Die Bedeutung und Grenzsetzung von Genres
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Videospiele und auch alle anderen Medienformen haben in den meisten Fällen eine Gemeinsamkeit: Sie alle wollen Geschichten erzählen! Seien es fiktionale, dokumentarische, journalistische oder tutorielle Formate. Dabei bedienen sie sich jeweils unterschiedlichen Elementen des Storytellings. Bei diesen unterschiedlichen Formaten lassen sich hin und wieder dieselben Techniken, Elemente oder Eigenschaften finden. Diese setzen die Identität der Geschichte und zeigen, in welche Richtungen sich diese entwickeln kann. Ein wichtiger Faktor sind hierbei Genres.
Von Dustin Heye
Als Genres werden Gruppierungen von Videospielen bezeichnet, die Gemeinsamkeiten bei Elementen wie Interaktionsmöglichkeiten, Involvierungsstrategien, generellen Spielmechaniken und der Wirkungsabsicht aufweisen. Genres fungieren in vielen Aspekten also als ein Wegweiser für Spieler*innen, die Kernidentität eines Videospiels zu bestimmen. Zwar bieten Genreeinteilungen noch noch keine konkreten Informationen über Handlung oder Charaktere, allerdings helfen sie dabei, die Elemente, Eigenschaften und Regeln festzulegen, die ein Videospiel ausmachen. Die feste Einteilung oder Eingrenzung in ein bestimmtes Genre ist allerdings nicht immer ganz einfach. Denn Videospiele bedienen sich gerade heutzutage auch oft Elementen verschiedener Genres, um frisch und innovativ zu bleiben. Durch diese Kombinationen können dann neue Elemente und auch neue Genres entstehen.
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Call of Duty: Black Ops II, Genre: Ego-Shooter |
Aufgrund der Komplexität legten sich Expert*innen auf fünf große Sammelbezeichnungen fest, denen viele unterschiedliche Genres zugeordnet werden können. Zum Beispiel Actionspiele, deren Spielmechanik überwiegend eine gewisse Geschicklichkeit und Reaktionsschnelligkeit erfordert. Beliebte Genres in der Kategorie Action sind zum Beispiel Fighting Games, Shooter oder Plattformer. Viele dieser Genres lassen sich zudem noch in gewisse Subgenres aufteilen. Shooter verfügen zum Beispiel über Subgenres wie Ego-Shooter, Third-Person-Shooter oder Arcade-Shooter. Praktische Beispiele wären hier zum Beispiel Videospielreihen wie Tekken, Call of Duty oder auch diverse Spiele der Super Mario-Reihe.
Der zweite Sammelbegriff sind Abenteuerspiele. Die Spielmechanik zielt hier auf eine gewisse Komplexität ab, wie zum Beispiel das Lösen von verschiedenen Rätseln, die Suche nach Gegenständen und Informationen oder die Interaktion mit anderen Charakteren in der Spielwelt. Im Vergleich erzählen Abenteuerspiele eine komplexe Handlung und legen den Fokus auf Charakterarbeit und Dialoge oder fungieren als Rätselspiele. Wichtige Spielelemente sind hierbei zudem die Pflege und Nutzung des Inventars sowie die Kombination und Anwendung von Gegenständen. Genres in dieser Kategorie wären Adventure, Rollenspiele oder Survival Horror Games. Auch hier lässt sich beispielsweise das Adventure-Genre wieder in mehrere Subgenres aufteilen. Unter anderem in Textadventure, Point&Click-Adventure oder interaktive Filme. Praktische Beispiele wären Reihen wie Life is Strange, World of Warcraft oder Silent Hill.
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Super Mario Bros. U Deluxe, Genre: Jump ’n’ Run |
Strategiespiele fungieren als dritter Sammelbegriff. Die Spielmechanik zeichnet sich hier durch strategisches oder taktisches Geschick aus. Im Fokus stehen Aktivitäten wie der Aufbau von Städten oder anderen Instanzen, Diplomatie, Ressourcenmanagement oder Problemanalyse. Aufbau- oder Echtzeit-Strategiespiel sowie Wirtschaftssimulationen gehören unter anderem zu diesem Sammelbegriff. Hier lässt sich ein Genre wie das Echtzeit-Strategiespiel ebenfalls wieder in mehrere Unterkategorien, wie Multiplayer Online Battle Arena, Tower Defense oder Echtzeit-Taktikspiel, einteilen. Theme Park World oder Reihen wie Age of Empires und ANNO sind praktische Beispiele für die erwähnten Genres.
Unter den vierten Sammelbegriff fallen Simulationen. Die Spielmechanik zielt darauf ab, Szenarien, Funktionen oder Situationen virtuell zu simulieren beziehungsweise nachzuempfinden. Spieler*innen erleben während der Handlung direkt die Auswirkungen im Prozess. Auf diese Weise sorgt dieses Genre auch für einen Lerneffekt, da hier Zusammenhänge erlernt und verstanden werden können. Simulationen beinhalten unter anderem die Subgenres Fahrzeugsimulation, Lebenssimulation und Sportsimulation. Vor allem die Fahrzeugsimulation lässt sich hier noch in etliche Kategorien aufbrechen, wie zum Beispiel Flugsimulation, Schiffsimulation oder U-Boot-Simulation. Als praktische Beispiele zählen zum Beispiel Reihen wie Wing Commander, Die Sims oder auch FIFA.
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Resident Evil 7: Biohazard, Genre: Survival-Horror |
Gerade in den letzten Jahren haben sich noch etliche weitere Genres etabliert, die sich nicht konkret einem der vier genannten Sammelbegriffe zuordnen lassen. Diese bilden zusammen die fünfte Kategorie, die mehr eine Sammlung an Genres ist. Dementsprechend sind auch die Spielmechaniken sehr individuell und können je nach Spiel auch stark differenzieren. Dazu zählen unter anderem Denk- und Gedächtnisspiele, Musikspiele oder Partyspiele. Zum Beispiel Dr. Kawashimas Gehirn Jogging, That’s You! oder Guitar Hero.
Die Anzahl und Möglichkeiten an Genres sind sehr vielfältig. Zudem gibt es Videospielentwickler*innen, die sich bewusst an gewissen Genre-Regeln orientieren und somit für ganze Reihen Identitäten erschaffen. Die Tomb Raider-Reihe blieb von 1996 bis heute, abgesehen von einigen Spin-offs der Reihe, dem Action-Adventure Genre treu. Dementsprechend wissen Fans, was sie bei den Spielen zu erwarten haben. Actiongeladene Schießereien, interessante Locations, spannende Handlungen und das Entdecken von antiken Kulturen, Artefakten oder sonstigen Geheimnissen. Die Reihe hat auf diese Weise für sich selbst eine gewisse Identität geschaffen, auch wenn die individuelle Handlung, die Kulturen und Artefakte und die Orte in jedem Teil variieren.
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Tekken 7, Genre: Beat-'em-up |
Es gibt allerdings auch Entwickler*innen, die sich Elementen verschiedener Genres bedienen und Mischformen erstellen. Häufig nutzen sie solche Kombinationen, um mehr Freiraum und Innovation für das Spiel und seine Regeln zu erschaffen. Ein Videospiel, das Elemente eines Actionspiels beinhaltet, ist auf diese Weise nicht zwangsläufig auf die Spielmechaniken eines Actionspiels angewiesen. Ein beliebtes Beispiel sind hierbei die Spiele der F.E.A.R.-Reihe, welche die Genres Shooter, explizit Ego-Shooter, und Survival Horror kombinieren. Eine Kombination, die für eine Vermischung von beliebten Genre-Regeln und Mechaniken sorgt. Auf diese Weise können genrehybride Titel neue Regeln, Überraschungen sowie innovative Möglichkeiten bei der Spielmechanik und Wirkung bieten.
Ein Genre allein macht aber noch nicht sämtliche Regeln aus. Survival Horror ist beispielsweise nicht immer gleich Survival Horror. Für eine große Diskussion sorgte in diesem Aspekt der neueste Titel der Resident Evil-Reihe Resident Evil Village. Ein Großteil der eingefleischten Fans werfen dem Spiel einen Stilbruch vor, manche sprechen sogar von einem Verrat. Die alten Titel der Reihe waren für mehr realitätsbezogene Handlungen bekannt. Sehr oft ist das Entkommen aus einer Villa, einer Stadt oder von einer Insel das Kernziel. Hierbei müssen Gegner und Zwischenbosse bekämpft werden, die durch fiktive Viren mit einem mutierenden Effekt entstanden sind. Also normale Lebewesen, die durch ein Virus mutiert sind.
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Die Sims 4, Genre: Lebenssimulation |
Umso geschockter waren viele Fans, als das erste Material zu Resident Evil Village veröffentlicht wurde. Werwölfe, Vampire, sprechende Puppen und Hexen als Gegner oder Zwischenbosse. Dazu eine Art von Horror, die mehr an Folk-Horror erinnert und für die Reihe bis dahin untypisch war. Können fantastische Wesen neben einem jahrelangen Fokus auf Mutanten und Teströhrenmonstern koexistieren? Letztendlich ist das eine subjektive Geschichte. Ein Spieluniversum hat seine eigenen Regeln und Richtlinien, aber bei einer ausreichenden Erklärung gibt keine festen Regeln, die sagen, dass es grundsätzlich nicht möglich wäre.
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Baphomets Fluch 5: Der Sündenfall, Genre: Point-and-Click-Adventure |
Auch wenn Genres für gewisse Parallelen und ähnliche Rahmenbedienungen bei Spielen sorgen können, können sie sich inhaltlich trotzdem unterscheiden. Ego-Shooter haben die primäre Funktion, Gegner auszuschalten, Survival-Horror hat die Aufgabe, ein Gefühl des Überlebenskampfes zu erzeugen und Point&Click-Adventure vermitteln die Aufgabe, sich durch die Spiellandschaft zu klicken und Dinge herauszufinden. Diese Funktionen sagen allerdings nichts über die generelle Geschichte aus. Ob sich die Spieler*innen einen Überlebenskampf gegen Zombies in einer Villa oder gegen Werwölfe im Wald liefern und wie sich die generelle Handlung dahinter entwickelt, macht einen großen Unterschied und ist in keinster Weise mit anderen Spielen des gleichen Genres zu vergleichen. Dementsprechend ist es wichtig, ein Videospiel trotz seiner Merkmale nicht nur auf sein Genre zu reduzieren. Denn die Elemente und Vielfalt bieten eine zu große Variationsmöglichkeit an Handlungen, Aufgaben, Charakteren, Schauplätzen und der generellen Ästhetik an. Genres können eine ungefähre Orientierung geben, was Spieler*innen von einem Spiel erwarten können, geben aber keinen konkreten Hinweis zum individuellen Inhalt. Sie sind ein potenzieller Leitfaden, aber kein Inhaltsversprechen.
Literaturhinweise:
https://www.film-lexikon.de/Filmgenres
https://www.klicksafe.de/themen/digitale-spiele/digitale-spiele/genres/
https://wps.prenhall.com/bp_gamedev_1/54/14051/3597066.cw/index.html
https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/4662/file/digarec05.pdf
https://usk.de/alle-lexikonbegriffe/aufbau-strategie/
https://www.spieleratgeber-nrw.de/?siteid=3