Homefront

Genre
Shooter
USK
keine Jugendfreigabe (?)
Pädagogisch
ab 18 Jahre
Vertrieb
THQ
Erscheinungsjahr
2011.03
Systeme
PC, Playstation 3, Xbox 360
System im Test
Playstation 3
Homepage des Spiels
Kurzbewertung
Solider First-Person-Shooter, der eine interessante Rahmenhandlung bietet und auch Tabus bricht
Autor
Kadir Yilanci
Einzeltest
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Spielbeschreibung:
Was wäre wenn-Situationen werden gerne bei Romanen oder Filmen verwendet, um die aktuelle Realität in andere, spannendere oder gar alternative Bahnen zu lenken. Was wäre, wenn Computer ein Bewusstsein entwickeln würden? Was wäre, wenn es Zeitreisen gäbe? Was wäre, wenn Außerirdische die Erde besuchen würden? Oder was wäre, wenn ein wiedervereinigtes Korea die Vereinigten Staaten von Amerika besetzen würde? Undenkbar natürlich, aber dennoch spannend.

Pädagogische Beurteilung:
Interessante Rahmenhandlung ...
Die USA fällt immer tiefer in die Depression, die Staatsverschuldung gerät außer Kontrolle. Rating Agenturen degradieren die Kreditwürdigkeit des Landes, wie aus der Tagespresse zu entnehmen war. Wie es der Zufall will, passt die aktuelle Situation zumindest im Ansatz auf die von Drehbuchautor („Apokalypse Now“ 1979) und Regisseur („Conan, der Barbar“ 1982 und „Der Wind und der Löwe“ 1973) John Milius ausgedachte Geschichte, um den Niedergang der einstigen wirtschaftlichen und militärischen Supermacht USA.
In einem Prolog werden reale Szenen mit fiktiven Ereignissen vermischt, die die Machtstruktur fundamental verändern. Nordkorea verbündet sich mit seinen Brüdern und Schwestern aus dem Süden, nachdem Diktator Kim Jong Il verstarb und sein Sohn Kim Jong Un die Macht übernahm. Unter seiner Führung entwickelt sich das vereinigte Korea innerhalb weniger Jahre zur neuen wirtschaftlichen und militärischen Supermacht. Später ergibt sich die High-Tech Nation Japan dem politischen und militärischen Druck und auch andere asiatische Staaten werden unter den großkoreanischen Schirm gezwungen. Aber der Masterplan zielt auf etwas Großes ab. Ein als Kommunikationssatellit getarnte elektromagnetische Waffe setzt im Jahr 2025 die nicht mehr so mächtige Infrastruktur der USA außer Kraft und leitet die Invasion durch den aktuellen Angstgegner Nordkorea ein. Was danach folgt sind Tod, Zerstörungen, Vertreibungen, Erschießungen und Massengräber. Aber der Widerstand formiert sich und Sie als Spieler sind an dem Kampf gegen die Besatzer beteiligt. Filmisches Vorbild ist übrigens der kontroverse Streifen „Die Rote Flut“ aus Jahre 1984, ebenfalls von John Milius, der eine Invasion durch die ehemalige UdSSR als Reich des Bösen und den Guerilla-Kampf einer Gruppe idealisierter High-School Schüler gegen die Besatzung thematisierte. Und da das aktuelle Reich des Bösen in Nordkorea verortet wird, werden in der gerade fertig gestellten Neuverfilmung die USA kurzerhand von Nordkorea (geplant war übrigens China!) besetzt. Ein direkter Zusammenhang zwischen Film und Spiel kann selbstverständlich nur einem Zufall geschuldet sein.
Zugebenen die Geschichte ist auf den ersten Blick an den Haaren herbeigezogen und es gibt etliche Logik-Löcher, spielt aber insgeheim mit der Angst der USA gegenüber dem unberechenbaren Machthaber Kim Jong Il und der vermuteten Arbeit Nordkoreas an dem Bau der Atombombe. In Romanform detaillierter ausgearbeitet hätte die Geschichte auch aus der Feder von Tom Clancy stammen können, der mit “Jagd auf Roter Oktober” oder “Der Schattenkrieg” spannende Polit-Thriller geschrieben hat, die auch verfilmt wurden. Für ein Videospiel aber bietet diese Rahmenhandlung eine willkommene Abwechslung gegen den bisherigen Einheitsmousse um Nazis, russischen Ultranationalisten oder selbsternannten Gotteskriegern. Schön wäre es aber trotzdem, wenn mal Amerika als Bösewicht in Videospielen herhalten würde. In Filmen und Serien wie “24“ wurde das schon umgesetzt.

