Child of Eden

Genre
Shooter
USK
ab 6 Jahre (?)
Pädagogisch
ab 14 Jahre
Vertrieb
Ubisoft
Erscheinungsjahr
2011.09
Systeme
Playstation 3, Xbox 360
System im Test
Xbox 360
Homepage des Spiels
Hinweis(e)
Kinect Sensor empfohlen
Kurzbewertung
Ungewöhnlicher, ästhetischer, aber abstrakter Kunst-Shooter
Gruppenleiter
Koray Çoban
Ü8 Elsa-Brandström-Schule Düsseldorf | Spieletester an der HHU
Screenshot 2Screenshot 3Screenshot 4

Spielbeschreibung:
Eins muss man dem Entwicklerteam rund um Kult-Spieleentwickler Tetsuya Mizuguchi lassen: „Child of Eden" lässt sich nur schwer in Worte fassen. Die Fachpresse überbot sich daher gegenseitig beim Versuch einer Beschreibung. So wurde der Titel unter anderem als „synästhetische Reise", als „spielbarer Farbrausch", als „virtuelles Kaleidoskop" und vom KulturSPIEGEL gar als „zauberhaftes Kunstwerk aus Musik, Licht und Form" bezeichnet. Nüchtern betrachtet, fernab vom zweifelsfrei mindestens als ‚extravagant' anzusehenden audiovisuellen Gewand, handelt es sich bei „Child of Eden", wie auch bei seinem Vorgänger REZ im Grunde um einen Rail-Shooter klassischer Natur. Wie bei ‚Schienen-Schützen' üblich, hat man dabei als Spieler nur die Aufgabe zu schießen, der Rest, wie etwa Kameraperspektive oder Fortbewegung, ist vorbestimmt. Vorbestimmt ist beim vermeintlichen Weg nach Eden auch die Rahmenhandlung des Spiels und diese beginnt durchaus paradiesisch. Wir befinden uns im 23. Jahrhundert. Mithilfe von archivierten Daten wird die hübsche Lumi, das erste im All geborene Lebewesen, zum Leben erweckt. Sie wandelt durch wunderschöne ‚blühende Landschaften'. Plötzlich wird sie von Eden eingesogen und verschwindet im Datennirvana. Eden, eine Art Online-Datenarchiv, welches das kollektive Wissen der gesamten Menschheit sein Eigen nennt, steht vor der Auslöschung - ein heimtückischer Virus bedroht seine Existenz. Ziel des Spiels ist es, als eine Art Antivirenprogramm, Eden von seinen Viren zu befreien und somit das Wissen der Menschheit und natürlich Lumis Leben zu retten. Als Einzelspieler gilt es nun offline die aufeinander aufbauenden fünf Level zu meistern.

Pädagogische Beurteilung:
‚Die Leiden des jungen Spieletesters'
Aufgrund seiner Andersartigkeit wurde „Child of Eden" bewusst zwei Spieletestergruppen (Ü8 und Ü12) vorgestellt. Überraschenderweise, trotz des altersbedingten unterschiedlichen Entwicklungsstandes der Tester, irritierte das Spiel beide Gruppen etwa in gleichem Maße. Bereits die Geschichte schien beide Gruppen zu überfordern. Die Kinder und Jugendlichen hatten immense Schwierigkeiten mit der für sie „unendlichen" Länge des Intros (3:04 min) und mit dem Inhalt der im Intro dargestellten Rahmenhandlung. Etwas über eine Minute galt es dabei eine leicht psychedelisch angehaucht präsentierte Textpassage lesend zu überstehen. „Boah, ich will zocken und nicht lesen!"-die Geduld der Tester wurde beim nicht überspringbaren Intro wahrlich auf die Probe gestellt. Hat man den Text, der die Vorgeschichte Lumis und Edens erläutert, geschafft, darf man „immer noch nicht loslegen". Stattdessen folgt ein etwa zweiminütiger Videoclip, wie die hübsche Lumi ‚archiviert' wird. Verständlicherweise echauffierten sich die Tester auch nach kurzem Betrachten des Clips, denn das Dargestellte konnten sie beileibe nicht einordnen. „Wer ist die (sexy) Frau?", „Wo ist die?", „Was soll das denn?" - selbst, wenn alle Tester den Text gelesen hätten, ist anzunehmen, dass sie ihn nicht verstanden hätten. „Child of Eden" ist ein Stück Science-Fiction, eine in der Zukunft verortete, räumlich mehr oder minder nicht existierende, abstrakte Möglichkeit der Wirklichkeit. Für Tester, die gerade langsam aus einer kindlich faszinierenden Phantasiewelt in die ‚wahre Welt' kommen (Ü8) oder zum Teil gekommen sind (Ü12), strahlt diese über allen Maßen abstrakte und für sie schlicht nicht greifbare Form der Wirklichkeit, etwa so viel Strahlkraft aus, wie Buxtehude auf Touristen aus Übersee.

„Wo bin ich?"
Hat man das Intro überstanden, wird man aufgefordert ‚Stage 1' zu starten und taucht ein in das Datennetz Eden. Ein stets schwarzer Hintergrund, teils kunterbunte, jedoch eher technisch wirkende Animationen vermitteln dabei ein persönlich nur begrenzt erfahrbares Raumgefühl. Eden ist kein Ort im herkömmlichen Sinne, stark vereinfacht kann man sich Eden als das Innere eines Kabels vorstellen. Versteht man die Geschichte des Spiels, besteht an dieser Stelle im Grunde auch keinerlei Erklärungsbedarf. Hat man jedoch Schwierigkeiten der abstrakten und durchaus komplexen Geschichte zu folgen, bleibt Eden ein unerklärliches Mysterium.

