Ecopolicy - Das kybernetisches Strategiespiel

Genre
Strategie
USK
ohne Altersbeschränkung (?)
Pädagogisch
ab 6 Jahre
Vertrieb
MCB-Verlag
Erscheinungsjahr
2011.07
Systeme
PC
System im Test
PC
Homepage des Spiels
Kurzbewertung
Eine Simulation für Bildungsinstitutionen, kein Spiel für das Kinderzimmer
Gruppenleiter
Marco Fileccia
Elsa-Brändström-Gymnasium Oberhausen
Screenshot 2Screenshot 3Screenshot 4

Spielbeschreibung:
Das Schwierige an politischen Wirkungsketten ist ihre Komplexität und gegenseitige Beeinflussung. Das Spiel "Ecopolicy" ist im eigentlichen Sinne eine Simulation und versucht sich an dieser schwierigen Quadratur des Kreises: Komplexe Zusammenhänge und gegenseitige Abhängigkeiten anschaulich zu machen. Und das seit 1980. Denn damals erschien als Beilage einer Zeitschrift das erste "Ökolopoly"-Spiel von Professor Frederic Vester (gestorben 2003), der oft als einer der Vordenker der Umweltbewegung bezeichnet wird. 1984 brachte der Ravensburger Verlag die erste Brettspielversion heraus, 1989 erschien es erstmals als Computer-Simulation; damals auf einer Diskette. Seit 2000 erscheint es im Westermann-Bildungsverlag unter dem Titel "Ecopolicy" und – auch wenn die Werbung so klingt - das Herz des Spiels ist bis in die Darstellung der Zusammenhänge in Säulendiagrammen identisch, lediglich die optischen Aufmacher mit anderen Bildern und kurzen Videosequenzen sind im Laufe der Zeit etwas modernisiert worden.
Der Spieler darf einen Alleinherrscher, hier "Staatschef" eines Landes, spielen und frei jeglicher demokratischer Entscheidungsfindungsprozesse, schalten und walten. Zu Beginn wählt er aus, ob er ein Industrie- (Kybernetien = einfach), Schwellen- (Kybinnien = schwieriger) oder Entwicklungsland (Kyborien = sehr schwierig) steuern will. Jedes Land hat andere Ausgangsvoraussetzungen in den Bereichen Politik, Sanierung, Produktion, Umweltbelastung, Bildung, Vermehrungsrate, Bevölkerungszahl sowie in dem Schlüsselbereich Lebensqualität (der zum Umsturz führen kann, sollte er zu stark absinken). 
Dabei muss er versuchen, diese verschiedenen Bereiche in ein Gleichgewicht zu bringen - heute nennen wir dies "sustainable development" oder "nachhaltige Entwicklung". Dies macht er mit "Aktionspunkten", die er – als Äquivalent zu Geld – nur in die vier Bereiche Sanierung, Produktion, Lebensqualität und Aufklärung investieren kann. Da viele Bereiche miteinander vernetzt sind und aufeinander wirken bzw. sich gegenseitig beeinflussen, setzt sich die Entwicklung in den restlichen Bereichen aus den verschiedenen Konsequenzen seiner Entscheidungen (der Verteilung der Aktionspunkte) zusammen, die nicht linear, sondern je nach Lage positiv oder auch negativ ausfallen können. 
Aktionspunkte kann man in einzelnen Bereiche investieren, wobei einige, wie Bevölkerungszahl, Vermehrungsrate oder auch Politik nur indirekt beeinflusst werden können. Schließlich käme niemand auf die Idee für gute Politik direkt zu bezahlen, eine Ein-Kind-Politik zu betreiben oder Sterbegeld zu zahlen. Eine direkte Investition ist nur in den o.a. vier Bereichen möglich, was Wirtschaftsförderprogramme, Umweltschutzmaßnahmen, Bildungsinvestitio-nen und Maßnahmen, wie den öffentlichen Bereich oder billige Grundnahrungsmittel, symbolisieren soll.
Nach jeder Runde bzw. jedem Regierungsjahr bekommt der Spieler wieder jeweils aus den Bereichen Politik, Produktion, Bevölkerung und Lebensqualität neue Aktionspunkte oder, wenn es schlecht läuft, eventuell auch Punkte abgezogen. In allen drei Ländern im Spiel gibt es aufgrund der unterschiedlichen Startbedingungen andere Zusammenhänge zwischen den acht Bereichen, sodass der Spieler die Unterschiede, die auch in der Realität existieren, zwischen diesen Ländern erfahren kann (z.B. hat in einem Industrieland die Investition in Aufklärung andere Auswirkungen als in einem Entwicklungsland). Am Ende seiner Amtszeit, so er nicht vorher abgesetzt wird, bekommt der Spieler dann eine Bewertung in Form einer Urkunde, in der seine Leistung in Punkten dargestellt ist, womit er sich ggf. auch in der Highscore-Liste eintragen kann.