... aber spielerisch Einheitskost!
Leider ist es dem Entwickler Chaos Studios nicht gelungen, den neuartigen Grundplot auch spielerisch innovativ zu gestalten. Statt den Spieler mit einem geräuschlosen und spannenden Guerilla-Krieg zu konfrontieren, gibt es zumeist nur wilde Schießereien gegen nicht enden wollende, dümmlich agierende Gegnermassen. Die Hauptfigur Robert Jacobs wird dabei immer von einigen vom Computer gesteuerten Mitstreitern begleitet, auf die aber der Spieler leider keinerlei Einfluss hat. Ebenso gelingt es dem Spiel nicht, eine emotionale Bindung zu den digitalen Figuren aufzubauen, die nur oberflächlich gezeichnet sind.
Wie fast alle Genrevertreter sind die fast apokalyptisch gestalteten Level wieder schlauchartig gestaltet, so dass es keine alternativen Routen gibt. Ebenso fehlen auch alternative Handlungsmuster, die eigentlich in einem Guerilla-Krieg gepasst hätten und der Action mehr Spannung und vor allem Varianz gegeben hätten. Warum mal nicht die Waffe weglegen und versuchen unentdeckt zu bleiben? Warum nicht die Figur durch innere Monologe oder Bewusstseinsströme über seine Taten oder über die Natur des Krieges reflektieren lassen? Zwar gibt es den obligatorischen Scharfschützenlevel, der aber durch die dümmliche künstliche Intelligenz des Gegners etwas zu einfach geraten ist. Ansonsten ist der hohe Schwierigkeitsgrad im normalen Modus für erfahrene Spieler zu meistern. Anfänger werden sich schwer tun, was neben den Gegnermassen auch der komplexen Steuerung eines First-Person-Shooters auf einem Gamepad geschuldet ist.
„Homefront“ ist sicher kein schlechtes Spiel und ist für Fans des Genres interessant. Aber man merkt dem Spiel an, dass es eine interessante Spannung aufbaut, aber diese nicht aufrechterhält. Spielerisch wird nichts Neues geboten, aber womit sich das Spiel von anderen Vertretern positiv abgrenzt, ist die umfassendere Darstellung von Krieg und seinen Folgen und konfrontiert den action-verwöhnten Spieler mit teilweise äusserst unangenehmen Bildern. Und die sind selbstverständlich nicht für ein jugendliches Publikum gedacht.

