Edna bricht aus

Genre
Adventure
USK
ohne Altersbeschränkung (?)
Pädagogisch
ab 12 Jahre
Vertrieb
bhv Software GmbH
Erscheinungsjahr
2008.06
Systeme
PC, Mac
System im Test
PC
Kurzbewertung
Skurriles Abenteuer mit ernsthaften Untertönen
Gruppenleiter
René Gehrmann
Bürgerzentrum Deutz
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Spielbeschreibung:
Nein, in "Edna bricht aus" geht es nicht um die Eruption eines bekannten sizilianischen Vulkans. Edna ist nämlich ein Mädchen. Ohne eine Erinnerung erwacht dieses zusammen mit ihrem sprechenden Stoffhasen Harvey in einer Gummizelle der Nervenheilanstalt des Dr. Marcel Krankenhauses und hat nur ein Ziel: Ausbrechen. Und die Hintergründe ihrer Internierung erfahren.
Das goldene Zeitalter der Adventures ist schon weit über ein Jahrzehnt her. In letzter Zeit versuchten jedoch einige kleinere Hersteller, auf den Pfaden von Klassikern wie "Monkey Island" oder "Day of the Tentacle" zu wandeln und das damals so beliebte Genre erneut aufblühen zu lassen. Vor allem im deutschsprachigen Raum konnten sich Spiele wie "Ankh" oder "Geheimakte Tunguska" einen kleinen Nischenmarkt erschließen, fernab von den großen Produktionen des Mainstreams. Mit "Edna bricht aus", einem aus einer Diplomarbeit hervorgegangen Spiel, liegt nun ein Point & Click-Adventure vor, welches in diversen Internet-Magazinen zum Adventure oder auch Spiel des Jahres 2008 gekürt wurde. Point & Click, also Zeige und Klicke, beschreibt gleichzeitig in aller Kürze das zugrunde liegende Steuerungskonzept dieses Genres. Dem Spieler stehen verschiedene Aktionen zur Verfügung, mithilfe derer er die Umgebung erkunden, mit Spielfiguren interagieren oder Objekte benutzen kann. Im Falle Ednas wird sogar das inzwischen als veraltet betrachtete Verben-System wieder benutzt, ganz im Sinne der alten Lehrmeister. Mittels der Befehle Ansehen, Nehmen, Reden und Benutzen übernimmt der Spieler Kontrolle über Edna und ihren Hasen Harvey um so die anstehenden Rätsel lösen und die Handlung vorantreiben zu können. Und schließlich auszubrechen.


