Call of Duty: Modern Warfare 2

Spielbeschreibung:
Wohl kaum ein Spiel hat 2009 für solche Schlagzeilen gesorgt wie "Modern Warfare 2“. Der Nachfolger des 2007 erschienenen "Call of Duty 4: Modern Warfare", welches ebenfalls hart und brutal wirkte (so erlebte man dort beispielsweise eine Atombombenexplosion aus nächster Nähe mit), inszeniert seine Inhalte ebenso drastisch wie schonungslos und versetzt den Spieler dieses Mal sogar in die Rolle eines Terroristen, der an einem Massenmord beteiligt wird.
Pädagogische Beurteilung:
An der ursprünglichen Spielmechanik hat sich auch im neuesten Teil der "Call of Duty"-Reihe nichts geändert. Wie üblich übernimmt man in der Ego-Perspektive die Rolle eines britischen oder amerikanischen Soldaten und bekämpft überwiegend eine Übermacht an feindlichen Kämpfern mit unterschiedlichstem modernem Kriegsgerät, von Pistolen über Sturmgewehre hin zu Boden-Luft-Raketen. Doch eine Veränderung fällt bereits ins Auge, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet, denn man wird gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass das Spiel verstörende Inhalte aufweise, die jedoch auf Wunsch übersprungen werden könnten. Was hat es nun damit auf sich?
Das erfährt der Spieler bereits in der zweiten Mission des Spiels, in der er einen verdeckten CIA-Ermittler steuert, der sich in eine russische Ultranationalisten-Zelle eingeschleust hat, an einer Terroraktion auf dem Moskauer Flughafen teilnimmt, um sich das Vertrauen der Terroristen zu erschleichen. Die Terroristen marschieren hier schwer bewaffnet über den Airport und schießen auf alles, was ihnen in die Quere kommt – und das sind zum großen Teil Zivilisten, die scheinbar gnadenlos hingerichtet werden. In der Originalversion ist es dem Spieler freigestellt, an diesem Massaker teilzunehmen; es hat keine Konsequenzen, ob er sich aktiv an dem Blutbad, das mit schreienden Opfern, Blutlachen und panisch fliehenden Menschen erschreckend realistisch inszeniert ist, teilnimmt oder "nur“ als Beobachter mit über den Flughafen läuft. In der deutschen Version ist es dem Spieler unmöglich, auf unbewaffnete Zivilisten zu schießen; tut er dies, bricht das Spiel ab, die Mission muss neu gestartet werden. Diese Einschränkung mag aus moralischen Gründen zunächst sinnvoll wirken, bei genauerer Betrachtung entpuppt sie sich jedoch als extrem doppelmoralisch: Auch wenn Zivilisten nicht unter Feuer genommen werden dürfen, gilt diese Einschränkung für die nach kurzer Zeit herbei eilenden Sicherheitskräfte und Polizisten nicht; diese dürfen auch in der deutschen Fassung des Spiels sanktionsfrei bekämpft werden. Der entscheidende Unterschied zwischen legalen und illegalen Zielen scheint nur in der Bewaffnung zu liegen; dass das Sicherheitspersonal nur zum Schutz der massakrierten Zivilpersonen auftaucht, scheint keine Rolle zu spielen.