Das erste Anti-Kriegs-Spiel?
Wie schon in der Beurteilung zu „Call of Duty: Black Ops“ (2010) besprochen, wurde auf der Videospielseite 4players.de eine Diskussion zum Thema Anti-Kriegs-Spiel durch einen Kommentar von Chefredakteur Jörg Luibl initiiert. Kritisiert wurden aktuelle Kriegsspiele zwar als überzeichnete, aber auch pathos triefende und nicht selten dem Miliitarismus huldigende Werke. Selten schaffen es diese Spiele beim Spieler auch nur Ansatzweise zumindest einen flauen Magen zu erzeugen oder über das Gezeigte zu reflektieren. Krieg ist Abenteuer, Krieg ist was für starke Typen, für die Schwachen ist höchstens Platz in einem Grab.
Darin unterscheidet sich „Homefront“ essentiell. In dem Seiten des Krieges abseits von wuchtigen Beats und Explosionen zeigt, erzeugt das Spiel eine unangenehme Stimmung und Atmosphäre, die durch das melancholisch dystopische Setting eines Post-Krieges noch verstärkt wird. Vielen ist bestimmt aufgefallen, dass in den meisten Action-Spielen Kinder nicht zur Bevölkerungsstruktur gehören (natürlich wollen sich die Hersteller Ärger mit dem Jugendschutz vom Hals halten). Aber „Homefront“ thematisiert als erstes Spiel das Leid von Kindern. Bspw. muss ein Kind mit ansehen, wie seine Eltern exekutiert werden, oder in einem Lager hört man Babygeschrei, das die wenigsten emotional unberührt lassen wird. Neben heroischen Action-Sequenzen werden weitere unangenehme Dinge gezeigt. Das Leid von Zivilisten, Arbeits-Lager und Willkür. In einer besonders drastischen Sequenz muss sich der Spieler sogar in einem Massengrab verstecken. Aber auch die Taten der eigenen Seite werden thematisiert. Gefangene gegnerische Soldaten werden gehängt oder erschossen. Dass es nach der Invasion zu Übergriffen gegen die eigene asiatische Bevölkerung gekommen ist, wird erwähnt. Und es wird gezeigt, dass Fehler im Krieg gemacht werden, die zu Toten in den eigenen Reihen führen.
Natürlich liegt der Verdacht nahe, dass die Entwickler diese drastischen Elemente eingebaut haben, um die Verkaufs-Quote zu erhöhen oder um sich von den Mitbewerbern inhaltlich abzugrenzen. Hier kann sich aber jeder selber die Frage stellen, ob Kriegsspiele für ein Erwachsenenpublikum lieber verharmlosend dargestellt werden sollten, oder eher als Action-Abenteuer, die Spieler grundlegend mit den weitreichenden und bisher ausgeblendeten Folgen eines Krieges konfrontiert, auch auf die Gefahr hin sich mit dem Jugendschutz auseinandersetzen zu müssen? „Homefront“ ist (leider) kein Anti-Kriegs-Spiel geworden, verwendet aber als eine der ersten Spiele durchgehend Anti-Kriegs-Elemente. Und das verlangt im Wust der immer gleichen Militärshooter dem action-verwöhnten Spieler neuartige Sehgewohnheiten ab, da es nicht nur Spielspaß bietet. Die sollten aber die Volljährigkeit überschritten haben und zudem ein gefestigtes emotionales Polster mitbringen, da einige der gezeigten Bilder verstörend wirken können.

