornographisch sind (§ 184 Abs. 1 StGB): Ein Medium ist pornographisch, wenn es unter Hintansetzen aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und wenn seine objektive Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf Aufreizung des Sexualtriebes abzielt.
  • pornographisch sind und die Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren (§ 184 a) oder den sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 184 b StGB) zum Gegenstand haben; den Krieg verherrlichen, wobei eine solche Kriegsverherrlichung besonders dann gegeben ist, wenn Krieg als reizvoll oder als Möglichkeit beschrieben wird, zu Anerkennung und Ruhm zu gelangen und wenn das Geschehen einen realen Bezug hat;
  • Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt;
  • Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen;
  • oder offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen
  • oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.

Um Unklarheiten beim Handel zu vermeiden, nimmt die BPjM auch schwer
jugendgefährdende Medien auf Antrag oder Anregung ausdrücklich in die Liste auf und
macht bei Trägermedien die Aufnahme im Bundesanzeiger bekannt.

7. Antrags- und Anregungsberechtigte

Ein Verfahren der Bundesprüfstelle kann auf zwei Wegen zustande kommen: Durch den Antrag einer Stelle, die vom Gesetz dazu besonders ermächtigt worden ist und durch die Anregung einer Behörde bzw. eines anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe.
Während ein Antrag die Bundesprüfstelle dazu verpflichtet, ein Prüfverfahren durchzuführen, ist dies bei der Anregung nicht zwingend der Fall: Hier hat die Bundesprüfstelle einen Ermessensspielraum - sie kann also tätig werden, wenn sie das im Interesse des Jugendschutzes für geboten hält, sie muss es aber nicht in jedem Fall.

Eine besondere Antragsberechtigung besitzen in Deutschland rund 800 Stellen. Sie erstreckt sich auf die Obersten Jugendbehörden der Länder, die Landesjugendämter, die Jugendämter, die zentrale Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz (Kommission für Jugendmedienschutz, KJM) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Das neu geschaffene Recht zur Anregung haben dagegen alle Behörden und anerkannten Träger der freien Jugendhilfe. Die Zahl der Anregungsberechtigten umfasst mehrere hunderttausend Stellen.

Kontakthinweise

Privatpersonen, denen ein Medium jugendgefährdend erscheint, können selbst keinen Antrag und keine Anregung zur Indizierung an die Bundesprüfstelle richten. Wenden Sie sich bitte deshalb zunächst an Ihr örtliches Jugendamt. Alle Jugendämter sind antragsberechtigt. Die Jugendämter können Ihnen auch die Anschriften der Anregungsberechtigten in Ihrer Nähe benennen, zu denen neben allen Behörden die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe gehören.

Listenabfrage
Wenn Sie - beispielsweise zur Vorbereitung eines Antrages/einer Anregung - überprüfen möchten, ob ein bestimmtes Träger- oder Telemedium (Online-Angebot) bereits indiziert ist und in die öffentliche / nichtöffentliche Liste aufgenommen wurde, können Sie dies durch eine eMail an liste@bundespruefstelle.de abfragen.

 Quelle: Homepage der Bundesprüfstelle