Was es überhaupt mit diesem Massenmord am Flughafen auf sich hat, wird erst am Ende der Mission deutlich, als die Terroristen mit einem Transporter fliehen, zuvor aber dem Spieler (dem CIA-Agenten) in den Kopf schießen und ihn tot am Tatort zurücklassen. Dadurch wird letztlich ein Amerikaner als Mittäter identifiziert und Russland überfällt daraufhin, quasi als Racheakt, die USA. Der Großteil des restlichen Spiels behandelt dann diesen Konflikt in aller Härte. Bei all dem bleibt jedoch ein schaler Beigeschmack: Nicht nur ist es wohl recht unrealistisch, dass eine Atommacht eine andere nach einem Terroranschlag ohne weiteren Anlass direkt überfällt, die Inszenierung der Flughafen-Mission wirkt zudem übermäßig brutal und dadurch unpassend. Es muss die Frage erlaubt sein, ob ein solches Szenario in ein Computerspiel gehört; eine Zwischenszene, die das Geschehen erläutert oder etwas Ähnliches hätte vollkommen ausgereicht, um die Hintergrundgeschichte zu erzählen. Die im Spiel gewählte Darstellung erscheint reißerisch und gewollt provozierend; auch der anfangs erwähnte Hinweis auf "verstörende Inhalte“ und die Möglichkeit, die Mission überspringen zu können, können so bewertet werden, denn für viele, gerade jüngere Spieler haben gerade solche Inhalte einen besonderen Reiz. Scheinbar grenzüberschreitende Inhalte üben besonders auf männliche Jugendliche eine besondere Faszination aus, getreu nach dem Motto "Je verbotener, desto besser!“. Der ohnehin vorhandene Reiz, den gewalthaltige Actionspiele auf Jugendliche ausüben, wird durch vermeintlich besonders harte und "erwachsene“ Inhalte unnötig erhöht. Doch Spiele mit gewalttätigen Inhalten wie "Call of Duty: Modern Warfare 2" gehören auf keinen Fall in die Hände von Kindern und Jugendlichen, mag der Reiz der von ihnen ausgeht auch noch so hoch sein. Es scheint, als hätten die Entwickler im Vergleich zum Vorgänger, in dem es ebenfalls bereits extreme Inhalte zu erleben gab, versucht erneut mit kontroversen Inhalten zu provozieren, und das um jeden Preis. Dies wirkt allerdings sowohl aus erzählerischer als auch aus spieltechnischer Sicht komplett überflüssig und übertrieben. Die Angabe der Entwickler, den Schrecken des Terrors verdeutlichen zu wollen, erscheint mehr als Schutzbehauptung. Warum nicht den Spieler in die Rolle eines zivilen Opfers oder Wachmannes am Flughafen schlüpfen lassen? Diese Frage wurde von vielen Spielern im Internet kontrovers diskutiert, für die meisten Spieler, durchaus unterschiedlichen Alters, wurde mit der Flughafenmission eine Grenze überschritten, die sie nicht übertreten wollen. Sicherlich kann man an dieser Stelle auch eine Diskussion über Gewaltinhalte anschließen, sollte dies jedoch immer im Kontext der Spielinhalte tun. Auch Filme wie "München“ sind kontrovers und vielschichtig diskutiert worden, auch er hat, dadurch dass er Grenzen überschritten hat, eine Diskussion ausgelöst. Aus pädagogischer Sicht, sollte man mit jungen Erwachsenen die diese Spielinhalte konsumieren über solche Inhalte vielschichtig diskutieren anstatt sie vorschnell mit moralischer Entrüstung zu verurteilen.
Abgesehen von diesen extremen Inhalten ist "Call Of Duty: Modern Warfare 2" ein durchaus anspruchsvoller Shooter. Abwechselnd in der Rolle eines amerikanischen Marines oder eines britischen SAS-Soldaten kämpft sich der Spieler durch zahlreiche Schlachtfelder, in denen er sich stets einer Übermacht an Feinden erwehren muss. Dabei gilt es immer, ein bestimmtes Ziel zu erreichen; mal muss eine Position über einen gewissen Zeitraum gehalten werden, mal müssen Geiseln befreit oder Gebäude erobert werden. Die Gefechte sind dabei brachial inszeniert; Feinde gehen bei Treffern schreiend zu Boden, ständig peitschen Geschosse durch die Luft, während man sich durch Flammen, Rauch und zerstörte Gebäude vorarbeitet. Allein schon aufgrund dieser dargestellten Inhalte ist das Spiel für Kinder und Jugendliche vollkommen ungeeignet. Erwachsene Spieler finden hier ein packendes, aber gewalthaltiges Kriegsspiel, das einiges an Sinn zur Differenzierung voraussetzt. "Call Of Duty: Modern Warfare 2" ist jedoch keine Kriegssimulation; zu unrealistisch ist die Action inszeniert. Wird man selbst getroffen, so genügen einige Sekunden Deckung, um wieder vollständig zu genesen, so dass man direkt zurück ins Geschehen kann. Es ist vielmehr ein klassischer Ego-Shooter in einem realistisch anmutenden Spielszenario.
Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Mehrspielerteil des Spiels. Wie bereits im Vorgänger kann man online gegen andere menschliche Spieler antreten und sich in verschiedenen Spielmodi mit ihnen messen. Das Spiel greift dabei auf die im Spiel vorkommenden Fraktionen zurück, ohne den stattfindenden Konflikt ideologisch zu bewerten. Das heißt beide Seiten haben immer die gleichen Möglichkeiten, es ist nicht klar, wer Angreifer und wer Verteidiger ist. Der Vorgänger gehört aufgrund seiner ausgewogenen Spieldynamik zu einem der meistgespielten Multiplayerspiele im Internet. In einer Art Rangsystem gilt es bestimmte Aufgaben zu absolvieren und dadurch neue Waffen, Ausrüstung und Fähigkeiten freizuschalten. Schafft man es innerhalb der Gefechte, mehrere Gegner hintereinander auszuschalten ohne selbst getötet zu werden, so belohnt das Spiel den Spieler mit Extras wie einer Drohne, die Feinde auf einer Karte markiert oder der Möglichkeit, einen Luftangriff anfordern zu können. Das Spiel belohnt also das Töten von Gegnern; spielmechanisch betrachtet macht dies auch durchaus Sinn; aus moralischer Perspektive jedoch ist diese Mechanik mehr als fragwürdig. Die ultimative Belohnung, die man für 25 Abschüsse in Folge erhält, ist eine Miniatombombe. Aktiviert man diese, so werden alle Spieler, die sich momentan im Spiel befinden (inklusive des Spielers, der die Bombe angefordert hat), getötet und das Spiel wird als gewonnen gewertet. Angesichts der Diskussion um Atomwaffen und der enormen Gefahr, die von diesen Waffen ausgeht, ist diese Option schon ziemlich fragwürdig – ein weiterer Beleg dafür, dass "Call Of Duty: Modern Warfare 2" mit allen Mitteln versucht, den Vorgänger in punkto extremen Inhalte nicht nur im Einzelspielermodus noch einmal zu übertreffen.
Fazit:
"Call Of Duty: Modern Warfare 2" ist grundsätzlich ein dramaturgisch und spielerisch gut gemachter, spannende erzählter Kriegsshooter. Es enthält jedoch selbst für Kenner des Genres diskussionswürdige Inhalte. Ein Massaker, an dem man auch noch selbst teilnimmt, als Aufhänger für eine Geschichte zu nehmen, ist moralisch mehr als fragwürdig und zudem noch spielerisch völlig belanglos. Diese Mission hätten den Entwicklern andere Möglichkeiten geboten, sich mit dem Schrecken von Terrorangriffen auseinanderzusetzen. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Mission einzig aus Gründen der Publicity in das Spiel integriert wurde.
"Call Of Duty: Modern Warfare 2" ist daher in allen Belangen ein reines Erwachsenenspiel. Sowohl die Spielgeschichte als auch der Mehrspielermodus mit seinem fragwürdigen Belohnungssystem erfordern die Fähigkeit zur Differenzierung; das ständige Bewusstsein, dass es sich hier um ein Spiel handelt, dass mit realen Zuständen nichts zu tun hat. Dieser Titel hat daher nichts in den Händen von Kindern und Jugendlichen zu suchen.