„Was muss ich tun?"
Gesteuert wird „Child of Eden" entweder indirekt per Controller oder direkt durch körpereigene Bewegungen vor einem Kinect-Sensor. Sich als körperlose Figur stetig fortbewegend, gewissermaßen als Teil einer fortwährenden Kamerafahrt, gilt es herannahende oder vorbeifliegende Viren, meist in Form rundlicher Objekte, abzuschießen. Dazu wird der ständig sichtbare Cursor auf das Objekt via Controllerstick oder Armbewegung gelenkt, durch Knopfdruck oder Vorwärtsbewegung wird dann geschossen. Das Spielprinzip war dabei nur wenigen Testern auf Anhieb klar. Nach einer gewissen Spielzeit konnte diese Hürde jedoch überwunden werden, da die Steuerungsoptionen derart eingeschränkt sind, dass sie dann doch auch ohne Verständnisgrundlage erfasst werden kann. Es machte sich daher, zumindest bei den älteren Testern Freude breit, dass man endlich auch mal ein „Ballerspiel" testen darf. Zudem gestaltete sich auch der anfängliche Schwierigkeitsgrad als überaus erfreulich, wobei dieser mit steigender Spieldauer bzw. Levelanzahl spürbar zunimmt. Erwähnenswerter, wenn auch nicht sonderlich überraschenderweise, erreicht die Bewegungserfassung durch den Kinect-Sensor zu keinem Zeitpunkt die Präzision der Controllereingabe.

Audiovisuell!
„Ein Bild muß klingen und von einem inneren Glühen durchtränkt sein." - die Worte Wassily Kandinskys, der in seiner Kunst Farben mit Sinneseindrücken verschmelzen ließ, scheint beim ‚Künstler unter den Spieleentwicklern' Tetsuya Mizuguchi bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. „Child of Eden" ist, sofern man sich darauf einlässt, ein ungemein faszinierendes audiovisuelles Konglomerat. Meist schnelle Elektrobeats von Mizuguchis eigener Band „Genki Rockets", deren Sängerin Lumi im Übrigen auch die gleichnamige ‚Heldin' des Spiels darstellt, treffen auf ein abstraktes, unglaublich farbenprächtiges, dennoch minimalistisches grafisches Gebilde und verschmelzen zu einer sich stets wandelnden und pulsierenden Komposition. Es scheint, dass Mizuguchi mit „Child of Eden" beendet, womit er bei „REZ" (2001) begonnen hat – die möglichst vollständige Erfahrbarkeit der farblich-musikalischen Synthese.

„Child of Eden" - ein Kinderparadies?
„Child of Eden" ist zweifelsfrei ein in jeder Hinsicht unglaublich faszinierendes Videokunstwerk. Einziger Haken dabei ist die Tatsache, dass der ‚Garten Eden' zwar auf klassische Videospieleelemente zurückgreift, aber irgendwie zumindest ad hoc nicht zu 100% als solches erkennbar ist - jedenfalls nicht für die beiden Testergruppen. Sie hatten dabei nicht nur Schwierigkeiten die Rahmenhandlung des Spiels zu erfassen, sondern auch mit seiner Präsentation. Zwar konnten sie nach einer gewissen Spieldauer erkennen, dass sich ihre selbst durchgeführten Aktionen audiovisuell bemerkbar machen, aber die Fragen nach dem wie, was und vor allem warum blieben meist unbeantwortet. Dennoch übte das Gehörte, das Gesehene und auch das ‚Gespielte' eine gewisse, mit zunehmendem Alter der Tester ausgeprägte Faszination aus. Eine Faszination, die zwar das Gesamturteil der Tester milder ausfallen ließ, sie aber nicht daran hinderte, das Spiel für ihre jeweilige Altersgruppe als unangemessen anzusehen. So setzten die jüngeren Kinder die Altersfreigabe auf etwa 12 und die älteren auf „15 oder so" herauf. Beide Gruppen waren sich einig, dass diese Einschätzung gewiss nicht auf etwaigen Gewaltdarstellungen beruht, denn „man schießt ja nur auf so komische Farbdinger". Vielmehr führten sie ihre Einschätzungen darauf zurück, dass „man einfach älter sein muss, um das Spiel so richtig zu verstehen". In der Tat scheint eine Altersfreigabe ab etwa 15 Jahren für den ‚vollen Spielgenuss' angemessen, da ein fehlendes Verständnis der teils verwirrenden audiovisuellen Präsentation und der damit einhergehenden Rahmenhandlung den Spielspaß, aufgrund ihrer durchaus komplexen Beschaffenheit, hemmen.

Fazit:
Das ‚synästhetische Videospiel-Kunstwerk' ist nicht nur schwer in Worte zu fassen („Child of Eden"-Clip auf Youtube), sondern auch in gewisser Weise schwer ‚erfahrbar'. Eine tiefsinnige Rahmenhandlung, ein technisch herausragendes audiovisuelles Zusammenspiel, eine durchaus gelungene Steuerung - objektiv betrachtet, stellt „Child of Eden" wohl einen Meilenstein der Videospielgeschichte dar. Hingegen subjektiv bzw. etwas weniger objektiv, kurz aus Testersicht betrachtet, ist es letztlich ein „abgefahrenes" und „voll komisches Ballerspiel".

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Ü8 Astrid-Lindgren-Schule Düsseldorf
Bewertung Spielspass