Pädagogische Beurteilung:
Das Spiel ist im besten Sinne simpel. Es erfordert keine große Einarbeitung und, auch wenn es die Theoretiker gerne hätten, die jugendlichen Spieletester interessierten sich wenig für das Begleitmaterial, aus dem man die Wirkzusammenhänge sich hätte erarbeiten können. Sie probierten aus, was im Spiel schnell und einfach möglich ist, denn die einzige Steuerung besteht darin, auf ein Symbol zu klicken, um Punkte zu verteilen oder das nächste Bild aufzurufen. Dabei kann der Spieler so lange überlegen, wie er will.

Simpel ist das Spiel aber nicht in seinen Zusammenhängen, die es vermitteln will. Nehmen wir ein Beispiel: Hohe Investitionen im Bereich Wirtschaft sind an sich positiv, führen jedoch schnell zu hohen Umweltbelastungen, vergisst man über den wirtschaftlichen Erfolg die Sanierung. Wenn man dagegen zu viel in die Aufklärung der Bevölkerung investiert, so kann das schnell negative Folgen in der Vermehrungsrate haben. Das schlechteste Konzept ist beispielsweise die Investition aller Aktionspunkte in die "Lebensqualität", die als Schlüsselfaktor dadurch eine enorme Stärkung erfährt - aber nur für kurze Zeit, denn tatsächlich resultiert daraus ein enormes Bevölkerungswachstum, eine Verschlechterung der anderen Bereiche und somit in der Summe eine langfristig negative Wirkung.
Den Reiz des Spiels macht sicherlich aus, dass der verstorbene Prof. Vester hierfür wohlüberlegte Gleichungen aufgestellt hat, die nicht linear verlaufen, sondern in Sprüngen (so gibt es Schwellen, ab wie viel Aktionspunkten eine Maßnahme positiv oder negativ sein kann) und es gibt Rückkoppelungen, so lässt eine sehr niedrige Lebensqualität sie weiter absinken, eine hohe sie aber ansteigen. Wer möchte, kann diese Gleichungen in grafischer Darstellung im Spiel nachschauen und damit zum Erfolg kommen. Oder eben einfach ausprobieren, was den Testerinnen und Testern mehr Spaß machte: "Meiner Meinung nach ist es gar nicht so einfach, die verschieden Zusammenhänge und Verknüpfungen in den verschieden Fantasieländern zu erkennen und dann die richtigen Entscheidungen für sein Land zu treffen, damit die acht Bereiche seines Landes auch in das gewollte Gleichgewicht kommen. Den Dreh bekommt man meist erst heraus, nachdem man entweder einige Runden gespielt hat oder nachdem man einige der zahlreichen Informationstexte gelesen hat", so Dominik.