Pädagogische Beurteilung:
In einigen Punkten kann "Edna bricht aus" nicht mit den üblichen Standards mithalten. Der realistische und opulente Grafikstil moderner Spiele stellt für Jugendliche eine hohe Faszinationskraft dar. Edna hingegen bietet das genaue Gegenteil. Und dennoch: Hat man sich erst mal eingespielt, üben die krakeligen, handgezeichneten 2D-Charaktere und Räume, die einer Malstunde der dritten Klasse entsprungen zu sein scheinen, einen gewissen Charme aus. Die meisten Tester der Bürgerzentrum-Deutz-Gruppe konnten sich zwar schlichtweg nicht mit der Grafik anfreunden, andere wiederum fanden diese durchaus geeignet und angesichts der Handlung auch nebenrangig.
Auch die Steuerung ist nicht auf aktuellem Stand. Adventures neueren Datums bieten diesbezüglich schlicht mehr Komfort. Das erwähnte Verben-System mag als Hommage an die alten Lucas-Arts-Klassiker durchgehen, in der Praxis ist es aber umständlich. Ebenso das Inventar, in dem der Spielcharakter eingesammelte Gegenstände beherbergen kann. Hinzu kommen hier und da stockende Animationen und teils sehr lange Ladezeiten beim Speichern und Laden von Spielständen, sowie innerhalb der einzelnen Kulissen. Mancher Raum ist z.B. durch eine Treppe geteilt. Will man von der einen auf die andere Seite, muss man zunächst die Treppe anwählen und damit eine weitere Ladezeit in Kauf nehmen. Diese Umstände wirkten teils enervierend auf die jugendlichen Tester.
Überhaupt ist Geduld wohl eine der wichtigsten Fähigkeiten die der Spieler mitbringen sollte. Dies jedoch nicht nur aufgrund der technischen Mankos. "Edna bricht aus" ist kein Adventure für Einsteiger, der Schwierigkeitsgrad ist teils recht hoch. Schon zu Beginn gibt es einige Kopfnüsse, die auch geübte Spieler zum Nachdenken anregen. Entgegen den meisten anderen Adventures ist "Edna bricht aus" zudem recht non-linear ausgelegt, will heißen, der Spieler hat bereits kurz nach Beginn die Möglichkeit relativ frei vorzugehen. Dies betrifft sowohl das Aufsuchen der verschiedenen Orte, wie auch die Entscheidung über das als nächstes zu lösende Rätsel. Zwar liegt hierin auch ein Potential zur Senkung von Frustrationsmomenten; sollte der Spieler an einer Stelle nicht weiterkommen, hat er die Freiheit sich einer anderen Aufgabe zu widmen. Andererseits führt dieses Konzept auch zu einer immensen Anzahl von Möglichkeiten, die überblickt werden wollen und den Schwierigkeitsgrad erhöhen. 
Die Rätsel sind meist recht logisch aufgebaut. Über die Dialoge mit den zahlreichen Charakteren erfährt der Spieler zudem stets Hinweise zur Lösung einzelner Probleme. Aufmerksames Zuhören vorausgesetzt, tappt der Spieler also nie ganz im Dunkeln. Dennoch ist einiges an Kombinationsgabe gefragt, um die im weiteren Verlauf der Geschichte immer schwieriger werdenden Rätsel lösen zu können. 
Grafik, Steuerung und Schwierigkeitsgrad müssen bei der Frage nach den vorrangigen Motivationen "Edna bricht aus" zu spielen, aber der Handlung und dem Humor weichen. Die interessante Geschichte rund um Edna und ihre Vergangenheit bewegt sich abseits typischer Fantasy-, Piraten- und Science-Fiction-Kost und bietet ein unverbrauchtes Szenario. Auch die schrulligen Charaktere und die gut vertonten Gespräche mit selbigen tragen zur Atmosphäre des Titels bei. Herr Mantel z.B., der sich für einen Gehrock hält und im Wäschelift des Sanatoriums wohnt. Der depressive Peter und die manische Petra. Der Alumann, der ehemalige Hausmeister der Anstalt, der sich nach einem Stromschlag selbst als ein Lichtwesen bezeichnet und sehr um sein Qi besorgt ist. Oder sei es nur eine beliebige Aktion wie "Rede mit Mülleimer" oder "Benutze Bienenmann". Während andere Adventures schnell den Standardsatz "Das geht so nicht" verlauten lassen, kann bei Edna alles ausprobiert werden und alles führt zu einer humorvollen Pointe. 
Jedoch merkt man Humor und Handlung auch eine klare Ausrichtung auf bestimmte Zielgruppen an. Teils zu schwarz, teils zu intellektuell sind die Witze um auf ein jüngeres Publikum bzw. Kinder anziehend zu wirken. Folgendes nur am Rande: Im Blog des Entwicklers wird z.B. dazu aufgefordert "Edna bricht aus" aus den Kinderregalen der Kaufhäuser zu befreien. Trotz bunter Hülle und der Freigabe ohne Altersbeschränkung ist "Edna bricht aus" nicht für Kinder gedacht. Gerade gegen Ende des Spiels wird die Atmosphäre durch Sound, Grafik und Handlung zunehmend tragisch und düster. Ohne etwas vorwegnehmen zu wollen: Dem Spieler werden Aktionen aufgezwungen, welche den eigenen Entscheidungen zuweilen entgegenstehen mögen, nur um den Verlauf der Handlung vorantreiben zu können. Die erwähnte Non-linearität wurde also diesbezüglich nicht konsequent fortgeführt. Ethisch-moralisch anzuzweifelnde Handlungen müssen vom Spieler ausgeführt werden, ohne dass diese durch das Spielgeschehen eine Auflösung erfahren. Hier werden elementare Fragen aufgeworfen über Tod, traumatische Erlebnisse, Vertrauen, Recht und Unrecht, Entscheidungen und Konsequenzen. Fragen, die jüngere Spieler recht hilflos und verstört zurücklassen können, gerade da sich diese Entscheidungen gegen Charaktere richten, die man im Spielverlauf mögen gelernt hat. Ältere Spieler hingegen können hiermit umgehen und genügend Distanz zwischen der zu spielenden Figur und ihrer eigenen Person aufbauen, um die Geschehnisse bewusst verarbeiten zu können.


Fazit:

"Edna bricht aus" bietet adventure-begeisterten Spielern, ob männlich oder weiblich, eine interessante, motivierende Geschichte voll skurril-sympathischer Charaktere. Der Schwierigkeitsgrad kann für Einsteiger in das Genre teils zu hoch liegen. Schon allein aufgrund dieser Hürde ist das Spiel auch erst Jugendlichen ab 12 Jahren zu empfehlen. Diese besitzen dann im Normalfall auch genügend Reflexionsvermögen sowie Distanzfähigkeit um die melancholische Grundstimmung und die teils düster-makabren Szenen verarbeiten zu können.
Prinzipiell ist "Edna bricht aus" jedoch auch und gerade, je nach Reifegrad, jüngeren Spielern zu empfehlen, besonders als Grundlage zu Gesprächen über Moral, Entscheidungskraft und Konsequenzen. Bedingung hierfür ist jedoch die Anwesenheit aufgeschlossener Erwachsener, um die aufgeworfenen Fragen gemeinsam auswerten zu können.

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Bürgerzentrum Deutz
Bewertung Spielspass