Krieg im Internet
Leider hat „Homefront“ eine recht kurze Spielzeit, was sich in dem Genre inzwischen zum Standard entwickelt hat. Zwar kann anschließend das Spiel in einem schwierigeren Modus gestartet werden, aber interessanter ist der Online-Modus, der im Vergleich zu anderen Shootern einige weitergedachte Ideen mitbringt. Als Spielmodi gibt es das traditionelle Team Deathmatch, sowie Ground Control. Hier versuchen zwei Teams drei auf der Karte verteilte Kontrollpunkte zu erobern und zu halten. Gespielt wird allerdings nach dem Best-of-three-Modus, nach dem zwei Runden gewonnen werden müssen. Kommuniziert wird über Headset, aber die Erfahrung zeigt, dass nur Spieler, die sich kennen auch wirklich kooperativ arbeiten. Eine Ballerrunde am geteilten Bildschirm haben die Entwickler leider nicht eingebaut, allerdings sind die (wenigen) Karten auch recht groß, so dass mit vier Spielern die Suche nach dem Gegner langweilig geworden wäre.
Für Erfolge im Online-Spiel werden Punkte verteilt. Kampfpunkte können mitten im Spiel in den Kauf von besserer Ausrüstung oder Fahrzeuge wie Drohnen, Panzer und Hubschrauber investiert werden. Einige der Fahrzeuge können zudem mit einem Mitspieler betrieben werden. Einer fährt und ein anderer steuert die Bordkanone. Gelungen ist der Kampf-Commander-Modus. Beiden Teams steht ein computergesteuerter Kommandant zur Seite und vergibt mitten im Gefecht Spezialaufträge, und daraus resultierend als Belohnung spezielle Ausrüstungsgegenstände. Allerdings bleibt der Erfolg nicht unentdeckt und der gegnerische Kommandant markiert besonders erfolgreiche Spieler des anderen Teams, so dass sie leichter zu finden sind.
Der Kampf-Commander-Modus wird ab Erfahrungslevel sieben freigeschaltet. Um den allerdings spielen zu können, muss ein dem Spiel beigelegter Kampf-Code eingeben werden, der dann mit Benutzer und Spielgerät verknüpft und nicht mehr verwendbar ist. Hinter diesem System liegt der Versuch von Spiele-Publishern den Gebrauchtmarkt, den Verleihmarkt über Videotheken und natürlich das Tauschen von Spielen untereinander einzudämmen, bzw. zumindest daran etwas mitzuverdienen. Bei einem weiterverkauften Spiel verdienen die Unternehmen nichts und präsentieren Milchmädchenrechnungen von entgangenen Gewinnen von zwei Milliarden Dollar, als ob jeder Gebrauchtkäufer das Spiel auch neu gekauft hätte. Branchen-Riese Electronics Arts selber beziffert diese Summe und hat dieses System mit dem Namen -Project 10 Dollar- bei einigen Titeln eingeführt, wo auf dem Medium enthaltene Zusatzinhalte bei einem Weiterverkauf neu erworben werden müssen. Der wahre Anlass ist vermutlich, dass die Gewinne auf dem Spielemarkt rückläufig sind und viele Publisher Verluste gemacht haben, die Anleger unruhig macht.

Um also ein gebrauchtes oder geliehenes „Homefront“ Online uneingeschränkt nutzen zu können, muss ein Kampf-Code erworben werden, der zur Zeit 7,99 Euro kostet. Das wird aus Nutzerperspektive natürlich nicht gerne gesehen. Allerdings muss angemerkt werden, dass das Online-Spiel weiter an Bedeutung zunimmt und alleine die Unterhaltung der Infrastruktur mit Serverfarmen sehr viel Geld kostet. Noch wird dieses System nur bei wenigen Titeln eingesetzt, hat aber andere Spielefirmen gebracht, darüber nachzudenken. In diesem Zusammenhang sei noch auf den Plan von Activision hingewiesen, die zum kommenden Titel „Modern Warfare 3“ eine Art kostenpflichtiges Social-Shooter-Network mit dem Namen „Call of Duty Elite“ anbietet, in dem gegen eine monatliche Gebühr Zusatzinhalte, wie umfangreiche Informationen und Statistiken zum Gameplay sowie weitere Karten geboten werden. Näheres hierzu, wenn das Spiel Anfang November erscheint.

Fazit:
Leider gelingt es „Homefront“ nicht, die Dynamik aus der spannenden Rahmenhandlung in das Spiel zu bringen und bietet spielerisch zwar solide, aber gewohnte Action, die zudem recht kurz ausgefallen ist, jedoch aufgrund des Online-Modus längeren Spielspaß bietet.
Was man aber dem Spiel anrechnen muss ist, dass es weitreichendere Facetten eines Krieges, fernab eines Abenteuerurlaubs, mit dem Leid der Bevölkerung, Massengräbern, aber auch selbstreflexive Komponenten einbaut und dadurch eine ungewohnte, vielleicht sogar kritischere Spielerfahrung mit dem Thema Gewalt und Krieg, als die meisten anderen Kriegsspiele, bietet. Aufgrund dessen, der düsteren Atmosphäre und der gezeigten virtuellen Gewalt gehört „Homefront“ nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen.