Europa Universalis III
Spielbeschreibung:
Wer heutzutage über Strategiespiele auf dem Computer redet, meint in erster Linie die sogenannten Echtzeitstrategiespiele, wie z.B. "Warcraft 3" oder "Rise of Legends". Opulente Grafik, riesige Massenschlachten und ein schnelles Gameplay zeichnen die modernen Vertreter dieses Genres aus. Durch die immer actionreichere Ausrichtung sinkt jedoch der taktische und strategische Anspruch dieser Titel merklich. Die ursprünglichen Strategiespiele auf dem Computer wurden im Gegensatz dazu noch rundenbasiert gespielt (Das bedeutet, dass jeder Spielzug einzeln erfolgt, wie z.B. beim Schach) und orientierten sich dabei an komplexen Brettspielen. Der Nachteil: Rundenbasierte Spiele sind oft langwierig und fordern dem Spieler ein hohes Maß an vorausschauender Überlegung ab. Für Gelegenheitsspieler waren rundenbasierte Strategiespiele aus diesen Gründen schon immer etwas schwerer zugänglich als ihre aktionbetonteren Verwandten, die Echtzeitstragiespiele.
"Europa Universalis III" von "Paradox" stellt einen Vertreter dieses Genres dar, der versucht, beide Eigenschaften zu vereinen. Dem Spieler wird die Möglichkeit geboten, in den Jahren zwischen 1453 und 1789 die Geschichte einer Provinz, eines Staates oder ganzen Landes zu lenken. Ein interessantes Zeitfenster, ereigneten sich doch in diesen Zeitraum viele bedeutsame weltgeschichtliche Ereignisse, wie z.B. der dreißigjährige Krieg oder die Entdeckung Amerikas. Dem Spieler stehen zu Spielbeginn mehr als 250 Länder und über 1000 Provinzen zur Auswahl. Provinzen lassen sich natürlich einfacher regieren als Länder. Die Wahl der europäischen Macht hat dadurch direkten Einfluss auf den Schwierigkeitsgrad. Natürlich ist auch eine Karriere vom Provinzfürsten zum Staatsoberhaupt möglich. Das Spiel verfolgt keine vorgegebene Geschichte und stellt keine Aufgaben, wie es vergleichbare Spiele tun. Es bietet dem Spieler somit maximale Handlungsfreiheit, womit es möglich ist die Geschichte völlig umzuschreiben.
Je nach gewähltem Land und Jahr, startet der Spieler mit einer bestimmten Anzahl von Provinzen, die es im Verlauf des Spiels zu verwalten und aufzubauen gilt. Dies kann z.B. durch geschickte Diplomatie, arrangierte Hochzeiten und natürlich militärische Konflikte geschehen. Zusätzlich gilt es, funktionierende Handelsbeziehungen aufzubauen, die Wünsche der Bürger nach einer modernen Infrastruktur zu erfüllen und die Forschung des eigenen Reichs auszubauen. Wie die hierfür erforderlichen Geldmittel eingenommen werden, entscheidet der Spieler selber. Er kann die Steuern erhöhen, Preise für Waren hinaufsetzen oder sogar die Staatsform ändern. Dies hat aber mitunter weitreichende Folgen. So sieht sich ein Diktator eher von einer Revolution bedroht, während ein demokratischer Herrscher vom Volk einfacher abgesetzt werden kann. Obwohl diese Entscheidungen von allen Spielern parallel und somit in Echtzeit getroffen werden, ist das Tempo des Spiels so gewählt, dass "Europa Universalis III" eher den Charakter eines ruhigen rundenbasierten Spiel hat. Der Spieler kann das Spieltempo jederzeit erhöhen, um ereignislose Phasen quasi vorzuspulen. Insgesamt werden zahllose Möglichkeiten geboten, das Spiel den Bedürfnissen und Gewohnheiten des Spielers anzupassen. Der zum Teil enorme Komplexitätsgrad kann so z.B. durch die Umstellung auf automatische Abläufe wenigstens etwas gesenkt werden.
Pädagogische Beurteilung:
Von "Europa Universalis III" fühlten sich ausschließlich männliche Jugendliche angesprochen, die angaben, viel Erfahrung mit Stategiespielen zu haben. Die Jugendlichen lobten das umfangreiche Handbuch und die interessant gestaltete Verpackung. Sie gaben an, dass dies für sie ein wichtiger Beitrag zur Kaufentscheidung sei. "Bei Verpackung und dem Handbuch geben sich die Firmen manchmal einfach zu wenig Mühe!" (Spieler, 13). Das historische Szenario beschrieben die Jugendlichen als gelungene Abwechslung zum im Genre vorherrschenden Thema "Zweiter Weltkrieg" und Strategiespielen aus dem Fantasybereich.
