13th Century - Death or Glory
Spielbeschreibung:
Ließe man Spieleentwickler in, sagen wir, 750 Jahren (ich bin überzeugt, auch dann gibt es noch Spiele) das Computerspiel "Das 20. Jahrhundert" entwickeln – man könnte in zwei großen und vielen kleinen Kriegen diese Zeit hautnah erleben und dächte: So war das Ölzeitalter, oder doch nicht?
Das Echtzeit-Strategie-Spiel "13th Century: Death or Glory"das "13. Jahrhundert: Tod oder Ruhm” der Entwickler 1C Company und Atari macht genau dies: Es versetzt uns in die Zeit von 1201 bis 1300 und die Spielerin / der Spieler kann viele der historischen Schlachten (wie bspw. die Schlachten bei Bouvines (27. Juli 1214), von Falkirk (22. Juli 1298), bei Las Navas de Tolosa (16. Juli 1212), auf dem Peipussee (5. April 1242) und mit den europäischen Mächten dieser Zeit: Engländer, Franzosen, Mongolen, Deutsche und Kiewer Rus (Russen) kämpfen. Und wir begegnen historischen Persönlichkeiten wie Friedrich II, Alexander Newski oder auch William Marshal. Dies ist – so die Spieletesterinnen und Spieletester – durchaus ansprechend und überzeugen, bspw. in der Bewaffnung, umgesetzt, aber eben nicht mehr. Das Spiel bietet zwar fünf Kampagnen und ein freies Spiel, aber keine zusammenhängende Geschichte, keine Entwicklungsarbeit mit Dörfern oder Städten oder andere friedlichen Aufgaben. Die Schlachten stehen isoliert hintereinander, keinerlei Diplomatie, Wirtschaft, Kultur, die andere Spiele so konstruktiv machen und uns das Leben im Zeitalter des Übergangs von Hoch- zum Spätmittelalter etwas näher gebracht hätte. Es erinnert an Geschichtslehrer denen das Herunterleiern historischer Daten wichtiger ist als die Erkenntnis von Zusammenhängen, Denk- und Lebensweisen.
Das Spiel steht übrigens in der Tradition vieler Mittelalter-Echtzeitstrategie-Spiele, das bekannteste ist wohl Medieval II aus der Total-War-Reihe. Mit diesem aber lässt sich 13th Century zwar grafisch vergleichen, aber nicht vom Anspruch und Spielspaß.
Und noch zwei Anmerkungen: Warum das 13. Jahrhundert? Die Zeit von Albertus Magnus, Thomas von Aquin und Elisabeth von Thüringen? Die Zeit, in der die Ebstorfer Weltkarte entstand? (Wer mehr über die Gedankenwelt des 13. Jahrhundert erfahren will, dem sei diese Karte wärmstens empfohlen: Wikipedia). Der Grund ist so einfach wie logisch: Es war das letzte Jahrhundert ohne Schwarzpulver, ohne Gewehre, die von der Ferne töten konnten (auch wenn die Armbrust schon im Einsatz war, erinnert sei an Richard Löwenherz, der 1199 durch sie starb).
Außerdem fällt auf, dass die osteuropäischen Landschaften und Helden ein wenig liebevoller gestaltet sind. 1C ist ein russischer Spieleentwickler und ein klein wenig Patriotismus und Stolz hat sich somit auch auf das Spiel übertragen.
Pädagogische Beurteilung:
Der Einstieg in das Spiel ist über das ausführliche Tutorial schell erlernt und Spielerinnen und Spieler, die Erfahrungen mit Strategiespielen haben, finden sich ohne Probleme zurecht und lernen ebenso schnell die taktischen Grundregeln angehender Feldherren (vorher Gelände erkunden, Bogschützen auf einen Hügel stellen usw.). Die Menüs empfanden die jugendlichen Spielerinnen und Spieler etwas überladen, zumal es mitten während der Schlachten auch auf schnelle Reaktionen ankommt. Die Jugendlichen fanden sich außerdem etwas bevormundet, denn zu Beginn stehen nur vier Schlachten zur Auswahl, die weiteren erst nach dem erfolgreichen Abschluss der vorhergehenden. Theo: "Es gibt keine Entwicklung in dem Spiel, die Schlachten stehen gleichberechtigt nebeneinander. Warum kann ich dann nicht alle zu Beginn auswählen?".
