Böse Nachbarn Compilation
Spielbeschreibung:
Schadenfreude war für Jahre aus der deutschen Fernsehlandschaft verbannt. Eigentlich ein Wunder, war sie doch zum Ende der 80er Jahre mit dem Start von "Pleiten, Pech und Pannen". Die Idee war eine einfache: Heimvideos, die Missgeschicke von Mensch und Tieren festhielten, wurden eingeschickt, ausgestrahlt und je nach Hals-und-Beinbruch-Faktor prämiert. Ein paar mutige Fernsehschaffende versuchten damals, den Erfolg der ARD-Sendung zu kopieren. Doch nach Endlosspulen von lustigen Geschädigten und peinlich arrangierten Missgeschicken verlor sich das Interesse an den Heimvideos und Fast-Unfällen.
Ein paar gewaltige Schritte Richtung Gegenwart offenbart eine Renaissance der nicht immer komischen Videos. Ein Privatsender hatte das alte Format wiederentdeckt und zurück auf den Bildschirm geholt.
Bevor wieder der gleiche Effekt wie Anfang der Neunziger eintritt, bringt "Böse Nachbarn" die Idee der Schadenfreude via Homevideo auf den Computerbildschirm. Aufgemacht ist "Böse Nachbarn" wie eine Fernsehshow. Ziel ist es, die Einschaltquoten so hoch wie möglich zu halten und damit den Fortbestand der Sendung zu sichern. Hauptdarsteller ist das halbe Hemd Woody, ein genervter Mieter, der seinen unahnsehnlichen und arg prolligen Nachbarn auf den Tod nicht ausstehen kann. Woody schleicht mit jedem neuen Level (die, wie in Fernsehserien als Folgen deklariert sind) in die Wohnung des bösen Nachbarn und versucht diesem in aller Heimlichkeit etliche Streiche zu spielen. Dazu benötigt Woody einige Utensilien und verwendet diese mit üblichen Haushaltsgegenständen. So kommt es mitunter dazu, dass urplötzlich ein Ei in der Mikrowelle platzt oder Sekundenkleber am Fernrohr klebt. Nicht zu vergessen: die mit Toilettenpapier verstopfte Toilette, die der böse Nachbar dringend aufsuchen muss, da ihm Woody gerade Abführmittel in die Limonade gemixt hat.
Entscheidend ist, dass Woody dem Nachbarn zu keiner Zeit über den Weg läuft, sonst beginnt das amüsante Spiel von vorn. Sind aber alle Risiken bedacht, wird die Aneinanderreihung von Missgeschicken den Nachbarn zur Weisglut bringen und damit die Einschaltquoten nach oben treiben.
In "Böse Nachbarn 2", das auch auf dieser recht günstigen Kompilation enthalten ist, folgt Woody seinem Nachbarn mit auf eine Kreuzfahrt. Ziel ist es auch dort, wie nicht anders zu erwarten, den Urlaub des Proleten etwas abwechslungsreicher zu gestalten.
Pädagogische Beurteilung:
Böse ist, wer Böses tut, sagte einst Forrest Gump im gleichnamigen Spielfilm. Im Falle von "Böse Nachbarn" ist das aber nicht der Fall. Man kann es mit einigem Argwohn als "böse" kategorisieren, was der Spieler hier mit dem bösen Nachbarn anrichten muss. Die Scherze, die hier zur Strategie gehören, sind jedoch allesamt harmlos und verbitten sich jegliche gewalttätige Brutalität. Die Darstellungsweise ähnelt in ihrer liebenswerten und mit spitzen Zügen versehenen Art einem Comic. Die Schadenfreude, die hier erzeugt wird, erinnert an Zeichentrickserien wie "Bugs Bunny" oder "Road Runner", die mit ähnlichen Elementen von Streichen und bewusst herbeigeführten Missgeschicken arbeiten.
Sicherlich steht am Anfang der Moment im Vordergrund, wenn der Nachbar in die von Woody gestellte Falle tappt. Aber mit der Zeit wird dies abgelöst durch strategisches Denken, denn der Spielhintergrund erweitert sich und wird komplizierter. Die Wohnung wird vergrößert, es kommen Räume und Gegenstände hinzu und damit auch mehr Möglichkeiten für Woody, Schaden anzurichten. Aber es wird auch schwerer unerkannt zu bleiben: "Ich muss immer gucken wo der Nachbar hingeht und wo er seine Finger im Spiel hat. Dann plane ich, wohin ich als erstes gehe und wo es am besten wäre, ihm einen Streich zu spielen. Hauptsache er oder seine Haustiere erwischen mich nicht" (Sven, 13).
Lange bleibt dem Spieler nämlich nicht Zeit, denn er spielt gegen die Uhr. Eine Mindestanzahl an Streichen muss in einer bestimmten zeit vollendet werden. Frustration kamen hierbei selten auf. Selbst wenn Woody erwischt wurde und damit der Level von Neuem begann, hatten die Tester die Motivation, ihre Wege die Strategie zu überdenken. Diese beinhaltet mit jedem neuen Level: Hilfsmittel finden, die Wege des Nachbarn analysieren, sich versteckt halten, die Haustiere nicht aufwecken, möglichst viele Streiche in kürzester Zeit verüben, die Zeit im Auge behalten. Bei diesem Sammelsurium von Aufgaben bedarf es einer grundlegenden Struktur und kontrollierten Aufmerksamkeit. War diese anfangs nicht vorhanden, wurde sie über kurz oder lang gefördert und entwickelt. Mit gezielten Überlegungen und geschärftem Verstand fanden die Tester im Spielverlauf zum Gelingen. Der Spaß führte dazu, dass sie ihre Aufgaben mit Leichtigkeit und oftmals im Gruppenverband zum Ende führten.
Der Einstieg in "Böse Nachbarn" entpuppte sich als sehr einfach. Mädchen und Jungen ab 10 Jahren fanden sich in den Testergruppen bestens mit der mausdominierten Spielsteuerung zurecht, da ein einführender Level (Tutorial) jegliche Fragen zu Steuerung und Inhalt beantwortete. Jüngere Spieler wirken mit der Handhabung der Maus und dem Spieleinhalt überfordert – es fehlt das Kombinationsgeschick, wie man Woody von A nach B zum Erfolg bringt. Die Anforderung des ersten Levels an den Spieler war klein gehalten. Der Spieler muss nur wenige Schritte unternehmen, damit Woody alle möglichen Streiche ausführen kann. Bestimmte Werkzeuge (z.B. ein Edding, mit dem Woody ein Bild vollschmiert) erscheinen wiederholt im Spielverlauf. Dies hatte zur Folge, dass die Tester sich nicht mit jedem neuen Level vor dem Nichts wiederfanden, sondern ihre Strategie an bereits bekannte Strukturen anknüpfen konnten.
Fazit:
"Böse Nachbarn" war trotz seiner einfachen grafischen Darstellung und der nicht nennenswerten musikalischen Untermalung ein Erfolg in den Testergruppen. Die Spieler fanden sich zusammen und suchten gemeinsam nach Wegen zum ertragreichsten Ziel. Denn es gibt bessere und schlechtere Ziele in "Böse Nachbarn", was die Tester immer wieder dazu anspornte, die beendeten Level noch einmal zu starten. "Mir war eigentlich egal, wenn ich nicht selber die Maus bedienen konnte. Auch zugucken und Tipps geben hat voll Spaß gemacht." (Fillipo, 12)
Gestestet wurde die PC-Version