Sogar erfahrene Strategen fühlten sich zu Beginn von den gebotenen Möglichkeiten überfordert und waren froh, das umfangreiche Handbuch zu Rate ziehen zu können. Anfänger hatten auch nach einigen Stunden Spielzeit noch Probleme, den Überblick zu behalten und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dies senkte sichtlich die Motivation und führte dazu, dass sich lediglich erfahrene Taktiker länger mit dem Spiel auseinandersetzen wollten.
Grafik und Sound wurden von den Spielern als rein zweckmäßig empfunden – Hier hätte man sich durchaus etwas mehr Mühe geben können. Durch fehlende Animationen und wenig abwechslungsreiche Hintergrundgeräusche wirkt das Spiel steril und gerade für Anfänger des Genres wenig ansprechend. "Da passiert mir einfach zu wenig. Ich mag es lieber, wenn sich die Einheiten auch wirklich bewegen" (Spieler, 14).
Die Jugendlichen, die sich vom Komplexitätsgrad und der grafischen Gestaltung nicht vom Spielen abhalten ließen, waren zunehmend von den fast unendlichen taktischen Möglichkeiten begeistert, die ihnen das Spiel bot.
Diplomatie ist in diesem Spiel nicht nur eines von vielen Spielelementen. In "Europa Universalis III" nimmt das eigene diplomatische Geschick direkten Einfluss auf den Spielverlauf. Die Jugendlichen merkten schnell, dass Verbündetete notwendig sind, um politisch überleben zu können. Auch ist es oft hilfreicher einem Krieg auszuweichen, als jede Konfrontation aktiv zu suchen.
Die kriegerischen Auseinandersetzungen werden abstrakt dargestellt. Lediglich die Verluste und der Ausgang der Schlacht werden nach einer Auseinandersetzung benannt. Kriege haben immer direkte Auswirkungen auf das Spiel, da z.B. wehrfähige Männer in der eigenen Landwirtschaft fehlen oder bei verlorenen Schlachten die Stimmung in der Bevölkerung sinkt. Es ist also immer angebracht, auch nach alternativen Lösungen zu suchen. Ganz ohne Krieg kann die eigene Seite jedoch auch nur schwer überleben. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass diese Tatsache auch die historischen Verhältnisse zu dieser Zeit widerspiegelt.
Auch der Multiplayermodus wurde von den Jugendlichen positiv bewertet. Zusammen gegen den Computer anzutreten, machte ihnen viel Spaß. Die Möglichkeit, sich durch Diplomatie mit dem Computer gegen den menschlichen Mitspieler zu verbünden, sorgte für viel Schadenfreude. Auch im Multiplaymodus handelt der Computer fast immer logisch, was fast zu dem Eindruck führt, gegen menschliche Kontrahenten zu spielen. "Der Computer spielt richtig gut. Man hat immer den Eindruck, dass er wirklich geplant vorgeht und nicht unfair spielt." (Spieler, 14)
"Europa Universalis III" bietet eine umfangreiche, fast perfekte Simulation der europäischen politischen Verhältnisse der frühen Neuzeit. Durch seine Komplexität ist es jedoch nur schwer zugänglich und eignet sich deswegen nur eingeschränkt für den Einsatz im normalen Geschichts- oder Politikunterricht. In das Angebot einer Projektwoche oder AG integriert, könnte es jedoch spannend sein, ein Planspiel mit "Europa Universalis III" am Computer durchzuführen und die Ergebnisse anschließend mit den Schülern auszuwerten. Ein Planspiel, dass in derselben Epoche angesiedelt ist, findet sich z.B. auf der Homepage der Universität Regensburg (s.u.).
Fazit:
"Europa Universalis III" bietet gute Unterhaltung, bei der Jugendliche einiges über politische Zusammenhänge, historische Machtgefüge und die Entstehung des heutigen Europas lernen können. Von der USK wurde das Spiel ab 6 Jahren freigegeben. Jedoch ist das Thema und die Komplexität des Spiels erst Jugendlichen ab 12 Jahren wirklich zugänglich. Die kriegerische Auseinandersetzung spielt keine zentrale Rolle im Spiel. Dem Spieler bieten sich alternative Möglichkeiten zur Konfliktvermeidung, die mit unter auch von Vorteil sind. "Europa Universalis III" fasziniert insbesondere Jugendliche und Erwachsene, die ein grundlegendes Geschichtsinteresse haben.
Planspiel "Krieg und Frieden": Uni Regensburg