Vor einer Schlacht wird der Spieler durch einen Erzähler eingeführt und man erfährt einige historische Details, die sich aber immer auf den bevorstehenden Kampf beziehen und wenig Hintergrundwissen bieten. Trotzdem, so die jugendlichen Testerinnen und Tester, "interessant, wenn man sich für Geschichte interessiert."
"Echtzeit"-Strategiespiel bedeutet, dass die Zeit im Spiel läuft wie in der Realität, das bedeutet manchmal Stress für die Spielerinnen und Spieler. Besonders wichtig und sehr praktisch in der Bedienung ist eine Pausentaste wie in 13th Century, die jederzeit einen entspannenden Augenblick des Überlegens, Vokabellernens oder Müllrausbringens bietet. Eine Funktion, die sich Napoleon auf dem Feldherrenhügel wohl auch das ein oder andere Mal gewünscht hat.
Die grafische Umsetzung ist detailgetreu, so bei den Gewändern oder Ausrüstungen der Soldaten, aber auch wenn Fahnen gehisst werden und andere liebevolle Details das Spielgeschehen bereichern. Die Darstellungen sorgen für eine Möglichkeit tief in das Szenario des Spiels einzutauchen und machen dadurch einen der Gründe aus, warum Spieler sich langfristig mit 13th Century beschäftigen.
Die Spieletester fanden das Spiel allerdings auf Dauer langweilig, denn obwohl die verschiedenen Völker unterschiedliche Soldaten bieten (französische Ritter, englische Bogenschützen oder berittene Mongolenkrieger) so schlagen sich doch die Schlachten alle ähnlich und bspw. sind die Pikeniere allen Rittern immer haushoch überlegen und fast unbesiegbar. Und dies obwohl der Computergegner (Jugendliche sprechen gerne von der "KI", der künstlichen Intelligenz, obwohl man dies nicht mit Intelligenz verwechseln sollte – so fällt sie bspw. auch zehnmal hintereinander auf einen Scheinangriff herein und lernt nie daraus) überraschend stark ist und bspw. die Vorteile des Geländes (Fußvolk im Wald, Bogenschützen erhöht, Brücken sind leicht zu verteidigen, Flüsse ein Hindernis) gnadenlos ausnutzt. Spieletester Daniel: "Es fehlt ein wenig die Balance zwischen den Elementen: einige Einheiten sind anderen haushoch überlegen – das macht auf Dauer leider keinen Spaß". Sollte so etwas wie ein Stein-Schere-Papier-Effekt angestrebt worden sein, so blieb er unseren Spieletestern größtenteils verborgen.
Zudem hat das Spiel weniger Spieltiefe als andere Strategiespiele und ist nach einigen Stunden durchgespielt, die positive Kehrseite für Eltern: Es hat keinen hohen Suchtfaktor, ist nicht so verführerisch wie andere.
Was lernen wir aus dem Gesagten? In 13th Century reduziert sich die Welt auf "Death or Glory”, Tod oder Ruhm. Spiegelt es wenigstens die damalige Kampfweise realistisch wider? Glaubt man den Erzählungen aus dieser Zeit bestand das Gros der Soldaten aus einfachen Bauern, Zwangsrekrutierten und war schlecht ausgebildet, wenig motiviert und nicht sehr mutig. Dabei konnte es vorkommen, dass sie vernünftigerweise das Schlachtfeld möglichst unauffällig verließen. Davon ist im Spiel (natürlich – hier geht es um Heldenruhm) nichts zu sehen. Immerhin können die Einheiten im Laufe des Spiels besser werden und den Status von "Veteranen" erlangen. Auch die Dominanz der Pikeniere erscheint unglaubwürdig, von den möglichen Taktiken des 21. Jahrhunderts ganz zu schweigen. Wenn es aber darum geht, die Orte und Protagonisten der Schlachten kennenzulernen, so kann das Spiel doch einiges bieten. Auch die Optik ist – glaubt man dem Spielehersteller – realistisch, denn "Waffen, Rüstungen und Ausstattung der Ritter wurden nach historischen Aufzeichnungen und Vorgaben erstellt" (1C Company). Auch hier sind die Darstellungen der osteuropäischen Spielelemente etwas genauer. Sogar Wetter, Tageszeit und Landschaft sollen nach historischen Dokumenten ausgewählt worden sein. Es fehlen jedoch die Belagerungen, die wohl einen großen Teil in unserem kriegerisch-europäischem Erbe ausmachen und beim Spiel "Medieval II" für beeindruckende Bilder sorgen. Und wie so oft könnte man in 13th Century den Eindruck gewinnen, das Mittelalter sei eine Aneinanderreihung militärischer Aktionen und darüber hinaus eine Männerwelt ... denn Frauen kommen in dem Spiel nicht vor!