Ein Scheitern ist auch möglich und am Anfang sogar häufig wahrscheinlich. Es endet etwas einfallslos immer in Staatsstreichen und der Spieler wird als Präsident verjagt - insgesamt also nicht sehr demokratisch. Und trotzdem lieben Sozialwissenschaftslehrer diese Simulation, denn sie kann vermeintlich Komplexität vermitteln. In Wahrheit sind die Dinge natürlich noch viel unübersichtlicher und Politik ein noch viel schwierigeres Geschäft. Hier muss man dem Spiel den Vorwurf machen, unzulässig zu vereinfachen. Denken Sie nur mal daran, mit welch verschiedenen Maßnahmen das Wirtschaftsleben der Bundesrepublik Deutschland von der Politik beeinflusst werden kann. Das Spiel fördert letztendlich vernetztes Denken; es gibt keine einfachen, linearen Zusammenhänge und alles hängt miteinander zusammen.
Übrigens wird das Spiel auch für Unterrichtszwecke verwendet. So ist es an allen Schulen Schleswig-Holsteins und Niedersachsens im Einsatz und wurde von der Gesellschaft für Pädagogik und Information (GPI e.V.) mit der Comenius-Medaille 2000 ausgezeichnet. Seit einiger Zeit gibt es auch eine Netzwerkversion (die für Schulen allerdings 136 Euro kostet), mit der man gegeneinander im Wettstreit um die besten politischen Konzepte antreten kann. So empfehlen die Entwickler des Programms auch die Möglichkeit, Ecopolicy als parlamentarisches Rollenspiel mit 15, besser mit 30 Spielern zu spielen. Dies war im Test leider nicht möglich. 
Vielleicht bietet sich in der Schule auch eine Möglichkeit, das Spiel zu fünft spielen zu lassen; mit vier Fachministern für die beeinflussbaren Bereiche Sanierung = Umweltminister/In, Produktion = Wirtschaftsminister/In, Lebensqualität = Innenminister/In und Aufklärung = Bildungsminister/In und einem Ministerpräsidenten, Bundeskanzler, Präsidenten oder wie auch immer man ihn / sie nennen mag. Erst nach Haushaltsberatungen, Diskussion und Abstimmungen dürfen die Punkte verteilt werden. Es wäre ein Schritt hin zum Verständnis demokratischer Entscheidungsfindungsprozesse.
Wirklich spannend kann es im höchsten Level werden, denn dort können die Spielerinnen / Spieler die Wirkzusammenhänge in Diagrammen selbst bestimmen, um damit ihre Vorstellungen von den Zusammenhängen in "ihrer" Gesellschaft herzustellen und auszuprobieren.
Ecopolicy ist auch in der Darstellung simpel, und wer den PC-Vorgänger von vor knapp 20 Jahren kannte, hat ihn trotz neuer Bildchen und Video-Gimmicks sofort wiedererkannt. Die Grafiken sind schlicht, funktional und keine Aufforderung zum Spiel für Jugendliche der heutigen Spielergeneration. Spieletester Dominik: "Ich finde, dass die Spiel- und Hintergrundgeschichte in Ecopolicy sehr gut durchdacht ist. Sie hat mich aber nicht wirklich motiviert, weiterzuspielen".
Gefordert wird in dem Spiel Geduld, denn eigentlich passiert nicht viel (Säulendiagramme wachsen oder schrumpfen) und jede Runde sieht gleich aus (sieht man von unvorhergesehenen Ereignissen, den "bad news" oder "good news" mal ab). Informationen werden in Textform geboten, die aber auch oft sehr vereinfachend sind. Die Spieler bemängelten außerdem: "Dass die vielen Informationen beim Spielen nicht vorgelesen werden – es nervt irgendwann, alles lesen zu müssen", so Alina.
Die Belohnung der Spieler erfolgt, wie oben erwähnt, durch den Eintrag in eine Highscoreliste. Die Jugendlichen fanden es etwas seltsam, dass diese Liste schon nach der Installation mit Namen gefüllt war, unter denen – ganz oben natürlich – Frederic Vester stand, wahrscheinlich mit der Höchstpunktzahl, also unschlagbar. Kein wirkliches Argument zur Motivation. Das weitere Negativ-Argument für Schülerinnen und Schüler nennt Dominik: "Es sieht einfach zu stark nach einem Lernspiel aus".

Das Spiel ist als Lernspiel freigegeben ohne Altersbeschränkung. Soll es aber wirklich sinn- und gehaltvoll und nicht nur ein (blindes) Herumprobieren sein, sollten grundsätzliche politische Zusammenhänge verstanden werden können. Der erste Kontakt mit politischen Inhalten findet in der Regel in der 5.-6. Klasse statt, also mit 11-12 Jahren. Um das Spiel wirklich zum selbständigen Lernen zu verwenden, sollten die Schüler jedoch mindestens 14 Jahre alt sein

Fazit:
Eine Simulation für die Schule, kein Spiel für das Kinderzimmer. Simpel in der Aufmachung, tief in den Zusammenhängen und nicht einfach zu meistern. Es kann vernetztes Denken fördern, wenn auch viele Inhalte sehr oberflächlich behandelt werden.

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Spieletester
Elsa-Brändström-Gymnasium Oberhausen
Oberhausen
Bewertung Spielspass