Das Spiel besitzt einen Mehrspielermodus über LAN und über Internet, so dass die Spielerinnen und Spieler gegeneinander antreten können. Addiert man hierzu die taktischen Finessen des Spiels (im Besitz von Kavallerie sollte man Bogenschützen zunächst schwächen bevor man sie angreift), so lässt sich die eine oder andere kriegerische Eigenart des Mittelalters erahnen. Hier bietet das Strategiespiel eine weitere Faszination: Im Spiel Mensch gegen Mensch vor dem Hintergrund der historischen Schlachten macht es großen Spaß und es bedarf ausgeklügelter Strategien, viel Überblick und einer schnellen Koordinationsfähigkeit.
Schlachten, Schlachten, Schlachten, Kampf, Tod oder Ehre – manchmal stellt man sich als Pädagoge doch die Frage, warum diese martialischen Szenarien immer und immer wieder sein müssen, welche Werte dadurch vermittelt werden. Scheinbar besitzt das Kämpfen doch eine hohe Attraktivität bei den Jugendlichen, übrigens männlich wie weiblich. Zu erklären u.a. mit dem "Imersionsfaktor" Gewalt, der auch jeden Krimi und jeden Actionfilm erst spannend werden lässt. Die Gewaltdarstellungen in 13th Century beschränken sich auf Spielfiguren und verzichten auf grausame Szenen von Verstümmelungen, wie sie auf den Schlachtfeldern damals wohl üblich gewesen sein müssen. Wie so oft – das Spiel ist von der USK freigegeben ab 12 Jahren – kommt der Krieg aus ohne seine wirklich abschreckenden Seiten. Obwohl der Sound des Spiels, so das Geschrei bei tiefem Zoom, durchaus erschreckend sein kann. Aber – man mag selbstverständlich sagen – das Spiel erlaubt keine Regung von Mitleid, Menschlichkeit, konstruktivem Tun.
Das Spiel ist dadurch gerechtfertigter weise ab 12 Jahren freigegeben worden. Kinder in diesem Alter können sehr wohl mit der bildlichen Darstellung des Schlachtengetümmels umgehen, erkennen, dass es sich um Spielfiguren handelt. Die Gewaltszenen sind – wie beschrieben – nicht übermäßig grausaum oder brutal und stehen im Zusammenhang mit einer mittelalterlichen Schlacht, machen also "Sinn" in diesem Sinne. Auch die komplexen Szenarien können Spieler handhaben, vielleicht nicht als Einstieg in das Genre der Echtzeitstrategien, aber alte Hasen allemal.
Fazit:
Isolierte Schlachten, wenig Zusammenhänge und aus pädagogischer Sicht leider eine Reduktion auf die Kriege des 13. Jahrhunderts ohne Würdigung der z.B. kulturellen Leistungen oder auch des normalen Lebens der Menschen, es gibt keinen gesellschaftlichen Überbau. Aus rein spielerischer Sicht ein durchaus ordentliches Echtzeit-Strategie-Spiel, das leider nicht an die Komplexität von Medieval II heranreicht, aber mit schöner Grafik, taktischen Finessen und guter Bedienung gefällt. Der dauerhafte Spielspaß ist etwas getrübt durch die Ähnlichkeit der Schlachten und die schlechte Balance der Einheiten. Die Spieletesterinnen und Spieletester fanden daher Urteil: "Mal ganz nett, nichts auf Dauer."